Heruntergelassenes Visier und Maske: Florian Mannl von der Bezirkszahnärztekammer achtet wie seine Kollegen auf strengste Hygienevorschriften. Foto: privat
Von Holger Buchwald
Heidelberg. Wie auch einige andere Mediziner sorgen sich die Zahnärzte, dass ihre Patienten aus Angst vor einer Ansteckung mit dem Coronavirus zwingend notwendige Behandlungen verschieben. Das könnte jedoch schwerwiegende gesundheitliche Folgen haben, warnt Florian Mannl (44). Der Vorsitzende der Bezirkszahnärztekammer Heidelberg betreibt mit seiner Frau eine Praxis in Handschuhsheim.
Herr Mannl, haben derzeit viele Patienten Angst, zum Zahnarzt zu gehen?
Ja, wie auch Ärzte anderer Fachrichtungen bemerken wir bei den Patienten eine große Unruhe. Viele haben Angst, sich anzustecken. Das erlebe ich übrigens auch außerhalb der Praxis. Erst neulich habe ich im Freien gesehen, wie sich zwei Kinder unterhalten wollten. Ein Mann schrie die beiden regelrecht an: "Abstand!"
Wie macht sich der Patientenrückgang bemerkbar?
Genau kann ich das nicht beziffern. Ich weiß aber, dass die allermeisten Praxen Kurzarbeit angemeldet haben. Das gilt ebenso für die Labore, die von uns abhängig sind.
Welche Behandlungen sollten die Patienten auf keinen Fall auf die lange Bank schieben?
Bei Schmerzen sollten sie auf jeden Fall immer kommen, aber auch, wenn beispielsweise ein Zahn abgebrochen ist. Sonst werden die Beschwerden nur noch schlimmer. Eine massive Parodontitis kann zu Entzündungen führen, die sogar Herzinfarkte, Frühgeburten oder einen bestehenden Diabetes beeinflussen können. Medizinisch weniger notwendige Behandlungen kann man sicherlich verschieben. Ob jemand einen schönen Frontzahn hat oder nicht ist gerade weniger wichtig. Entzündete Weisheitszähne sollte man aber ziehen, bevor sich ein Abszess bilden kann. Erst vor Kurzem hatte ich einen Patienten, der damit so lange gewartet hatte, bis der Mund kaum noch aufging.
Haben Sie Verständnis für die Ängste der Patienten? Schließlich gibt es ja kaum einen Beruf, bei dem man sich so nahe kommt.
Aus Patientensicht habe ich dafür Verständnis. Aus fachlicher Sicht sehe ich das natürlich anders. Wir arbeiten schon immer mit beispielsweise Mundschutz, Handschuhen und haben strengste Hygienevorschriften, die auch behördlich kontrolliert werden. Wir behandeln jeden Patienten so, dass wir auch bei einer möglichen HIV-, Tuberkulose- oder Hepatitis-Infektion optimal geschützt wären. Ganz ehrlich: Während eines Zahnarztbesuches ist das Risiko, sich zu infizieren viel geringer als im Supermarkt! Wir sterilisieren alle unsere Instrumente, desinfizieren nach jedem Patienten alle Oberflächen, unsere Türklinken, etc. Wir schützen uns und unsere Patienten.
Aber zur professionellen Zahnreinigung würden Sie jetzt niemanden einbestellen?
Die professionelle Zahnreinigung hat medizinisch den Sinn, den bakteriellen Biofilm aus der Mundhöhle zu entfernen. Wenn also beispielsweise eine generelle entzündliche Zahnfleisch-Entzündung vorliegt, wird man diese nicht ohne eine Entfernung der Bakterien beheben können. Das muss individuell im Einzelfall der Zahnarzt/in entscheiden. Falls medizinisch notwendig, sollte man derzeit auf Airflow Pulverstrahlen verzichten und eine rein mechanische Plaque-Entfernung mit Handinstrumenten und der Politur mit niedrigtourigen Instrumenten vorziehen.
Ärzte anderer Fachrichtungen haben zur Beginn der Corona-Krise geklagt, dass sie nur schwer an Schutzausrüstung kommen. Wie sieht es derzeit bei Ihnen aus?
Das ist unterschiedlich bei den Zahnärzten. Manche kaufen stets einen großen Vorrat ein, auch um bessere Preise zu bekommen. Andere haben dafür zu geringe Lagerkapazitäten. Inzwischen ist der Mangel an Schutzausrüstung aber nicht mehr das primäre Problem. Die Stadt hat uns etwas Schutzausrüstung wie Masken und Handschuhe überreicht, die BASF Desinfektionsmittel gespendet. Und auch der Engpass, den es eine Zeit lang bei den Anästhetika gab, ist behoben. Daher sind wir Zahnärzte wieder guten Mutes.
Wie können Sie sicherstellen, dass die Patienten untereinander den Abstand einhalten?
Die Patienten werden so einbestellt, dass sich immer maximal eine Person im Wartebereich befindet. Das machen eigentlich die meisten Kollegen so. Bei der Aufnahme wird abgefragt, ob Halsschmerzen, Fieber oder Kontakt mit Covid-19-Verdachtsfällen bestehen. Auch bei einem kleinen Schnupfen wird die Behandlung verschoben. Hätten wir den ernsthaften Verdacht auf eine Infektion, könnten wir den Patienten auch immer in die Kopfklinik überweisen.
Haben Sie das schon einmal gemacht?
Nein. Und ich kenne auch keinen Kollegen, bei dem das der Fall gewesen wäre.