Das viel kritisierte Plakat aus der Kampagne der SRH-Hochschule hing bis vor Kurzem unter anderem in der Bergheimer Straße in Heidelberg. Dort war es am gestrigen Dienstag bereits verschwunden. Die SRH hatte angekündigt, das Poster nicht weiter zu verwenden. Foto: bma
Von Benjamin Auber
Heidelberg. Die SRH-Hochschulen haben mit ihrer Plakatkampagne zu ihrem "Du-Konzept" für Aufregung gesorgt. Auf dem von der bekannten Stuttgarter Werbeagentur Jung von Matt mitentwickeltem Motiv ist zu sehen, wie ein junger Mann mit entschlossenem Blick in die Ferne schaut.
Zahlreiche Menschen diskutieren vor allem auch im Netz über die Wirkung des Bildes und die damit verbundene Nazi-Ästhetik. Inzwischen hat die SRH die entsprechenden Plakate an den gemeldeten Stellen bereits entfernen lassen. Der Heidelberger Historiker und Experte für Nationalsozialismus Frank Engehausen ordnet die Diskussion ein:
Frank Engehausen.
Foto: zg
Herr Engehausen, was war ihr erster Gedanke, als Sie das Plakat gesehen haben?
Das Bild kommt mir doch bekannt vor.
Inwiefern?
Sowohl mit dem Motiv als auch in der Inszenierung erinnert das Plakat sehr stark an Werbebilder, die für nationalsozialistische Propaganda verwendet wurden. Das ist aus meiner Sicht eindeutig. Aber es ist natürlich ein Problem, dass es unterschiedliche Bildgedächtnisse in unserer Gesellschaft gibt. Als Historiker ist der Blick darauf ein anderer. In meinem Fall ist es so, dass ich mich in den letzten Jahren sehr viel mit NS-Propaganda auseinandergesetzt habe und deshalb vermutlich anders reagiere als andere Menschen, die nur selten mit der NS-Ästhetik in Berührung kommen.
Einige Leser verstehen die Aufregung um das Plakat nicht. Ist der Vorwurf der NS-Ästhetik nur aufgebauscht?
Darüber kann man unterschiedlicher Auffassung sein. Das Bildgedächtnis und die Einstellungen zum Nationalsozialismus spielen für die Bewertung eine wichtige Rolle. Natürlich sehe ich das Dilemma, dass in Zukunft nicht auf Abbildungen von jungen blonden Männern verzichtet werden kann. Doch die Machart ist entscheidend und die Frage, ob das Spielen mit nationalsozialistischen Anmutungen die Grenzen übersteigt.
Wie sehr ist das Spielen mit der Nazi-Ästhetik verwerflich?
Wenn das eine bewusste Provokation mit NS-Ikonographie war, dann halte ich gerade das durchaus für eine problematische Angelegenheit, die nicht redlich ist und den Nationalsozialismus gewissermaßen verharmlost.
Ein Kommentator auf Facebook bemerkt, dass es in der Diskussion offensichtlich an historischen Bewusstsein mangelt. Wie sollte man darauf reagieren?
Aufklären ist sicher eine gute Lösung, aber dabei sollte man nicht belehrend auftreten. Wichtig ist, dass die historischen Bezugspunkte offengelegt werden. Gerade wenn es um die Geschichte des Nationalsozialismus geht, führt kein Weg daran vorbei, immer wieder zu informieren, was im Dritten Reich passiert ist. Und auch die Kontexte zu erklären, wie solche Abbildungen entstanden sind , und die Motive: nämlich um Menschen für den Nationalsozialismus zu begeistern.
Wie sehen Sie die Entwicklung in der Gesellschaft?
Von der politischen Rechten gibt es viele Versuche, die Geschichte umzudeuten und zu verharmlosen. Es ist wichtig, dass die Erinnerung an die NS-Zeit wach gehalten wird. Provozierende Plakate helfen da nicht weiter.