Der Bahnhofsvorplatz (Willy-Brandt-Platz) gilt als der „kriminellste“ Ort der Stadt: Nirgendwo sonst ist die Kriminalitätsbelastung höher als hier. Deswegen sollen im nächsten Jahr Videokameras aufgestellt werden. Foto: Rothe
Von Micha Hörnle
Heidelberg. Vor knapp vier Jahren – direkt nach der berüchtigten Silvesternacht am Kölner Hauptbahnhof – stieß Oberbürgermeister Eckart Würzner eine Debatte um die Videoüberwachung am Bahnhofsvorplatz und am Bismarckplatz an. Jetzt steht ein Fahrplan zur Umsetzung. Zumindest halbwegs. Denn ab Sommer 2020 soll es am Bahnhof losgehen, dort werden die ersten 17 Kameras installiert. Wann der Bismarckplatz folgt, steht noch nicht fest. Die RNZ beantwortet die wichtigsten Fragen zum Thema.
Wieso wird am Bahnhof begonnen? Das wichtigste Kriterium für den Einsatz von Kameras im öffentlichen Raum ist die Frage, ob es sich hier um einen Kriminalitätsschwerpunkt handelt. Die Stadtverwaltung und die Polizei sind sich sicher: Bismarck- und Willy-Brandt-Platz sind es. Wobei die Lage am Hauptbahnhof, so sagt der Leiter des Polizeireviers Mitte, Uwe Schrötel, deutlich schlimmer sei: "Dieser Ort sticht bei der Kriminalitätsbelastung klar heraus. Wenn es in Heidelberg eine Videoüberwachung geben soll, dann dort." Nach der Verlegung der Haltestellen am Bahnhof gibt es jetzt auch die Möglichkeit, die Installation technisch vorzubereiten; die Leerrohre liegen schon in der Erde. Allerdings sind die Statistiken nicht ganz unumstritten: Im Jahr 2016 zählte die Polizei am Bismarckplatz 115 Fälle von Straßenkriminalität und Drogendelikten, am Bahnhofsvorplatz 216 – was erst einmal nicht nach viel klingt. Doch die Stadt rechnet anders: Vergleicht man die beiden, zugegebenermaßen kleinen Plätze mit der Kriminalitätsbelastung im gesamten Stadtgebiet (sozusagen "Verbrechen pro Hektar"), liegt sie am Bismarckplatz um das 100-fache und am Bahnhofsvorplatz um das 360-fache höher als der Stadtschnitt.
Welche Art von Videoüberwachung wird eingesetzt? Zunächst einmal die "klassische": Ein Beamter sitzt am Bildschirm und schaut sich die Kamerabilder an, um sofort eingreifen zu können. In Mannheim hat man damit schon Erfahrung – da dauert die Interventionszeit im Schnitt zwei Minuten, 40 Sekunden. Die Aufnahmen werden 72 Stunden gespeichert und dann überschrieben. Langfristig soll die sogenannte "intelligente Überwachung" eingesetzt werden, die den Polizisten vor dem Monitor überflüssig macht. Eine Software soll dann die Videobilder automatisch auslesen: Erkennt sie auffälliges Verhalten wie Treten, Schlagen, Fallen oder plötzliche Rudelbildung, alarmiert sie den Mitarbeiter im Lagezentrum; und der entscheidet, ob eingeschritten wird. In Mannheim ist dieses System seit etwa einem Jahr in der Erprobungs- oder vielmehr in der Lernphase. Es dauert wohl noch, bis diese Technik eingesetzt werden kann.
Wann folgt der Bismarckplatz? Das steht noch nicht fest. Aber es ist bekannt, dass OB Eckart Würzner unbedingt die Videoüberwachung an beiden Plätzen will. Daher wird der Bismarckplatz wohl relativ rasch folgen. Auch hier sind 17 Kameras geplant, wahrscheinlich wird erst einmal mit der klassischen Überwachung begonnen.
Was kostet die Videoüberwachung? Sie ist mit geschätzten 350.000 Euro Anschaffungskosten fast dreimal so teuer wie beim Beginn der Planungen 2017 gedacht. Die Kameras sind noch nicht einmal das Teuerste, sondern ihr Anschluss ans Strom- und Glasfasernetz. Jährlich werden 76.000 Euro für Wartungsarbeiten und Lizenzgebühren für die Datenübertragung fällig.
Was meint die Kommunalpolitik dazu? Hier folgt sie deutlich dem alten "Links-Rechts"-Schema: Die linken Parteien (bis auf die SPD) halten die Kameras für nutzlos: Die meisten Delikte am Hauptbahnhof seien Drogendelikte, Fahrrad- oder Taschendiebstähle – da bringe die Videoüberwachung nichts, wenn der Beamte am Monitor oder der Algorithmus des Systems nur auf auffällige Bewegungen achte. Die Gegenseite verweist im Gegenzug immer gern auf die positiven Erfahrungen in Mannheim: Dort verringerte die Videoüberwachung an Brennpunkten in der Innenstadt die Kriminalität erheblich. Bisher gab es in Heidelberg für die geplanten Kameras immer relativ deutliche Mehrheiten – wenn auch im alten Gemeinderat, in dem die Grünen noch nicht so stark waren.