Im August 2019 kamen die ersten E-Roller nach Heidelberg: Der Anbieter „Tier“ startete mit 500 Stück – hier parken sie am Adenauerplatz. Inzwischen verleihen vier Firmen in Heidelberg ihre E-Scooter, jedoch wurden die Flotten wegen Corona zuletzt dezimiert. Foto: Alex
Von Denis Schnur
Heidelberg. In Düsseldorf dürfen Leihfahrräder nicht mehr irgendwo in der Stadt abgestellt werden. Das hat im November 2020 das Oberlandesgericht in Münster entschieden – und damit womöglich auch dafür gesorgt, dass in Heidelberg das Ausleihsystem für E-Roller komplett umgekrempelt werden muss. Das erklärten Klimabürgermeister Raoul Schmidt-Lamontain und Verkehrsamtsleiterin Bärbel Sauer im Verkehrsausschuss. Zwar müsse man sich das Urteil und die nun folgende juristische Debatte noch genau anschauen, aber beide gehen davon aus, dass es auch für Heidelberg schwerwiegende Folgen haben dürfte.
Denn die Richter befassten sich zwar konkret mit den Leihrädern der Deutschen Bahn, ihre Urteilsbegründung lässt sich aber auf alle Leihfahrzeuge anwenden: Die Nutzung des öffentlichen Straßenraums durch das Abstellen der Fahrräder sei kein "Gemeingebrauch", denn die Straße werde nicht vorwiegend zu Verkehrszwecken genutzt. Im Vordergrund, so die Richter, stehe der gewerbliche Zweck, mithilfe des abgestellten Fahrrads den Abschluss eines neuen Mietvertrags zu bewirken: "Die Nutzung der Straße unterscheide sich insofern nicht von sonstigem Straßenhandel, der regelmäßig als Sondernutzung zu qualifizieren sei", heißt es in einer Pressemitteilung des Gerichts. Entsprechend müsse die Stadt Düsseldorf diese Nutzung explizit genehmigen.
Im Mai 2020 brachte „Bird“ seine Scooter nach Heidelberg – auch auf den Bismarckplatz. Foto: RotheFür Heidelberg ist das Urteil deshalb relevant, weil sich die E-Scooter-Anbieter hier ebenfalls darauf berufen, dass die Straßennutzung mit ihren Fahrzeugen "Gemeingebrauch" sei. Zwar hat die Stadt mit allen vier Firmen, die hier aktiv sind, Vereinbarungen geschlossen, aber im Grunde genommen kann man die Roller nahezu überall im Stadtgebiet abstellen. Wenn nun das Verwaltungsgericht jedoch sagt, dass dies kein "Gemeingebrauch" sei, gibt das der Stadt wohl plötzlich deutlich mehr Handlungsspielraum.
Prinzipiell gebe es drei Möglichkeiten, wie die Stadt künftig mit den Scootern umgehe, erläuterte Amtsleiterin Sauer: Erstens könne man es bei dem aktuellen Modell mit freiwilligen Vereinbarungen belassen, zweitens das Rollerparken künftig als "Sondernutzung" definieren oder drittens den Anbietern eine Dienstleistungskonzession erteilen. "Geben Sie uns die Zeit, das konzeptionell zu prüfen", bat Sauer den Ausschuss. Sobald alle Fragen geklärt seien, werde man dem Gemeinderat ein neues Modell vorschlagen.
Als „Lime“ im August 2020 mit 1000 Rollern nach Heidelberg kam, sorgte das gleich für Ärger: Manche versperrten Fußgängern den Weg. Foto: PriebeDabei ist schon jetzt klar, dass alle drei Optionen Vor- und Nachteile haben – und für heftige Diskussionen sorgen dürften. Bleibe man bei dem aktuellen Modell, biete man weiterhin den Firmen und den Nutzern die größtmögliche Flexibilität. "Und wir betrachten die Scooter ja durchaus als Teil des Umweltverbundes", so Sauer. Dann würde die Stadt jedoch auch die Chance vergeben, die Verleihfirmen deutlich stärker zu regulieren. Es bliebe bei mindestens vier Anbietern und dabei, dass die Fahrzeuge fast überall in der Stadt geparkt werden können – auch auf Bordsteinen. Diesen "Wildwuchs" will jedoch ein großer Teil des Gemeinderates nicht mehr hinnehmen. "Die Roller stehen teilweise im rechten Winkel zum Gehweg, sodass man im Dunkeln fast zwangsmäßig drüber fällt", ärgerte sich etwa FDP-Stadtrat Michael Eckert. "Das ist eine Unverschämtheit."
Die CDU hatte deshalb einen Antrag gestellt, zum zweiten Modell zu wechseln und "Sondernutzungszonen" im gesamten Stadtgebiet zu definieren: Nur in diesen dürfen die Roller dann noch abgestellt werden – so ist Düsseldorf nach dem Urteil vorgegangen. "Natürlich müssten diese Stellen engmaschig festgelegt werden, sodass es jedem Nutzer möglich ist, den benutzten Scooter auf einer dafür vorgesehenen Fläche abzustellen", heißt es im CDU-Antrag, der nun erst einmal vertagt wurde. Die Variante hätte zudem den Vorteil, dass die Stadt von den Verleihfirmen eine Gebühr verlangen könnte. Gleichzeitig würden wohl Parkplätze überall in der Stadt wegfallen, damit die Sonderzonen eingerichtet werden können.
Als dritte Option könnte die Stadt den Roller-Verleihen eine Dienstleistungskonzeption erteilen. So könnte sie Auflagen festlegen – etwa wo geparkt werden kann–, ebenfalls eine Gebühr verlangen und zudem die Zahl der Anbieter reduzieren.
Zugleichbestehe bei einer Regulierung der E-Roller – unabhängig vom gewählten Modell – die Gefahr, dass dies dann für alle Leihverkehrsmittel gleich gelten müsse, warnte Bürgermeister Schmidt-Lamontain: "Bei dem Urteil ist vieles noch unklar, es könnte genauso auch für Carsharing oder gar Taxis gelten." Zwinge man die Scooter-Anbieter also, Gebühren zu zahlen, müsse man das eventuell bei Leihautos und Leihrädern ebenso tun.