Das ehemalige Bahnbetriebswerk, das jahrzehntelang brach lag, soll im nächsten Jahr weiter ausgebaut werden. Visualisierung: AAg Architekten
Von Birgit Sommer
Heidelberg. Das gibt es beim Gestaltungsbeirat der Stadt Heidelberg sicher selten: Die renommierten Architekten, die die Pläne für wichtige, stadtbildprägende Gebäude vor dem Baubeginn begutachten, waren vom künftigen Bahnbetriebswerk vollends begeistert. "Wir haben nichts am Projekt rumzumäkeln", sagte etwa Prof. Sophie Wolfrum von der Technischen Universität München bei der Vorstellung. "Wir glauben, dass es toll wird."
Das ehemalige Bahnbetriebswerk, das jahrzehntelang brachlag und dessen denkmalgeschützte Werkstatthalle seit 2017 für Konzerte, Ausstellungen, Seminare und Feste genutzt wird, soll schon im nächsten Jahr weiter ausgebaut werden. Die kreativen Ideen der Architektengemeinschaft AAg Loebner, Schäfer, Weber, die Arbeit, Bildung und Kultur vereinen wollen und im nicht weit entfernten "Tankturm" damit starteten, sind inzwischen zum Projekt der Internationalen Bauausstellung Heidelberg (IBA) geworden. Einzigartig an dem neuen Bahnbetriebswerk ist einiges: die Inhalte, das Investorenmodell, die Bauplanung und die Materialien. Ein eingängiges Motto gibt es auch schon: "echt.menschlich.gemeinsam."
Stefan Loebner stellte die Pläne dem vor zwei Jahren berufenen Gestaltungsbeirat der Stadt bei der Sitzung in der Werkstatthalle des Bahnbetriebswerks vor. Diese Halle soll zum kulturellen Zentrum werden, die gläsernen Einbauten werden dazu entfernt. Die nach Norden anschließenden Zwischenriegel werden um ein Geschoss erhöht und mit Glasdach dazwischen zum Foyer ausgebaut.
Das große Hauptgebäude im Westen (rechts) wird künftig Büros, Gastronomie, Verkaufsflächen und Räume für Kultur beherbergen. Platz für Wohnen gibt es nicht. Visualisierung: AAg ArchitektenDas große Hauptgebäude im Westen wird künftig Büros, Gastronomie, Verkaufsflächen und Räume für Kultur beherbergen. Der Hof zwischen den alten Hauptgebäuden soll abgesenkt werden, um einen attraktiven Eingang und Belichtung zu schaffen, denn das Untergeschoss, so Loebner, beherberge wunderbare Räume – etwa für Ausstellungen, für Veranstaltungen oder für einen Club. "Viele Firmen suchen die Zusammenarbeit mit der Kultur", weiß Loebner. Auch das "Klangforum" mit seinen beiden Ensembles für zeitgenössische wie alte Musik wird hier neue Geschäfts- und Proberäume finden – im "Tankturm" der drei Architekten wird es für das "Klangforum" jetzt schon zu eng.
Was von den alten Stützen und Trägern der ursprünglichen Werkshalle das Bombardement im Zweiten Weltkrieg überlebte, darf auch weiterhin bleiben. Dazwischen setzen die Architekten moderne Gebäuderiegel, inspiriert von den Oberlichtern, die eine historische Zeichnung zeigt. Eine Passerelle führt durch alle Riegel hindurch, ein tiefergelegtes, offenes Parkdeck bietet sich auch für Veranstaltungen an. Platz für Wohnen gibt es nicht, nur für Büros und Gewerbe, auch für eine Kita. Und vielleicht eine Tagesstätte für Senioren. Allerdings: Zur Bahnlinie hin sollen Container einfache Unterbringungsmöglichkeiten für Künstler und Seminargäste bieten. Die Idee, sagt Loeber, kam den Architekten ebenfalls im "Tankturm", wo viele Seminargäste nach nahe gelegenen unkomplizierten Unterkünften fragten.
Das Passivhaus-Konzept der Bahnstadt wird nach Loebners Angaben eingehalten, mit vor Ort hergestelltem Leichtbeton, der die richtigen Dämmwerte erreicht, und mit entsprechend ausgerichteten Fenstern. Fotovoltaik auf den Dächern bringt Energie, Wärmetauscher holen im Sommer die Kühlung aus dem Grundwasser. "Bei ganzheitlicher Betrachtung haben wir einen noch geringeren Energieverbrauch als Passivhäuser", meint der Architekt.
Die Investitionskosten beziffert er auf 60 Millionen Euro. In einer eigens gegründeten Betriebswerk GmbH & Co KG sollen Privatpersonen und Investoren das erforderliche Eigenkapital einbringen, der Rest kommt von Banken. "Wir haben Leute gefunden, die sich mit dem Projekt identifizieren können und bereit sind, ein Risiko einzugehen", sagt Stefan Loebner. Acht sind es derzeit. Bis zum Jahresende könnte die Zahl auf zwölf anwachsen. "Sie machen kein Verlustgeschäft", ist er überzeugt. Ihre Einlagen würden für den ersten Bauabschnitt reichen. Und der soll im nächsten Jahr beginnen, denn, so der Architekt: "Die alte Bausubstanz muss jetzt dringend geschützt werden."
Dass gegenüber der große Block eines XXL-Möbelhauses stehen wird – mit senkrechten Fensterbändern nur leicht gegliedert – ist für Loebner "eine Herausforderung, die wir gerne annehmen. Man wird sich arrangieren". Immerhin soll es eine Reihe von Bäumen vor der Fassade und auch auf dem Parkplatz geben.