Kritik an der Flüchtlingspolitik der Europäischen Union: Unterstützer der Seebrücke zogen am Samstag durch die Heidelberger Hauptstraße. Lob gab es dagegen für Heidelbergs Haltung. Foto: Philipp Rothe
Von Arnd Janssen
Heidelberg. Das nasskalte April-Wetter hielt sie nicht davon ab sich Gehör zu verschaffen: Bis zu 250 Demonstranten zogen am Samstagnachmittag von der Schwanenteich-Anlage über die Poststraße, den Bismarckplatz und die Hauptstraße zum Uniplatz, um gegen das Ende der zivilen Seenotrettung zu protestieren. "Menschen in Seenot zu retten, ist ein humanitärer Imperativ, der nicht verhandelbar ist", betonte Mara Kunz von der Seebrücke Heidelberg - einer Initiative, die sich für eine Legalisierung der Seenotrettung im Mittelmeer und eine solidarische Aufnahme von Geflüchteten in den Zielorten in Deutschland einsetzt.
Die Kundgebung jetzt folgte als Reaktion auf die momentane Krisensituation. Sämtliche Rettungsprogramme liegen auf Eis und Schiffe in den Häfen der EU sicher vertäut, ohne Erlaubnis auszulaufen. "Seenotrettung findet immer weniger Anklang und der Druck auf die Retter wird immer größer", erklärte Michel Brandt, Bundestagsabgeordneter der Partei "Die Linke" am Rande der Demo. "Helfern werden Bestrafung und Haft angedroht. Wir fordern stattdessen eine staatlich organisierte zivile Seenotrettung", so Brandt. Die Beauftragung der libyschen Küstenwache mit der Rettung sei hingegen ein Völkerrechtsbruch. Denn in dem nordafrikanischen Land werden Geflüchtete in Lager gebracht, wo ihr Leben bedroht sei.
Deutliche Kritik am Vorgehen der EU übte auch Michael Dandl von der Antifaschistischen Initiative Heidelberg (AIHD): "Die EU ist kein Werteverbund für den Frieden, wir demonstrieren gegen ihre Politik". Die anstehende Europawahl würde wohl ein Erstarken der Rechten sowie rechtspopulistischer - und damit menschenverachtender - Positionen bringen, wie Dandl warnte. Redner außerhalb des linken Spektrums und weitere Parteienvertreter waren am Samstagnachmittag nicht anwesend.
Slogans wie "Seenotrettung ist kein Verbrechen" skandierend, machten die Aktivisten auf sich aufmerksam. Viele Schaulustige drehten sich auf der durch die lange Einkaufsnacht gut besuchte Hauptstraße nach dem Protestzug um. Bunte Banner wurden gezeigt und etliche Info-Flyer verteilt. Auf dem Uniplatz gab es dann eine Abschlusskundgebung.
Mara Kunz wies auf geltende Vorschriften hin, die verhindern sollen, dass geflüchtete Menschen in gefährliche Länder wie Libyen zurückgebracht werden. "Die EU missachtet dieses Recht", kritisierte Kunz. Die Seebrücke fordert eine Aufnahme von Flüchtlingen und vor allem, dass solidarische Freiwillige unbehelligt helfen dürfen.
Lobend wurde auf die Tatsache hingewiesen, dass Heidelberg als eine von 47 deutschen Städten bereits ein sogenannter "sicherer Hafen" ist. Das bedeutet, dass sich diese Städte aktiv für Aufnahmeprogramme einsetzen sowie auch außerhalb der üblichen Zuteilungsquote Menschen unterbringen. Viele größere Städte sind allerdings noch nicht dabei, weshalb auch eine Ortsgruppe der Seebrücke aus Mannheim speziell für dieses Anliegen mitlief.
Emotional wurde es, als Kunz‘ Kollegin Jutta Nagel von ihren Erfahrungen auf einem Rettungsschiff berichtete. Die 24-jährige Politikstudentin war vor etwa einem Jahr vor der libyschen Küste vor Ort und half dem Team der Seawatch mit ihren Sprachkenntnissen aus. Auf den Beibooten des Schiffes harrte sie lange mit den Geflüchteten aus, kommunizierte mit ihnen und verteilte Schwimmwesten. Als sie von den furchtbaren Bedingungen auf den Flüchtlingsbooten sprach, brach sie kurz in Tränen aus - und tat dann ihr Unverständnis kund: "Das Einzige, was mich von diesen Menschen unterscheidet, ist ein Stück Papier - unser Pass. Warum gelten für sie nicht dieselben Menschenrechte wie für mich?"