Schule in Corona-Zeiten: Die IGH bereitet sich auf die Wiederaufnahme des Unterrichts am Montag vor. Die stellvertretende Schulleiterin Anja Rauh und Oberstufenleiterin Anke Müller (v.l.) erklärten, wie die „neue Normalität“ aussieht. Sie umfasst unter anderem rot-weiße Absperrbänder. Foto: Philipp Rothe
Von Hans Böhringer
Heidelberg. Die Internationale Gesamtschule Heidelberg (IGH) hat Glück im Unglück: Einerseits muss sie als die größte Schule der Stadt mit vielen Rückkehrern unterschiedlichen Alters fertig werden, wenn am Montag die Klassen mit bevorstehendem Abschluss wieder in die Klassenräume kommen. Andererseits wird dort dieses Jahr kein Abitur geschrieben, denn die IGH stellt wieder zurück auf das neunjährige Gymnasium (G9) und hat ein Jahr Leerlauf in der oberen Kursstufe.
Entschlackte Sitzreihen. Foto: Philipp RotheDarum beneideten andere Schulen die IGH gerade, verrät Oberstufenleiterin Anke Müller. Dennoch kann man sich auch dort keineswegs zurücklehnen: Wegen der vorgeschriebenen Hygienemaßnahmen spricht man an allen Schulen über Kapazitäten von Räumen, Personal, Unterrichtszeiten. Müller und die Schulleiterin Anja Rauh haben in Krisensitzungen zusammen mit anderen Lehrkräften ein Konzept für die Öffnung entwickelt: Teile die Schule und beherrsche das Virus – so die Hoffnung.
Rot-weiße Absperrbänder teilen die Flure, die Treppenhäuser, das ganze Schulgebäude. Pfeile auf dem Boden diktieren die Laufrichtung vom Eingang vorbei an den Toiletten in die Klassenzimmer. Am Donnerstag vor der Schulöffnung laufen die letzten Vorbereitungen: Ein Rollwagen steht im Flur, gefüllt mit Maskenpacks und Flüssigseifen.
Die Masken seien in den Gängen für alle Pflicht, erklärt Rauh – in den Klassenzimmern müsse man abwägen: "Wenn es pädagogisch sinnvoll ist und der Abstand eingehalten wird, darf die Maske abgenommen werden." Letztendlich liege die Maskenpflicht im Unterricht im Ermessen der Lehrkraft, sagt sie. Ihre Kollegin Müller stellt sich Unterrichten mit Maske schwierig und anstrengend vor.
Die Schule appelliert an ihre Schülerschaft zur Kooperation beim Abstand halten, Händewaschen und richtig Niesen. Bei der Oberstufe sieht Müller wenig Probleme, die seien vernünftig und würden sich freuen, zurück in den Präsenzunterricht zu kommen: "Bei den Jüngeren ist das schwieriger." Aber auch bei den Älteren sei völlige Kontrolle illusorisch, meint Müller – besonders außerhalb des Schulgeländes. "Realistisch gesehen", sagt sie, "werden die auch wieder zusammenstehen."
Anleitungen zum Händewaschen. Foto: Philipp RotheDie Schule besteht jetzt aus sechs getrennten Bereichen, jede Schülergruppe soll in dem ihr zugewiesenen Teil bleiben. Zeitversetzter Unterrichtsbeginn soll Kontakt zwischen den Gruppen unterbinden. Ingo Fänger und Bianca Hauptmann kontrollieren die Bänder. Die beiden Sicherheitsbeauftragten unterrichten Mathe und Chemie an der IGH – Fächer, die zur Seuchenprävention passen.
Darf man zuversichtlich sein? "Wir müssen abwarten", sagt Hauptmann. Und Fänger stimmt zu: "Vieles wird sich dann zeigen – wie diszipliniert die Schüler sind, wo noch ein Absperrband hin muss." Im Fall einer Coronainfektion an der Schule hoffe man, es werde ausreichen, eine Gruppe nach Hause zu schicken und mit den anderen weiterzumachen.
Im Moment diskutiert Deutschland über weitere Öffnungen, auch für Schulen – für alle Klassen. Fachkreise wiederum diskutieren schon seit Monaten, welche Rolle Kinder in der Epidemie spielen. Eine kürzlich vorveröffentlichte Studie der Berliner Charité deutet darauf hin, dass Kinder mit dem Coronavirus ähnlich ansteckend sind wie Erwachsene – die Forschergruppe dahinter mahnt zur Vorsicht bei Schulöffnungen. Zudem seien die Kapazitäten für den Präsenzunterricht unter Hygienebedingungen beschränkt.
An der IGH sind es die Hauptschüler und (Werk-)Realschüler der neunten beziehungsweise zehnten Klasse sowie die gymnasiale Kursstufe, die ab Montag in vielen Fächer wieder Präsenzunterricht bekommen. Das sind circa 400 Schüler, ungefähr ein Drittel der gesamten Sekundarstufe. Doch die Klassen habe man teilen müssen, um der 1,5-Meter-Abstandsregel in Klassenzimmern gerecht zu werden, erklärt Schulleiterin Rauh. Das bedeutet: doppelte Raumbelegung, doppelte Unterrichtszeiten für den Präsenzunterricht.
Ein weiteres Erschwernis, so Rauh, seien die über 25 Prozent der Lehrkräfte, die zu Risikogruppen gehörten und daher nur Fernunterricht machen dürften. Dass alle Schüler zeitgleich in die Schule zurückkehren können, glaubt sie nicht, überlegt aber: "Tageweise Präsenzunterricht wäre denkbar, dann kann man mit den Räumen jonglieren." Anke Müller schiebt dem noch einen Satz nach, der mit seinem vorsichtigen Optimismus für die "neue Normalität" an den Schulen stehen könnte: "Wir machen alles machbar."