Von Micha Hörnle
Heidelberg. Auf den ersten Blick geht es nur um zwei neue Forschungsgebäude im Neuenheimer Feld. Aber den Vertrag, den Land, Universität und Max-Planck-Gesellschaft am Freitag unterzeichneten, wird Heidelbergs Stellung als Wissenschaftsstandort entscheidend stärken. Die RNZ beantwortet dazu die wichtigsten Fragen.
Woran wird geforscht? An Zellen, den Grundbausteinen des menschlichen Lebens. Im Vordergrund stehen die Proteine, die Eiweiße, "die die Arbeit machen", wie Bernd Bukau, Direktor des Zentrums für Molekulare Biologie der Universität, erklärt. Daher werden sie auch "molekulare Maschinen" genannt. In jeder Zelle gibt es Millionen dieser "Maschinen". Versteht man ihre Wirkweise, kann man Therapien für Krankheiten, aber auch für ganz normale Alterungsprozessen entwickeln. Dazu muss man sie aber erst einmal beobachten können. Und dafür sorgen hochempfindliche Mikroskope, die Chemie-Nobelpreisträger Stefan Hell im Max-Planck-Institut für Medizinische Forschung konstruiert.
Wie wichtig ist diese Forschung? Viele Institute des Neuenheimer Feldes gehören zum Bereich der Lebenswissenschaften. Hier wird daran gearbeitet, die grundlegenden Prozesse des Lebens zu verstehen. Das ist eine der zukunftsträchtigsten Wissenschaftsbranchen. Daher hat die Landesregierung sehr zügig - nach einem Gespräch Hells mit Ministerpräsident Winfried Kretschmann - 25 Millionen für einen Neubau zur Verfügung gestellt.
Was wird in den Neubauten gemacht? In einem Gebäude konstruieren die Forscher um Hell neuartige Supermikroskope, mit denen man Prozesse in einer lebenden Zelle beobachten kann. Dieses Forschungsnetzwerk heißt "Biologie auf der Nanoskala". Dazu stellt die Max-Planck-Gesellschaft 50 Millionen Euro zur Verfügung. Direkt daneben entsteht der Innovationscampus "Heidelberg 4 Life" unter Leitung von Bukaus Zentrum für Molekulare Biologie, den das Land finanziert. Beide neuen Gebäude werden, für deutsche Verhältnisse, zügig errichtet: Der Erweiterungsbau könnte bereits in etwa einem Jahr begonnen werden, der der Uni wahrscheinlich etwas später. Zusammen könnte das ein neuer Leuchtturm für die Lebenswissenschaften in Heidelberg werden, die vor allem die kleinsten chemischen Einheiten, also Atome oder Atomgruppen (Moleküle) erforscht. Die sind so klein, dass sie im Nanobereich (ein Milliardstel Meter) liegen - und bisher kaum sichtbar gemacht werden konnten.
Warum im Neuenheimer Feld? Weil es hier schon viele Institute gibt, die sich damit beschäftigen - und weil sich die der Universität mit dem der Max-Planck-Gesellschaft ideal ergänzen. Die einen denken eher anwendungsbezogen, die anderen machen eher Grundlagenforschung. Entscheidend dabei ist, so sagen Universitätsrektor Bernhard Eitel und Wissenschaftsministerin Theresia Bauer, dass Wissenschaftler aus den unterschiedlichsten Disziplinen zusammenarbeiten. Das gelingt am besten, ganz banal, durch räumliche Nähe. Denn häufig kommen die Wissenschaftler eher zwanglos in den Kaffeeküchen zusammen, "spinnen herum" - und kommen so oft auf ganz neue Ideen. Das sieht auch Hell so: "Diese Lage hier im Campus ist absolut wichtig, damit sind wir in der Pole Position. Ich hätte mir keinen anderen Standort gewünscht."
Was unterscheidet Hells Max-Planck-Institut von universitären Instituten - und wie bedeutend ist es? Hier wird nicht nur Grundlagenforschung betrieben. Sondern nach ein paar Jahrzehnten ändert sich, im Gegensatz zur Universität, komplett die Forschungsausrichtung: War es früher vor allem die Neurobiologie, also die Erforschung von Nervensystemen, geht es mit den neuen Mikroskopen nun eher in die Physik. Diese Neuorientierung ist von der Max-Planck-Gesellschaft gewollt - und hat an diesem Institut Tradition, wie ihr Präsident Martin Stratmann erklärt. Das eher schmucklose Backsteingebäude am Neckar war eines der ersten im Neuenheimer Feld: 1930 wurde es von Ludolf Krehl als Kaiser-Wilhelm-Institut gegründet. Seitdem arbeiteten hier sechs Nobelpreisträger: Otto Fritz Meyerhof (Physiologie, 1922), Richard Kuhn (Chemie, 1938), Walther Bothe (Physik, 1954), Rudolf Mößbauer (Physik, 1961), Bert Sakmann (Physiologie, 1991) und Stefan Hell (Chemie, 2014).