Von Philipp Neumayr
Heidelberg. Eigene Kinder aufziehen und gleichzeitig erfolgreich Forschung betreiben – dass dies kein Widerspruch ist, stellen Agnese Loda und Camille Goemans jeden Tag unter Beweis. Deshalb wurden die beiden Wissenschaftlerinnen, die am Europäischen Laboratorium für Molekularbiologie (EMBL) in Heidelberg arbeiten, nun mit dem "For Women in Science"-Förderpreis ausgezeichnet. Diesen vergeben L’Oréal Deutschland und die Deutsche Unesco-Kommission in Partnerschaft mit der Christiane Nüsslein-Volhard-Stiftung jedes Jahr an herausragende Wissenschaftlerinnen mit Kindern.
Goemans ist 31 Jahre alt, Mutter eines vierjährigen Sohns und einer einjährigen Tochter und forscht zur Entstehung von Antibiotikaresistenzen. Im Interview erklärt die Belgierin, was es braucht, um Familie und Forschung bestmöglich zu kombinieren, und warum sich Kinder positiv auf die Work-Life-Balance auswirken können.
Frau Goemans, Glückwunsch zum Preis. Was bedeutet er Ihnen?
Danke. Es freut mich natürlich sehr, in zweierlei Hinsicht. Zum einen ist es schön, dass man als Frau, die sich für Familie und Wissenschaft entscheidet, eine Anerkennung erhält. Und zum anderen ist der Preis ja mit einem Fördergeld dotiert, das ist sehr hilfreich, da man es für eine bessere Balance zwischen Familie und Beruf einsetzen kann, etwa für die Kinderbetreuung.
So wichtig der Preis und die damit verbundene Förderung sind – zeigen sie nicht auch, dass Frauen, die Mutter und erfolgreich im Beruf sein wollen, es immer noch schwieriger haben?
Sicherlich wäre es schöner, wenn es Preise wie diese nicht mehr bräuchte, insofern, als es für alle Frauen die gleichen Chancen gäbe. In vielen Ländern und Gesellschaften ist die vorherrschende Meinung nach wie vor, dass Frauen eher daheim bei ihren Kindern bleiben sollten. Daher ist es gut, dass solche Preise darauf aufmerksam machen und zeigen, dass auch dieses Lebensmodell funktioniert. Der Preis kann Frauen Mut machen, die zögern oder nicht wissen, ob sie Familie und Wissenschaft vereinbaren können.
Ist die Wissenschaft grundsätzlich ein gutes Arbeitsgebiet, um sich als Frau sowohl beruflich als auch privat verwirklichen zu können?
Das kommt ganz auf die Einrichtung an, in der man tätig ist. Das EMBL ist zum Beispiel sehr kinderfreundlich, die meisten Vorgesetzten haben selbst Kinder und Verständnis dafür, dass auch junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler Kinder haben wollen. Wir haben hier etwa ein eigenes Kinderhaus mit einer Kita und einem Kindergarten. Aber es gibt natürlich auch genügend Gegenbeispiele, wo die Bedingungen schwieriger sind.
Wie schaffen Sie es, Familie und Beruf bestmöglich zu verbinden?
Zunächst einmal muss ich sagen: Auch bei mir läuft nicht immer alles perfekt. Es hilft mir, dass mein Mann mich unterstützt, sich viel um die Kinder und den Haushalt kümmert. Ich versuche generell, mich nicht zu sehr stressen zu lassen. Ich gebe mein Bestes bei der Arbeit und ich gebe mein Bestes zu Hause, bisher hat das immer funktioniert. Ich habe einen tollen Job und eine tolle Familie, das macht es mir leicht. Ich denke, wer Kinder haben will, sollte Kinder haben, alles andere wird sich arrangieren.
Hatten Sie jemals Zweifel an diesem Lebensmodell?
Eigentlich nicht. Meinen Sohn habe ich während meiner Promotion zur Welt gebracht, das war natürlich sehr früh. Aber mein Betreuer hat selbst vier Kinder und hat mich immer unterstützt, das hat mir viel Selbstvertrauen gegeben.
Wie sieht Ihr Arbeitstag aus?
Normalerweise hat man im Labor flexible Arbeitszeiten. Bei mir ist es strukturierter. Meine Kinder sind hier am EMBL in der Betreuung, ich bringe sie meist um 8.30 Uhr dorthin und hole sie um 16.30 Uhr wieder ab. Manchmal ist es schon eine Herausforderung, ich muss mir die Zeit natürlich anders einteilen, mich anders organisieren. Als Wissenschaftlerin mit Kindern musst du effizienter arbeiten, denn du kannst deinen Arbeitstag nicht beliebig ausdehnen.
So gesehen ist es nicht unbedingt von Nachteil, Kinder zu haben.
(lacht) Ja, das kann man so sagen. Das Gute ist: Du versuchst während des Tages, so effizient wie möglich deine Arbeit zu machen. Mit Kindern hast du vielleicht sogar eine bessere Work-Life-Balance, denn du kannst nicht die ganze Nacht arbeiten oder zu viel an die Arbeit denken. Aber natürlich ist dieses Modell nur eines von vielen, das nicht für jeden passend sein muss.
Welche Rahmenbedingungen braucht es, damit Mütter in der Forschung erfolgreich sein und Karriere machen können?
Ich denke, es fängt im Privaten an – damit, dass Männer ihre Frauen entlasten, indem sie mehr Aufgaben übernehmen, für die früher die Frau mehr oder weniger alleine als verantwortlich galt. Zudem sollten Vorgesetzte einen dazu ermutigen und dabei unterstützen, sowohl private als auch berufliche Ziele bestmöglich zu verbinden. Flexible Arbeitsmodelle helfen natürlich auch, genauso wie eine entsprechende Infrastruktur mit Kinderbetreuungsmöglichkeiten nahe der Arbeit, denn wenn du deine Kinder tagsüber physisch betreuen musst, kannst du keinen guten Job machen.
Der Frauenanteil in der Wissenschaft nimmt weltweit zu, aber noch immer haben etwa deutlich mehr Männer eine Professur als Frauen. Woran liegt das?
Da kommt mehreres zusammen. Frauen, die Kinder haben wollen, denken vielleicht öfter als Männer, dass es nicht möglich ist, eine Professur mit Familie zu kombinieren. Ein weiterer Grund ist, dass Frauen manchmal zu wenig selbstbewusst sind und sich für manche Positionen gar nicht bewerben. Ich bin aber der Meinung, dass sich da vieles verbessert – auch, weil mittlerweile junge Väter mehr Verantwortung im Familienalltag übernehmen.
Wie geht es beruflich und privat für Sie weiter?
Zunächst will ich meinen Postdoc beenden. Danach ist es mein Plan, ein eigenes Labor zu haben, wo ich über meine eigenen Projekte entscheiden kann. Was das Private angeht, ist alles gut. Zwei Kinder, das ist erst einmal okay. Aber mal sehen, was die Zukunft bringt. Wir haben noch Zeit.