Im Rahmen der Kampagne "Demokratie braucht Dich" wurde im Café Leitstelle diskutiert - bei DJ-Musik und Bier. Foto: Philipp Rothe
Von Stefan Meyer
Heidelberg. Wenn im September der Bundestag neu gewählt wird, werden manche Parteien an Einfluss gewinnen und andere verlieren. Eines aber wird sich nicht ändern: die politische Unterrepräsentation der Jüngeren. Nur acht Prozent der Mitglieder deutscher Parteien sind unter 30 Jahre alt, was sich etwa in der Rentenpolitik bemerkbar macht. Die Denkfabrik "Polis 180" möchte das ändern. Am Donnerstag startete sie in Heidelberg ihre "Demokratie braucht Dich"-Tour und lud zu einem Format namens "Politik und Remmidemmi" in das "Café Leitstelle" des Dezernats 16 ein.
Die selbst recht jungen Veranstalter legten großes Augenmerk darauf, sich von gewöhnlichen politischen Formaten abzugrenzen und junges Publikum anzuziehen. Statt auf einem Podium wurden die Diskutanten in einer Art Stuhlkreis platziert. Mit Stoppuhr und Klingel wurde sichergestellt, dass ihre Redebeiträge kurz blieben. Das Publikum konnte nicht nur Fragen stellen, sondern auch selbst Erklärungen vorbringen.
Und vor allem: Vor und nach der exakt 90-minütigen Debatte konnten die Gäste entspannt zusammensitzen, der Musik zweier DJs lauschen - und sich ungezwungen austauschen. Ein Konzept, das nach Ansicht der Organisatoren voll aufging. "Ich habe gerade durchgezählt, es sind ungefähr 40 Leute da. Dafür, dass es in Heidelberg erst unser drittes Event ist und wir noch unter dem Radar vieler Menschen unterwegs sind, ist es ein super Ergebnis", betonte Jan Schaeffer (21) von der Polis 180-Regionalgruppe. "Die Leute sehen glücklich aus, trinken ihr Bierchen und hören gute Musik: Super!"
Höhepunkt des Abends war eine Gesprächsrunde, bei der die Fragen "Aus welchen Gründen soll man sich engagieren?" sowie "Warum engagieren sich so viele (berechtigterweise) nicht?" im Mittelpunkt standen. Simon Schroeder (Pulse of Europe) und Moritz Barske (Heidelberg Sustainable Development Abroad) waren als Vertreter einer sozialen Bewegung und einer Nichtregierungsorganisation eingeladen, Tician Boschert (FDP) und Sahra Mirow (Linke) als Vertreter von Parteien. Die vielleicht größte Erkenntnis des Abends: Auch unter Jüngeren, die sich politisch engagieren, ist die Skepsis gegenüber Parteipolitik groß. Mehrere Personen äußerten die Vermutung, dass Parteiarbeit vor allem Absitzen und Händeschütteln bedeutet. Ihrer Auffassung nach könne man die eigenen politischen Anliegen außerhalb dieser Strukturen und in konkreten Projekten besser umsetzen. Zudem sei man bei keiner Partei mit jedem Punkt des Wahlprogramms einverstanden, sodass man zwar zur Wahl gehe - aber als Wechselwähler.
Die Diskutanten zeigten zwar Verständnis für diese Bedenken, verteidigten aber die Arbeit und den Stellenwert von Parteien. Selbst Simon Schroeder, der sich ebenfalls als Wechselwähler bezeichnete, der nicht in parteilichen Strukturen denke, betonte deren Wichtigkeit. "Ich sehe uns eher als Unterstützung der Parteienlandschaft, weil da die Kernfragen der Gesellschaft verhandelt werden", erklärte er. Zumal Parteiarbeit großen Spaß machen könne und man dabei auch persönlich wachse, wie Mirow und Boschert anmerkten.
Wie von den Veranstaltern erhofft, gingen die Gespräche nach der Debatte noch weiter. Auch Fanny (23) und Lisa (23) tauschten sich noch über ihre Eindrücke aus. "Ich hatte ehrlich gesagt keine großen Erwartungen. In meinem eigenen Umfeld ist es ebenfalls sichtbar, dass sich wenige Jugendliche stark in Parteien engagieren. Ich wollte einfach mal hören, was die unterschiedlichen Meinungen dazu sind", so Fanny. Mit dem Format waren die beiden zufrieden. "Die Gesprächsrunde danach, die DJs, Snacks und Getränke, die lockere Atmosphäre - das ist auf jeden Fall angenehm und attraktiv für junge Leute."