Landesbischof Jochen Cornelius-Bundschuh (rechts) segnete gestern Nachmittag den neuen Stadtdekan der Evangelischen Kirche in Heidelberg, Christoph Ellsiepen, ein - damit ist der 48-Jährige auch offiziell im Amt, das er zum 1. September angetreten hatte. Foto: Hentschel
Von Micha Hörnle
Heidelberg. Ein Jahr lang hatte Heidelberg keinen evangelischen Stadtdekan - bis Sonntag: Da wurde Christoph Ellsiepen von Landesbischof Jochen Cornelius-Bundschuh in Heiliggeist feierlich in das Amt, das er bereits seit dem 1. September bekleidet, eingeführt. Am 3. Oktober 2018 hatte sich Ellsiepens Vorgängerin Marlene Schwöbel-Hug nach elf Jahren als Dekanin in Richtung Schwarzwald verabschiedet, wo sie seitdem als "normale" Pfarrerin arbeitet.
Auf den ersten Blick haben Ellsiepen und Schwöbel-Hug erst einmal wenig gemein - außer vielleicht den Umstand, dass sie jeweils vier Kinder haben: Schwöbel-Hug ist die Temperamentvoll-Herzliche, deren Lachen ansteckend wirkt; Ellsiepen wirkt etwas zurückgenommener (ohne dabei unherzlich zu sein), vielleicht etwas "überlegter". Bei seinem Einführungsgottesdienst erhielt man schon einen Vorgeschmack, was die Heidelberger in den nächsten acht Jahren vom "Neuen" erwarten können. Das Beruhigende zuerst: Seine alte Pfarrgemeinde in Konstanz-Litzelstetten vermisst ihn jetzt schon - "Glückliche Heidelberger", sagte die Vorsitzende des dortigen Kirchengemeinderates, Christine Wengert.
Und sie hatte noch mehr Lob mitgebracht: "Er ist ein klarer, kluger Verwalter, Seelsorger, Freund und Prediger." Und in seinen ersten Wochen hat auch Sandra Grande, die Vorsitzende der Evangelischen Stadtsynode Heidelberg, "seine Art, auf Menschen zuzugehen und strukturiert zu arbeiten, schon jetzt kennengelernt".
Denn momentan braucht die Evangelische Kirche hier vor allem einen "Macher", der die anstehenden Aufgaben - Kindergarten-Misere, klamme Finanzen, marode Gebäude und Gemeindefusionen - managt, ohne dabei allzu viel Verwerfungen anzurichten. Nach allem, was gestern am Rande der Einführung zu hören war, hat Ellsiepen die ersten Wochen gut hingekriegt: Er hat sich bis in die Details eingelesen und gilt als außerordentlich kommunikativ: Da kommt niemand mit fertigen Lösungen, sondern hört erst einmal zu.
Nun ist Ellsiepen nicht nur Dekan der Heidelberger Protestanten, sondern auch eine öffentliche Person, wovon auch die neun Grußworte - von der Wissenschaftsministerin über den Integrationsbürgermeister bis hin zum Rabbiner der Jüdischen Kultusgemeinde und seinem katholischen Amtsbruder zeugten.
Besonders herzlich war das Verhältnis zwischen Schwöbel-Hug und Joachim Dauer, der in vier Wochen seinen Hut als katholischer Stadtdekan nehmen wird. Aber die Zeichen stehen auf Kontinuität: Sein designierter Nachfolger Alexander Zech wählte ein starkes Symbol. In der Antike zerbrachen Freunde eine Tontafel, deren Hälften sie sich aus der Ferne zuschickten, um sich zu identifizieren. Zech riss ein Papier-Konterfei der beiden Kirchenväter Petrus und Paulus in zwei Teile - und schenkte ausgerechnet den Teil mit dem Papstvorgänger Petrus Ellsiepen: "Lassen Sie uns in gegenseitigem Aneinanderhalten dieser beiden Teile Kirche gemeinsam gestalten."
Derweil sorgte Dauer für den Humor: Denn bei der Predigt - seiner ersten in Heiliggeist - hatte Ellsiepen nicht das Pultlicht gefunden, und so meinte Dauer schmunzelnd: "Ich wünsche Ihnen, dass Sie heimisch werden - auch wenn es sein kann, dass man mit der katholischen Kanzel fremdelt." Tatsächlich war bis zum Bau der Jesuitenkirche 1809 der Chor von Heiliggeist die katholische Hauptkirche Heidelbergs, das Kirchenschiff gehörte damals den Protestanten; erst seit 1936 ist ganz Heiliggeist protestantisch.
Und weil die Katholiken die um den Pfeiler maßgearbeitete Kanzel - sie stammt von 1703 und ist das letzte Relikt der einst barocken Ausstattung - nicht mitnehmen konnten, blieb sie. Daher predigen die evangelischen Pfarrer in ungewohnter Barockpracht.
hö_zur-personEllsiepen skizzierte dort sein nüchternes Bild von Kirche: "Worauf es ankommt, ist nicht die Zahl der Menschen, sondern nach Bewegung. Wenn wir danach und nach ehrlicher Gemeinschaft streben, sind wir auf dem richtigen Weg." Er riet dazu, einfach mal auszuprobieren und etwas zu wagen - wie es sein Lieblingszitat des Schweizer Pfarrers Kurt Marti nahelegt: "Wo kämen wir hin, wenn alle sagten, wo kämen wir hin, und keiner ginge, um zu sehen, wohin wir kämen, wenn wir gingen."