Drehen für den Online-Gottesdienst: Unser Foto zeigt (v.l.) die Pfarrer Jantine Nierop, Julia Nigmann, Mirko Diepen und Andreas Hasenkamp sowie Kameramann Jan Müller. Foto: Hentschel
Von Marion Gottlob
Heidelberg. Pfarrerin Julia Nigmann war begeistert: "Cool!" In der Bergkirche hatten sich zwei Pfarrerinnen und zwei Pfarrer der Evangelischen Kirche Heidelberg und ein Dreh-Team getroffen, um in Corona-Zeiten einen Online-Gottesdienst zu gestalten. Nach rund zwei Stunden Arbeit war das Material für insgesamt 20 bis 30 Minuten auf den Speicherkarten der vier Kameras. Für die Pfarrer war es eine Premiere. Mirko Diepen, Pfarrer der Altstadtgemeinde, sagte: "Auch wenn das Miteinander mit der Gemeinde fehlt, so hatte ich doch die Menschen in meiner Vorstellung vor Augen."
Kameramann Jan Müller hat bisher Live-Projektionen für christliche Rockfestivals in Balingen gedreht. Wegen der Corona-Krise ist der hauptberufliche Musiktherapeut auch für die Kirchen in Heidelberg im Einsatz. Er sagt: "Wenn ich in die Hände klatsche, geht es los!" Zuvor gibt es jedoch Ton- und Sprechproben. Ein Pfarrer probt: "Der Herr ist mein Hirte." Ein Spaßvogel macht: "Määh!" Mit dem Lachen lässt die Anspannung der Neulinge nach. Es beginnt eine Diskussion: Ist es möglich, den Psalm 23 zur Orgelmusik zu sprechen? Kameramann Müller ist skeptisch, Pfarrerin Nigmann blieb hartnäckig: "Wir probieren es." Siehe da: Sprecher und Musiker können sich abstimmen. Auch für die Kirche eine Frage in Corona-Zeiten: Wer steht wo in welchem Sicherheitsabstand? Nigmann sagt hierzu: "Wir wollen Vorbild sein."
Nach einer Probe-Stunde finden sich die vier Pfarrer rasch zum Gebet zusammen. Danach klatscht Filmer Müller in die Hände, die Kameras laufen an. Michael Braatz-Tempel, Bezirkskantor der Evangelischen Kirche in Heidelberg, spielt die Orgel und die klare Stimme von Chorleiter Sebastian Hübner füllt den Raum: "Nun jauchzt dem Herrn der Welt." Für einen Moment scheint es, als komme Wehmut auf, die zeigt, dass die Pfarrer ihre Gemeinden vermissen. Doch die intensive Dreh-Arbeit lässt das rasch vergessen. Pfarrer Falk von Uslar-Gleichen ist als Kamera-Assistent dabei. Er sagt: "Hier kann ich lernen."
Trotz Lampenfieber schaut jeder auf Anhieb in die richtige Kamera. Pfarrer Diepen: "Jetzt hat Zuhören ein großes Gewicht bekommen. Kontakt und Nähe sind kostbarer geworden." Andreas Hasenkamp, Klinikseelsorger an der Uni-Klinik, sagt: "In Tagen wie diesen darf ich Sorgen Gott anvertrauen." Hochschulpfarrerin Jantine Nierop fragt: "Wie gestalten wir diesen Stillstand so, dass wir ihn als eine Chance nutzen?"
Mit der dritten Aufnahme gelingt das Miteinander zwischen Organist Braatz-Tempel und dem Duo Diepen und Hasenkamp perfekt: "Der Herr ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln. Er gibt mir Licht und Leben." Vor der Kamera gewinnen die Worte eine ungeheure Kraft, auf einmal lacht niemand mehr. Später wird das Bild des Osterlamms vom Altar eingeblendet, das man leicht hätte übersehen können.
Die Online-Gottesdienste sind eine Idee von Dirk Bendinger und Kantorin Beate Rux-Voss, beide von der Johannesgemeinde in Neuenheim. Sie wünschen sich ein Gottesdienstprojekt für alle evangelischen Gemeinden der Stadt, in dem Gläubige trotz Corona-Krise zusammenkommen können – und sich auch allein oder mit der Familie von zu Hause aus verbunden fühlen mit ihrer Gemeinde und ganz Heidelberg. Zunächst waren die Online-Gottesdienste nur bis Ostern geplant, jetzt geht es weiter bis Pfingsten. Pfarrerin Nigmann erklärt: "Ein Laie stößt ein Projekt an, Pfarrerinnen und Pfarrer, Kantorinnen und Kantoren aus allen Gemeinden der Stadt finden zusammen." Und Dekan Christof Ellsiepen ergänzt: "Diese Initiative zeigt, dass wir gemeinsam neue Wege suchen."
Zum Abschluss des Dreh-Termins spielt Kantorin Rux-Voss auf der Orgel den Song "Ich hab mein Herz in Heidelberg verloren", zu dem alle singen: "Zusammen sind wir Heidelberger stark." Pfarrerin Julia Nigmann freut sich: "Jetzt waren wir doch eine richtige Gemeinde – mit Pfarrern, Musikern und Dreh-Team."
Info: Die Online-Gottesdienste sind jeden Sonntagmorgen auf der Internetseite der Evangelischen Kirche in Heidelberg zu sehen. Außerdem findet man sie auf Youtube und auf der Facebook-Seite von EKIHD.