Von Joachim Klaehn
Heidelberg. Wir sitzen auf den ersten drei Probestühlen und lassen in der neuen Großsporthalle den Blick vom Oberrang aus durch das Gebäude mit einer Gesamtfläche von 10.890 Quadratmetern schweifen. "Hier ist die beste Position", sagt Holger Schweikardt vom Betreibermanagement der Bau- und Servicegesellschaft mbH (BSG) zur RNZ-Sportredaktion. Und in der Tat: Der 51-Jährige hat Recht. Die Eckenperspektive lässt die Dimensionen des künftigen SNP Dome greifbar werden und man ahnt buchstäblich, was sich in diesem Sport-, Kultur- und Eventtempel vor den Toren Heidelbergs atmosphärisch dicht ereignen kann.
Die Metropolregion darf sich wirklich auf ein neues Wohnzimmer und Schmuckkästchen freuen, das langsam, aber sicher auch im Innenraum Gestalt annimmt. Die Betonstufen der Tribünenflanken stehen, in Kürze kommen die vierseitigen, variablen Teleskoptribünen hinzu, die je nach Veranstaltungsart im Unterrang ausgezogen werden oder eingezogen bleiben. Fast alles ist hier denkbar: Basketball, Handball, Volleyball, Fußball, singuläre Sportevents, Konzerte, Theater, Kabarett, Galas, Fernsehshows, Firmenmeetings, Tagungen – von der konzeptionellen Ausrichtung her ist der SNP Dome eine klassische Multifunktionshalle. Wenn man so will, die "kleine Schwester" der Mannheimer SAP Arena, die aufgrund ihrer stolzen Ausmaße (bis zu 15.000 Zuschauer) und erreichten Reputation internationale Standards setzt.
Helmpflicht und Schutzkleidung auf der Baustelle: Holger Schweikardt (M.) vom Betreibermanagement, RNZ-Sportredakteur Nikolas Beck (l.) und RNZ-Sportchef Joachim Klaehn (r.). Foto: KehlInsofern ist das Bauwerk an der Speyerer Straße eine sinnvolle Ergänzung zum "Ufo" am Rande der Quadratestadt. Sie stößt in ein entstandenes Vakuum vor, zumal die Eppelheimer Rhein-Neckar-Halle aus Sicherheitsgründen nicht mehr für die breite Öffentlichkeit zugänglich ist, und auch die Friedrich-Ebert-Halle in Ludwigshafen oder die Europahalle in Karlsruhe deutlich in die Jahre gekommen sind und nur sehr bedingt aktuelle Qualitätsstandards erfüllen.
Gerade darin liegt die große Chance der modernen Kathedrale für Sport und Kultur in der altehrwürdigen Universitätsstadt, der innovative, zukunftsorientierte Projekte und zweckmäßige Architektur gut zu Gesicht stehen. Und da hilft es, dass ein Machertyp wie Andreas Schneider-Neureither (55) mit und in der hiesigen Region stark verwurzelt ist. Für den Chef des Softwareunternehmens SNP Schneider-Neureither & Partner SE mag es Imagetransfer und Markenbildung sein, dem CEO der SNP-Gruppe (weltweit 1 300 Mitarbeiter) mit dem Stammsitz Heidelberg geht es primär um gesellschaftliches Engagement und gezielte Förderung. "Es freut mich ganz besonders, dass wir jetzt mit dem SNP Dome die Sport- und Kulturlandschaft noch aktiver als zuvor mitgestalten können", sagt Schneider-Neureither über eine Herzensangelegenheit. Der Vertrag mit SNP zu den Namensgeber- und Partnerschaftsrechten läuft erst mal über zehn Jahre, das gibt der Gesellschaft für Grund- und Hausbesitz mbH (GGH) und deren Tochtergesellschaft Bau- und Servicegesellschaft mbH (BSG) Planungssicherheit und ermöglicht Handlungsspielräume.
Einige wenige Entscheidungen bezüglich der Innenausstattung und der Abläufe an Veranstaltungstagen stehen noch aus, etwa wie Form und Ausführung der Sitzplätze auf den Teleskoptribünen aussehen werden oder welcher Exklusivcaterer die Gäste an drei Kiosken, im Business Club, in den Logen und in der Lounge verwöhnen darf.
Die Planungen sehen vor, dass es vor der eigentlichen Eröffnung einen Probebetrieb geben wird. Jeder Handgriff muss dann sitzen, alles störungsfrei funktionieren: Die energieeffiziente Beheizung und Lüftung, die Lautsprecheranlage, die imposante Anzeigetafel und die beiden großen LED-Wände. Einen Videowürfel wie etwa in der SAP Arena wird es hingegen nicht geben, dazu ist die Großsporthalle mit einer Deckenhöhe von 13,5 Metern bis zu den Lichtelementen und Strahlern für den Profisport nicht hoch genug. Auf einen "Catwalk" (Laufsteg) muss ebenfalls verzichtet werden.
Die offizielle Eröffnung für den Spiel- und Eventbetrieb des attraktiven Prestigeobjekts, dessen Baukosten von der Stadt Heidelberg mit 28 Millionen Euro veranschlagt wurden, soll mit der Saison 2020/2021 erfolgen. Dann dürfen sich die Fans der Rhein-Neckar Löwen auf bis zu zehn Handball-Spiele pro Saison in Heidelberg freuen. Sämtliche Heimpartien, Normalrunde wie Play-offs, werden die Korbjäger der MLP Academics an neuer Wirkungsstätte ausrichten. Sie wollen und müssen zeitnah in die Basketball-Bundesliga aufsteigen, was freilich einige strukturelle Veränderungen, wesentlich mehr Sponsorengeld und eine kreative Charmeoffensive Richtung Zielpublikum erfordert.
Löwen wie Academics sind die beiden sogenannten Ankermieter. "Wir hoffen natürlich, dass die Halle in puncto Auslastung gut angenommen wird. Wie jede Halle lebt auch der SNP Dome bei Veranstaltungen von den Zuschauern. Nur eine gut ausgelastete Halle macht allen Beteiligten Spaß", so Holger Schweikardts Einordnung, während Bauarbeiter die Unterlage für den tragenden Schwingparkettboden verlegen.
Klar ist: Die BSG wird als Hauptverantwortliche für technischen Betrieb und Betreibermanagement die diversen Projekte und möglichst optimale Hallenauslastung unterstützen, im Event-und Kulturbereich in enger Zusammenarbeit mit der Heidelberger Kultur- und Kongressgesellschaft mbH (HKK), hier wurde am 1. April 2019 mit Gerhard Reiter (60) ein ausgewiesener Experte im Messe- und Kongressbereich geholt, der die Geschäftsführung um Mathias Schiemer (52) ergänzt. Die HKK vermarktet eine Trias aus Stadthalle, SNP Dome und das neue Konferenzzentrum. Der Standort Heidelberg soll national wie international gezielt gestärkt werden, schöne – und längst überfällige Aussichten – sind das.
Das wird der SNP Dome - Hinter den Kulissen der Heidelberger Großsporthalle
Kamera: Matthias Kehl / Interview: Niko Beck und Jogi Klaehn / Produktion: Matthias Kehl
An 260 Tagen im Jahr soll Schul- und Vereinssport in der dreigeteilten, mit Netzvorhängen getrennten Großsporthalle stattfinden. Der Belegungsplan wird zwischen der BSG und dem Amt für Sport und Gesundheitsförderung der Stadt Heidelberg unter Gert Bartmann in enger Zusammenarbeit erarbeitet und gepflegt. Eine ausbalancierte, bedarfsgerechte Nutzung ist vorgesehen, die Stadt ist diesbezüglich für die nächsten 30 Jahre Mieter und "Verteiler".
Holger Schweikardt, von 2016 bis 2019 Leiter der Geschäftsstelle beim Fußball-Zweitligisten SV Sandhausen, und die beiden Redakteure der RNZ-Sportredaktion sitzen bei ihrer Stippvisite immer noch auf den Probestühlen. Das Trio fachsimpelt, diskutiert, wagt den Vorausblick – und träumt. Davon, dass aus den vier Mundlöchern des SNP Dome in naher Zukunft Handballer, Basketballer, viele andere Sportler ins Rampenlicht treten und von Cheerleadern euphorisch empfangen werden; dass diverse Künstler, ganz gleich welchen Genres, auf den eigens errichteten, jeweiligen Bühnen ihr Allerbestes vor Kulturbeflissenen geben.
"Wenn die Musik angeht und das Publikum klatscht und jubelt", sagt Holger Schweikardt lächelnd, "dann geht es richtig los." Kathedralen des Sports wie der Kultur erzeugen Gänsehautgefühle. Sie können zuweilen "Hexenkessel", Rückzugsort und ritualisierte Kultstätte sein. Der "Dom" von Heidelberg hat gewiss das Potenzial dazu.
Fix-Punkt für Heidelberg, Reset-Knopf für die Academics
Ob Bürgermeister, Vereins-Verantwortliche oder Spieler: Die Vorfreude auf den SNP Dome ist riesig
Von Nikolas Beck
Fotos: Dorn/vaf/DK-Fotos> Eckart Würzner, Oberbürgermeister der Stadt Heidelberg: "Der Breiten- und Spitzensport in Heidelberg bekommt einen neuen Fixpunkt: den SNP Dome. Ich bin überglücklich, dass dieses sehr komplexe Bauwerk so schnell voranschreitet. Das ist in der heutigen Zeit auch nicht mehr selbstverständlich. Zu der SAP Arena in Mannheim haben wir nun in Heidelberg für die Metropolregion Rhein-Neckar das passende ergänzende Modul gefunden. Ich selbst bin ein alter Handballer, aber ich denke, jeder, der mal Sport gemacht hat, weiß, wie motivierend es sein kann, wenn der Funke von den Zuschauerrängen auf die Spieler auf dem Feld überspringt. Darauf freuen wir uns alle."
Fotos: Dorn/vaf/DK-Fotos> Matthias Lautenschläger, Geschäftsführender Gesellschafter der MLP Academics: "Der Fortschritt der neuen Halle ist für mich ein großer Ansporn, sie bei unseren Heimspielen mit Leben zu füllen. Natürlich ist auch ein wenig Stolz mit dabei, solch ein Projekt mit auf den Weg gebracht zu haben. Die Vorfreude ist riesig, da ich mir in etwa vorstellen kann, welche Stimmung in der Halle entstehen kann. Ende 2010 nahm ich Kontakt mit Daniel Hopp auf, um ihn nach seiner Einschätzung bezüglich der Realisierbarkeit einer Arena in Heidelberg zu fragen. Er sicherte mir damals direkt seine Unterstützung zu. Nach einem RNZ-Interview, in dem ich den Wunsch nach einer Großsporthalle öffentlich machte, nahmen die Dinge so langsam ihren Lauf. Danach wurde das Thema durch das "Bündnis für Sport" durch Gerhard Schäfer, Peter Schlör und Michael Rochlitz immer wieder in den Gemeinderat getragen. 2014 präsentierte Daniel Hopp ein Konzept für den Betrieb einer Großsporthalle im Sportausschuss, was dazu beigetragen hat, dass die Sinnhaftigkeit kaum mehr infrage gestellt wurde. Selbstverständlich war auch die generell wohlwollende Haltung der politischen Vertreter der Stadt entscheidend."
Fotos: Dorn/vaf/DK-Fotos> Jennifer Kettemann, Geschäftsführerin der Rhein-Neckar Löwen: "Wir freuen uns sehr auf die neue Halle. Momentan sind wir gerade dabei, die letzten Vertragsdetails zu klären und hoffen, dass wir dann auch dort spielen können. Mir ist in diesem Zusammenhang auch nochmals wichtig zu erwähnen, dass wir dort keine Bundesliga-Spiele austragen werden. Dafür aber Partien in den Pokal-Wettbewerben."
Fotos: Dorn/vaf/DK-Fotos> Shy Ely, langjähriger Topscorer der Academics: "Als ich im Sommer das erste Mal an der Halle vorbeigefahren bin und mich selbst auf dem großen Banner an der Fassade gesehen habe, hat mich das unfassbar stolz gemacht. Jedes Mal, wenn ich dort vorbeikomme, sehe ich weitere Fortschritte – und meine Vorfreude wächst. Im Team unterhalten wir uns oft über unsere neue Spielstätte und können es kaum erwarten. Eine neue und moderne Arena kann dir auf dem Feld zusätzliches Selbstvertrauen geben. Ich mag auch die Atmosphäre im Olympiastützpunkt, aber ich denke, dass der Umzug nur Positives mit sich bringt. So lange wir die Verdienste unserer Vorgänger aus den Meisterjahren – etwa Didi (Keller), Harry (Rupp) oder Wolfgang (Fengler) – nicht vergessen, kann die neue Arena eine Art Reset-Knopf sein, um neue Ziele anzugehen."