Die Psychotherapeutin Edeltraud Tilch-Bauschke rief die Reihe „Psychoanalyse & Film“ vor 20 Jahren ins Leben – als sie selbst in die Analyse einstieg. Inge Mauerer-Klesel (r.) vom Gloria-Kino unterstützt sie dabei. Foto: Rothe
Von Hans Böhringer
Heidelberg. "Das Licht geht aus, man ist in einem anderen Zustand. Etwas hat mich berührt, aber ich weiß nicht, was." So beschreibt Edeltraud Tilch-Bauschke ein typisches Kinoerlebnis. Für die Psychotherapeutin gibt es eine Parallele zwischen Kino und der psychoanalytischen Methode: Beides sei ein Abtauchen in eine Welt, in der durch Erzählen und durch Assoziationen Unbewusstes emporkommt. Und im Kino, ähnlich wie in der Therapiesitzung, erschließe sich das oft erst im Gespräch mit anderen. Aus diesem Grund hat Tilch-Bauschke vor 20 Jahren die Reihe "Psychoanalyse & Film" in Kooperation mit dem Gloria-Kino ins Leben gerufen, etwa zur gleichen Zeit, als die Heidelberger Ärztin in die Psychoanalyse einstieg. Einmal im Monat stellen nun Fachleute der Psychologie und Psychotherapie im Gloria-Kino Filme vor, nach der Aufführung wird diskutiert.
In den Gesprächen merke man, so Tilch-Bauschke, "dass ein Film wie ein Mosaik ist". Es sei erstaunlich, wie es anderen gelinge, eine Empfindung in Worte zu fassen, die man selbst während des Films hatte. Franziska Wahl sieht das ähnlich, sie besuchte die Filmreihe schon vor 20 Jahren und war seitdem immer wieder dabei: "Ich finde es spannend, einen Film mal zu zerlegen." Nur manchmal, wenn eine Diskussion zu sehr in einen Streit zwischen Psychoanalytikern abrutschte, sei es ihr zu bunt geworden.
Auf die Frage, an wen sich die Reihe richtet, antwortet Tilch-Bauschke: "An Cineasten, nicht an Fachleute." Sie gibt aber zu, auch ein wenig Werbung für die Psychoanalyse machen zu wollen. Sie spricht von den modernen Strömungen innerhalb der Disziplin: Es sei nicht alles Freud. Von Sigmund Freud aber komme die Idee des Traums als "Königsweg zum Unbewussten" – Tilch-Bauschke ist sich sicher: "Traumbilder haben viel mit Film zu tun." Die Filme von Alfred Hitchcock und Ingmar Bergmann seien Fundgruben für die Interpretation von Symbolen, erklärt sie, man beschränke sich aber nicht auf die "Klassiker": Mainstreamfilme wie "Alien" und "Matrix" würden ebenso gezeigt und besprochen wie eher kleinere Festivalfilme. Besonderen Wert legt sie auf Aktualität, viele der Filme in der Reihe sind daher nicht älter als zwei Jahre.
Wie sie in ihrem Eröffnungsvortrag erklärt, hat Tilch-Bauschke als ersten der auf der Jubiläumsfeier gezeigten Filme einen brisanten gewählt: "Die göttliche Ordnung" von Petra Volpe aus dem Jahr 2017 – darin kämpfen Frauen um ihr Wahlrecht und um Selbstbestimmung in der ländlichen Schweiz der Siebziger. Danach zeigte das Gloria-Kino den Publikumsliebling der Reihe, "Oh Boy" von Jan Ole Gerster, und schließlich "Das Piano" von Jane Campion – mit diesem Film, einer Parabel über die Selbstbefreiung und -findung einer Frau durch eine verbotene Liebesbeziehung, startete die Reihe einst.