Die junge Frau hat sich laut Gericht „leicht mit der Hand“ gegen das Kunstwerk gelehnt – das daraufhin umfiel. Fotos: Galerie Heller
Von Jonas Labrenz
Heidelberg. Es ist wahrscheinlich Heidelbergs teuerstes Selfie geworden: Eine junge Frau hat sich beim Posieren gegen eine rund drei Meter hohe Keramikskulptur der englischen Künstlerin Sandra Brown gelehnt – und diese dabei umgeworfen. Auf 9000 englische Pfund bezifferte die Künstlerin den Schaden. Doch das Landgericht entschied, dass die junge Frau nicht dafür zahlen muss.
Um 3 Uhr nachts war die Frau mit Freundinnen im Stadtgarten unterwegs, schoss da schon Bilder von sich und entdeckte dann die Figur im sogenannten Skulpturengarten der Galerie Heller am Adenauerplatz. Auf Schulterhöhe habe sie sich "leicht mit der Hand" dagegen gelehnt, stellte das Gericht fest. Die drei Dübel, mit der die Figur an einer Betonplatte befestigt war, hielten das nicht aus, und die Keramikskulptur zerbrach am Boden.
Als Marianne Heller am nächsten Morgen zur Galerie kam, fand sie nicht nur die zerstörte Skulptur, sondern auch einen Zettel von der Polizei im Briefkasten. Die Frau war nicht einfach geflüchtet. Sie habe gedacht, die Versicherung übernehme den Schaden. "Aber das war nicht so", erklärt Heller. Ihre eigene Versicherung hätte bei Vandalismus gezahlt – nicht aber, wenn es einen Verantwortlichen gibt. Die Versicherung der jungen Frau weigerte sich allerdings. "Meine Versicherung hat dann gesagt, ich müsste einen Prozess anstrengen", erinnert sich Heller.
Doch die Richterin entschied gegen die Galeristin. Sie sei ihren "Verkehrssicherungspflichten" nicht nachgekommen: Angesichts der Größe und Breite der Figur sei damit zu rechnen, dass eine "horizontale Krafteinwirkung" sie ohne weiteres zu Fall bringen würde. Außerdem habe die Skulptur in einem öffentlich zugänglichen Raum gestanden, ohne dass ein Schild darauf hingewiesen habe, dass das Gelände nicht betreten oder die Ausstellungsstücke nicht angefasst werden dürften.
"Ich bin sehr enttäuscht gewesen von dem Urteil", sagt Heller. Seit 2013 hätten die Skulpturen dort schon gestanden, "bei Wind und Wetter". Man könne außerdem sehen, dass der Skulpturengarten nicht zum Stadtgarten gehöre: "Direkt daneben hängt ja die Fahne mit ,Galerie Heller‘ darauf", erklärt die Galeristin. Außerdem sei er durch eine Mauer abgegrenzt und eben nicht direkt vom Fußweg aus zu zugänglich, sondern durch eine Stufe, die nah am Gebäude sei. Und ein Betreten-Verboten-Schild hätte man um drei Uhr nachts auch nicht gesehen, meint Heller.
Am meisten hat die Galeristin aber aufgeregt, wie die Beteiligten mit der Skulptur im Prozess umgegangen sind. Statt sie als Kunstgegenstand zu bezeichnen, sei sie nur als Objekt betitelt worden. "Man hat die Sache nicht gewürdigt", ärgert sich Heller. Und der Anwalt der Gegenseite sei noch unverschämt gewesen: Um sich zu vergleichen, habe er 1000 Euro angeboten und die Skulptur als "Ladenhüter" bezeichnet, weil sie ja schon mehrere Jahre bei der Galerie gestanden habe. "Das konnte man natürlich nicht annehmen", so die Galeristin.
Glücklicherweise ist Heller schon jahrelang mit der Künstlerin befreundet. Die hatte keinen Schadensersatz gefordert, doch Heller überwies ihr trotzdem Geld – "um einen Abschluss zu bekommen".