Jeder, der sein Fahrrad gestern vorschriftsmäßig über den Wehrsteg geschoben hat, erhält zur Belohnung eine Brötchentüte. Foto: Kaz
Von Karin Katzenberger-Ruf
Heidelberg. Morgens um sieben sei die Welt noch in Ordnung - zumindest, wenn man dem Buch des britischen Autors Eric Malpass Glauben schenken darf. In der Realität stimmt das nicht ganz. Denn um diese Uhrzeit begehen auf dem Wehrsteg zwischen Bergheim und dem Neuenheimer Feld zahlreiche Fahrradfahrer eine Ordnungswidrigkeit: Statt ihr Zweirad zu schieben, fahren sie über den Wehrsteg und missachten damit das Schild "Radfahrer absteigen". Im Rahmen einer Schwerpunktaktion im Monat der Fahrradsicherheit wurden am Donnerstag die Zweiradfahrer mit einer Brötchentüte belohnt, die sich an die Regeln halten. Die Übeltäter hingegen wurden kostenpflichtig verwarnt.
Zur ersten Gruppe gehörte ein 17-jähriger Schüler aus Dossenheim, der auf dem Weg zu einer Berufsschule in Wieblingen ist. "Ich schiebe mein Rad immer, weil das Fahren bei dem Gegenverkehr echt gefährlich ist. Aber ich verstehe auch nicht, warum Heidelberg es nicht hinkriegt, an der Situation was zu verbessern", sagte er und schlug eine eigene Brücke für Fußgänger und Radler vor. Genau so eine Brücke soll bis 2025 den Neckar überspannen, der Architektenwettbewerb dazu läuft bereits.
Ab 7.30 Uhr waren Beamte der Verkehrspolizei vor Ort und Mitarbeiter des Verkehrsmanagements der Stadt wurden quasi zum "Brötchengeber": Unter der Regie von Thomas Raab erhielten alle, die ihr Rad vorschriftsmäßig über den Wehrsteg geschoben haben, zur Belohnung eine Tüte gefüllt mit einem Rosinenbrötchen, einem Apfel und einem Denkzettel überreicht.
Auf dem steht, dass sie zu Stoßzeiten besonders aufmerksam und rücksichtsvoll fahren, immer mit dem Fehlverhalten anderer rechnen und für die eigene "Erkennbarkeit" sorgen sollen. Die Tüten waren nach einer Dreiviertelstunde Stunde verteilt.
Eine Zählung am Rande der Aktion ergab: In der Zeit haben 261 Radfahrer und 82 Fußgänger den Wehrsteg überquert. "Ganz schön viele für eine Strecke, die ursprünglich nur als Arbeitsweg über ein technisches Bauwerk gedacht war", sagt Raab. Zwölf Verstöße hat die Polizei an diesem Morgen registriert, das Verwarnungsgeld beträgt 15 Euro.
Im Aktionsmonat war der Wehrsteg schon mehrmals im Visier - immer zu unterschiedlichen Tageszeiten. Über 50 Personen seien dabei beim unerlaubten Radfahren erwischt worden, berichtet Michael Arnold, stellvertretender Leiter des Verkehrskommissariats. Dabei hätten sich nahezu alle einsichtig gezeigt.
So war es auch am Donnerstagmorgen. Die meisten gaben an, sie seien unter Zeitdruck gewesen und hätten nicht zu spät zur Arbeit kommen wollen. Jetzt gingen aber erst recht ein paar Minuten verloren, bis die Personalien aufgenommen waren. Ein Radfahrer, der gar nicht von der Kontrolle betroffen war, hat etwas größeren Diskussionsbedarf.
Die Aktion sei total überzogen, fand er. Da solle die Polizei doch lieber mal die Autofahrer kontrollieren, die Radfahrer auf den Straßen gefährdeten. Ihm hielten die Beamten entgegen, dass sich wiederum viele Fußgänger über das Verhalten von Radfahrern auf dem schmalen Wehrsteg beschwerten.
"Wir wollen mit der Aktion das Bewusstsein schärfen", bekräftigte Arnold. Dass im Schutze der Dunkelheit viele Radler nicht abstiegen, liegt auch daran, dass sie sich gegenseitig warnten. Daher gab es später auch einen Beamten in Zivil auf dem Wehrsteg, der seinen Kollegen per Funk eine Kurzbeschreibung der Personen durchgab, die trotz Verbots auf dem Sattel sitzen. Sie wurden auf der anderen Seite "abgefangen" - doch der Umgangston blieb durchweg freundlich.
Eine Frau, die vom Ochsenkopf zur Arbeit ins Neuenheimer Feld radelte und zunächst mal über rücksichtlose Autofahrer klagte, nahm ihr "Knöllchen" dann doch mit Humor: "Da kriege ich wieder Ärger mit meiner Tochter, die ist nämlich Polizistin."