Prof. Ulrike Gerhard. Foto: privat
Von Holger Buchwald
Heidelberg. Raus aus dem akademischen Elfenbeinturm haben sich rund 15 Wissenschaftler der Universität aus unterschiedlichen Disziplinen Gedanken gemacht, was eine nachhaltige Stadtentwicklung ausmacht. Sie haben sich um konkrete Projekte in Heidelberg gekümmert, haben sich nicht nur mit Vertretern von Stadt und Internationaler Bauausstellung ausgetauscht, sondern mit innovativen Konzepten den Kontakt zu den Bürgerinnen und Bürgern gesucht. Nun ist die dreijährige Projektlaufzeit des Reallabors "Urban Office" beendet. In einer RNZ-Sonderbeilage stellen 17 unterschiedliche Akteure ihre Thesen und Empfehlungen vor. Im RNZ-Interview äußert sich die Projektleiterin und Professorin für Stadtgeographie, Ulrike Gerhard, zu dem einmaligen Projekt.
Was bleibt nach drei Jahren Reallabor?
Die Förderung durch das Wissenschaftsministerium ist ausgelaufen. Wir hören aber deshalb nicht auf. Das "Urban Office" existiert weiter. Wer zum Beispiel nachfragen möchte, warum in der Bahnstadt das oder jenes passiert, kann gerne mit uns in Kontakt treten. Zudem beginnt am 30. April die öffentliche Vortragsreihe Studium Generale, in der wir aus unterschiedlichen Perspektiven die Fragen zur "Stadt von morgen" beleuchten. "Town and gown - Stadt und Talar" - unter diesem Konzept werden wir auch weiter Stadtentwicklungsprojekte wie den Masterplanprozess für das Neuenheimer Feld beraten.
Was sind die wichtigsten Schlussfolgerungen des Reallabors?
Dass Stadtentwicklung nicht allein von einem Planer oder einem Architekten betrieben werden kann. Es ist ein gemeinsamer Prozess, der sich hinzieht, der auf die unterschiedlichsten Bedürfnisse eingehen muss. Zum Beispiel müssen wir älteren Menschen ein soziales Umfeld bieten, damit sie sich in der Wissensstadt wohlfühlen. Auf diesem Weg müssen wir viele verschiedene Leute einbinden.
Ist Heidelberg mit seiner Bürgerbeteiligung auf einem guten Weg?
Auf jeden Fall. Nehmen Sie das Beispiel vom "Anderen Park" in der Südstadt. Selbst wenn er am Ende gar nicht so viel anders aussehen wird, hat allein die Konzeptentwicklungsphase etwas bewirkt. Nämlich, dass sich die Menschen mit dem Thema auseinandersetzen und den Park später vielleicht auch mehr nutzen.
Ging es in dem Reallabor auch darum, dass die Uni sich mehr am Stadtgeschehen beteiligt und Heidelberg mehr von ihren Hochschulen profitiert?
Genau das war unser wichtigstes Ziel. Unser Reallabor bietet kein Patentrezept für andere Städte. Es geht um spezifische Heidelberger Themenkomplexe. Die RNZ war dabei für uns eine wichtige Quelle. Wir haben sie jeden Tag ausgewertet. Die Studierenden müssen die regionale Presse lesen, auch im digitalen Zeitalter.
Wie hat das Reallabor ihre eigene Wahrnehmung von Heidelberg verändert?
Das Erste, was ich vor sieben Jahren, als ich nach Heidelberg kam, gehört habe, war, dass sich Stadt und Uni zwar gegenseitig brauchen, aber dass sie sich auch im Wege stehen und kaum kooperieren. In den letzten drei Jahren haben wir andere Erfahrungen gemacht: Wir saßen mit Vertretern der Stadt zusammen und haben über alles Mögliche geredet. Zum Beispiel darüber, was wir unter Bürgerbeteiligung verstehen. Über Netzwerke sind wir fest zusammengewachsen.
Mit diesem Elan des Miteinanders: Welche Hoffnung hegen sie für den Masterplanprozess für das Neuenheimer Feld?
Ich hoffe, dass es eine Möglichkeit gibt, dass die Uni expandiert, aber im Einvernehmen mit der Stadt - damit deutlich wird, dass wir gemeinsam wachsen können. Um dieses Ziel zu erreichen, müssen viele Fragen erörtert werden, angefangen vom Verkehr über die weitere Öffnung des Neuenheimer Feldes für die Stadtgesellschaft. Das geschieht ja auch jetzt schon: Zur Reihe "Medizin am Abend" kommen immer Hunderte von Interessierten.
Wird die Kommunalpolitik durch die Bürgerbeteiligung entmachtet?
Die Macht des Gemeinderates bleibt unangefochten. Bürgerpartizipation heißt nicht, dass die Bürger entscheiden, sondern dass neue und andere Ideen generiert werden, die die Politiker allein vielleicht nicht hätten. Uns geht es darum, langfristiger zu denken, visionärer, vielleicht auch ein bisschen utopischer.