Von Birgit Sommer
Heidelberg. Wenn man mit dem 40-jährigen Manager spricht, weiß man, dass die "Insel" ein Glück für Familien ist. Für Familien in Trennung, wohlgemerkt, denn die Heidelberger "Insel" ist eine Wohnung, in der ein Elternteil seine Kinder treffen und mit ihnen auch übernachten kann. Ein Glück für Familien in schwierigen Situationen. Ein Glück für getrennt lebende Elternteile, die dann nicht mehr auf öffentliche Ort wie Zoo, Parks oder Einkaufszentren angewiesen sind, wenn sie mit ihren Kindern Zeit verbringen wollen.
Die Idee der Bürgerstiftung Heidelberg, die die Wohnung aufgrund einer großen Spende ihres Vorstandsmitgliedes Gerhard Kammerer verwirklichen konnte, war: Der getrennt lebende Elternteil muss kein teures Hotelzimmer mieten, wenn er Zeit mit seinen Kindern verbringen will. Alle können sich fühlen wie zu Hause.
Bei dem 40-jährigen Vater ist das so. "Das war eine immense Hilfe für uns", sagt er. Als die Trennung in London anstand, wollte seine Frau mit der Tochter nach Heidelberg, um dort weiter zu studieren. Er verstand das, schließlich hatte sie in London keine familiäre Unterstützung. Nur die Logistik war dann nicht mehr einfach: ein Einkommen, zwei Wohnungen, weite Wege zwischen London und Heidelberg.
Die Hotelzimmer hatte die Tochter bald satt. Da übernachtete sie lieber zu Hause bei der Mutter. Für den Vater, der gerne jeden Monat mehrere Tage mit ihr verbringen will – er kann in seinem internationalen Unternehmen überall am Laptop arbeiten –, war das nicht schön. Bis er von der Wohnung erfuhr. "Das war wie ein Zauber", sagt der 40-Jährige, "ein unglaublicher Zufall, dass so etwas existiert."
Für seine Tochter sei das wichtig. "Es gibt bei Trennungen so viele große Veränderungen, da brauchte sie ein bisschen Stabilität". Die emotionale Erfahrung, die ein Kind in seiner Beziehung zu seinem Elternteil mache, solle nicht der Stress sein, findet er. Auch finanzieller Stress führe zu mehr Konflikten: "Das spüren Kinder, auch wenn sie noch sehr klein sind", sagt der Londoner, der auch in der Emotionsforschung arbeitet. Seine Überzeugung: "Auch nach Trennungen muss man das Beste für Familien erreichen."
Er war einer der ersten, die gleich zu Beginn des Jahres 2019 die Wohnung der Bürgerstiftung nutzten. Seine Tochter fühlt sich darin wohl, übernachtet gerne dort, und sie genießen die Zeit zusammen. Sie kochen, lesen, schauen Filme und sprechen ganz viel über Alltag und Schule. "Ich versuche, ihrer Mama mit dieser Unterstützung zu helfen", sagt der Manager.
Genau so hat es sich wohl Steffen Sigmund von der Bürgerstiftung vorgestellt, als er die Idee aufbrachte, die lange an der Finanzierung scheiterte. Jetzt ist Heidelberg die einzige Stadt im Südwesten, die ein solches Angebot machen kann. Möglicherweise die einzige im ganzen Bundesgebiet – das hat noch niemand herausgefunden.
Die möblierte Wohnung am Czernyring liegt ganz praktisch in der Nähe von Hauptbahnhof und Straßenbahnanschluss. Verwaltet wird sie von den Experten des Luise-Scheppler-Heimes. Zwei ehemalige Sozialarbeiter, die sich mit Trennungssituationen und Mediation auskennen, steuern die Belegung. Das Luise-Scheppler-Heim schickt einmal wöchentlich eine Putzhilfe. "Es ist unglaublich", sagt Ulrich Böhringer-Schmidtke, der Leiter der Einrichtung nach einem Jahr der Nutzung, "es ist immer sehr sauber hier, wir hatten nie ein Problem." Im Januar lief die Vergabe der Wohnung ganz langsam an, doch im Februar nutzten sie schon vier Väter an elf Tagen.
Bisher zählte Böhringer zwölf verschiedene Väter, eine Mutter und einmal Großeltern, die die Wohnung brauchten. "Ein Vater kommt jeden Dienstagabend aus Stuttgart, verbringt hier drei Stunden mit seinem Kleinkind und fährt wieder zurück", weiß Böhringer. Eine Mutter in schwieriger Trennungsphase finde hier manchmal gemeinsam mit den Kindern Ruhe, während der Vater zuhause bleibe.
Und dass Kontakte trotz kostenloser Bleibe an finanziellen Problemen scheitern können, hat er auch schon erlebt: "Ein Mann aus dem Schwarzwald konnte manchmal nicht anreisen, weil er das Geld für die Fahrt nach Heidelberg nicht zusammenbekam."
Im November und Dezember waren die Kapazitäten erstmals so ausgereizt, dass nicht jeder Interessent seinen Wunschtermin bekommen konnte. Abgelehnt habe man bisher noch niemand, sagt Ulrich Böhringer. Aber der Bedarf scheint grundsätzlich groß: In Heidelberg wachsen etwa 30 Prozent der Kinder bei nur einem Elternteil auf. Informationen über die "Insel" gibt es bisher vor allem beim Familiengericht, bei Rechtsanwälten, beim Kinderschutzbund oder im Jugendamt der Stadt. Künftig sollen auch Kitas mit Prospekten ausgestattet werden. Und wenn die eine Wohnung den Bedarf nicht mehr deckt, könnte vielleicht eine zweite dazukommen, hofft Böhringer-Schmidtke.
Info: Die "Insel", c/o Luise Scheppler-Heim, Mühltalstraße 126, Telefon 06221 / 64670, E-Mail: info@inselheidelberg. de, www.inselheidelberg.de