Armin Kaster (Mitte) ist nah dran an den Jugendlichen: In der Waldparkschule präsentierte er zwei Tage lang seine Werke. Foto: Alex
Von Arndt Krödel
Heidelberg. Keine Zeit für die Welt da draußen, nur für den Bildschirm vor sich: Der Schüler Max ist wie besessen von Online-Rollenspielen. Wenn er sich in "Myst Land" in den Avatar "Talados" verwandelt, der auf seine Mitspieler "Wolfsblut" und "Dragonheart" zählen kann, vergisst er alles um sich und es vergeht Stunde um Stunde. Am Computer ist er der Held, da kann er mal richtig zeigen, was in ihm steckt.
Mit seinem Buch "Im Netz gewinn ich jeden Fight!" und vier weiteren seiner Romane war der Kinder- und Jugendbuchautor Armin Kaster für zwei Tage an der Waldparkschule Boxberg, um daraus zu lesen und mit den Schülern ins Gespräch darüber zu kommen, wie es ist, wenn man "ein bisschen zu oft spielt".
Der jedes Jahr in Baden-Württemberg stattfindende Frederickstag, benannt nach der Wörter, Farben und Sonnenstrahlen sammelnden Maus Frederick aus dem Bilderbuch von Leo Lionni, lieferte den Anlass. Die Literaturaktion gibt es schon seit 20 Jahren und hat das Ziel, bei Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen die Lust am Lesen zu steigern. Vier Tage lang stand bei der gesamten Schülerschaft - von Klasse 1 bis 10 - der Waldparkschule das Thema Literatur auf unterschiedliche Weise hoch im Kurs.
Armin Kaster stellte sich im benachbarten Jugendzentrum "Holzwurm" der Klassenstufe acht vor. Dass seine Sprache auch die ihre ist, merkten die 14-jährigen Schüler bei der Lesung aus "Im Netz gewinn ich jeden Fight!" schnell: Der 1969 in Wuppertal geborene Autor pflegt einen lockeren, die Welt seiner "Zielgruppe" authentisch wiedergebenden Schreibstil.
Max, der "Held" in seinem Buch, hat es nicht leicht zu Hause. Der Vater ist arbeitslos, liegt den ganzen Tag auf dem Sofa, rauchend, fernsehend und dem Sohn Anweisungen erteilend. Die Mutter arbeitet und kommt gestresst zurück in ihren Haushalt, den sie als "Saustall" vorfindet. Die Eltern haben Geldsorgen, wissen nicht, ob sie Max die Klassenfahrt und die Mitgliedsbeiträge für den Handballverein finanzieren können. In der Schule und mit den Freunden läuft’s auch nicht gut. Da hilft Max nur eins: Computer an und rein ins "Myst Land"-Spiel. Hier hat er Erfolg im Kampf gegen böse Mächte und steigert sich im Level immer höher. "Spielen Sie selbst Online-Rollenspiele?", fragte zwischendurch ein Schüler den Autor. "Ich hab’s ausprobiert, aber ich fand es langweilig", bekennt Kaster. Allerdings weiß er aus eigener Jugend-Erfahrung mit anderen Computerspielen, "wie das ist, wenn man zu lange spielt".
Und in diesen gefährlichen Sog gerät sein Protagonist: Max spielt bis tief in die Nacht, hat am Morgen dunkle Ringe unter den Augen und schläft auch mal im Unterricht. Auf der dann doch möglichen Klassenfahrt gibt es keinen PC zum Zocken, prompt leidet er unter Entzugserscheinungen: er ist nervös, hat schweißnasse Hände und wird aggressiv. Ein Lehrer-Eltern-Termin ist fällig, denn es geht um die Frage: Wie kann man Max’ Spielsucht verhindern? Autor Armin Kaster geht es nicht um eine Verteufelung von Computerspielen. Junge Menschen würden viel Gegenwind erfahren, viele "Ja, aber"-Botschaften, weil sie noch nicht fertig seien in ihrer Entwicklung: "In den Spielen bekommen die Jugendlichen bedingungslose Annahme und Anerkennung. Sie schaffen was und erhalten Lob dafür."
Kaster spricht von den "Sonnen- und Schattenseiten" solcher Spiele, findet aber in der Diskussion um Jugendkultur manchmal den Aspekt der Schattenseite zu stark betont, "weil wir unsere Sonnenseite so gut finden. Das muss aber nicht deren Sonnenseite sein". Er plädiert dafür, dass die Jugendlichen das nötige Rüstzeug für den Umgang mit dieser medialen Welt erwerben. Laut einer deutschen Studie spielten 15-jährige Jugendliche, die den US-Verkaufshit "World of Warcraft" nutzen, im Schnitt 3,9 Stunden am Tag. Der Anteil der Jugendlichen, die dabei ein suchtartiges Verhalten aufwiesen, lag bei 8,5 Prozent der Nutzer.
Info: Armin Kaster: Im Netz gewinn ich jeden Fight! Verlag an der Ruhr, 2009. 112 Seiten, fünf Euro.