Ingo Dierck, Sirin Spindler, Bundesvorsitzender Florian Boenigk, der Gastgeber im Karlsruhensia-Haus, Bernhard Löhn, und Justin Berndt (v.l.) sind Burschenschaftler und SPD-Mitglieder. Ihr Zusammenschluss nennt sich Lasalle-Kreis. Foto: Hentschel
Von Philipp Neumayr
Heidelberg. Für die Zuspätkommer begann der Abend mit einer Bewährungsprobe: einem Glas Bier auf ex. Ein bisschen Disziplin muss schon sein. Schließlich versammelten sich die Mitglieder des Lassalle-Kreises ja auch im Sinne altbewährter Burschenschaftsrituale. Da gehört der ein oder andere Gerstensaft nun mal dazu. Einmal im Jahr treffen sich die Angehörigen des Zusammenschlusses von Verbindungsmitgliedern, die zugleich SPD-Mitglieder sind, zur Jahrestagung. Am vergangenen Wochenende fanden sich knapp 40 Lassallaner für drei Tage in einer der ältesten Verbindungs-Hochburgen des Landes ein: in Heidelberg.
"Wir wollen zeigen, dass sich das studentische Verbindungswesen durchaus auch mit dem linken politischen Spektrum verträgt", sagt Florian Boenigk, Bundesvorsitzender des Lassalle-Kreises. Die Gründung des bundesweiten Netzwerkes - benannt nach Ferdinand Lassalle, einem der Gründerväter der SPD und überzeugten Burschenschaftler - geht ausgerechnet auf Kritik aus den eigenen Reihen zurück. Auf dem Karlsruher Parteitag der SPD im November 2005 beantragten die Jusos die Unvereinbarkeit der gleichzeitigen Mitgliedschaft in SPD und Studentenverbindung. Ein knappes halbes Jahr später gab der Parteivorstand dem statt, doch sollte der Beschluss allein für Mitgliedsbünde innerhalb des Deutschen Dachverbandes gelten. Diese machten in den vergangenen Jahren immer wieder mit betont nationalistischen Aktionen und Äußerungen auf sich aufmerksam.
Obwohl der Antrag der Jusos nicht wie geplant durchging, reagierten die SPD-treuen Verbindungsmitglieder auf die Vorwürfe aus dem eigenen Lager. 2006 gründeten sie den "Arbeits-kreis sozialdemokratischer Korporierter", den späteren Lasalle-Kreis. "Als korporierte Sozialdemokraten haben wir uns zusammengeschlossen, um den bestehenden Vorurteilen entgegenzutreten und Aufklärungsarbeit gegenüber der Partei zu leisten", erklärt Boenigk. Nach Meinung des Vorsitzenden schließt die Mitgliedschaft in einer Verbindung ein demokratisches Engagement nicht aus: "Grundsätzlich ist eine Verbindung eine solidarische Gemeinschaft, die sich dem demokratischen Meinungsaustausch verpflichtet. Der Großteil dieser Verbände verfolgt keine extreme politische Gesinnung."
Trotz des klaren Bekenntnisses zu demokratischen Werten: Bei den jährlichen Treffen des Lassalle-Kreises wird auf ein Mindestmaß an Brauchtum aus der wilhelminischen Ära nicht verzichtet. So erschienen die meisten Genossen bei der feierlichen Kneipe, dem Höhepunkt der jährlichen Tagung, in traditioneller Couleur - mit Schärpe und Mütze. Neben einem stattlichen Konsum an Bier stand zudem eine gesunde Portion Liedgut auf dem Programm. Alte Burschenklassiker wie "Student sein" oder "Heidelberg, du Jugendbronnen" wurden dabei ebenso inbrünstig geschmettert wie das Volkslied "Die Gedanken sind frei". "Diese Bräuche dienen natürlich auch dem Spaß und Genuss - und der steht an so einem Abend klar im Vordergrund", sagt Bundesvorsitzender Boenigk.
Doch die knapp 40 Lassallaner waren nicht nur des Genusses wegen nach Heidelberg gekommen. So standen etwa auch ein Vortrag des Historikers Hartmut Soell zu den ideellen Gründungsvätern der Sozialdemokratie sowie ein Besuch der Friedrich-Ebert-Gedenkstätte auf dem Tagungsprogramm. Der Heidelberger Ebert spielt als erster Präsident der Weimarer Republik im kollektiven Gedächtnis der Sozialdemokraten auch heute eine tragende Rolle. Ob dessen Nachfolger und derzeitiger Spitzenkandidat Martin Schulz geeignet ist, der Partei zu ähnlicher Blüte zu verhelfen, bezweifelt Boenigk jedoch: "Es scheint, als ob es an der Zeit wäre, einmal in die Opposition zu gehen." Sprach’s und hob an für die " Internationale", das alte Kampflied der sozialistischen Arbeiterbewegung.