Kommunalwahl: Ist das neue "Kinderwahlrecht" verfassungswidrig?
Zwei Heidelberger Rechtsanwälte wollen die Kommunalwahl anfechten - Das Innenministerium sieht der Klage gelassen entgegen

Erstmals dürfen sich in diesem Jahr auch 16- und 17-Jährige an der Kommunalwahl beteiligen. Doch die Absenkung des Wahlalters ist für zwei Heidelberger Rechtsanwälte ein Verfassungsbruch. Mit dieser Argumentation kündigen sie bereits jetzt an, dass sie das Ergebnis der Abstimmung anfechten werden.
Werner Bornemann-von Loeben und Uwe Lipinski stellten vorab einen entsprechenden Antrag bei der Heidelberger Stadtverwaltung. Sie fordern von Oberbürgermeister Eckart Würzner, die 16- und 17-Jährigen aus dem Wählerverzeichnis zu streichen. Alternativ könnten die Stimmen der Minderjährigen in separaten Urnen gesammelt und gesondert ausgezählt werden. So werde bei einer erfolgreichen Anfechtung eine teure Wahlwiederholung vermieden.
Entscheidend ist für Uwe Lipinski Artikel 26, Absatz 1 der Landesverfassung (siehe Hintergrund). Die Staatsvolk-Definition sei eindeutig, betont der promovierte Fachanwalt für Verwaltungsrecht. Nur volljährige Deutsche dürften sich an Abstimmungen beteiligen, dies gelte nicht nur auf Landes-, sondern auch auf kommunaler Ebene. Damit auch Minderjährige wählen dürfen, hätte der Landtag die Verfassung deshalb mit einer Zweidrittelmehrheit ändern müssen. Tatsächlich wurde aber nur das Kommunalwahlgesetz mit einfacher Mehrheit geändert.
"Ich persönlich bin nicht grundsätzlich gegen ein Wahlrecht für Minderjährige", sagt Bornemann-von Loeben auf Anfrage der RNZ. Den "Eingriff in die Verfassung" durch die grün-rote Landesregierung wolle er aber nicht hinnehmen. "Es ist anzunehmen, dass das Gesetz ausschließlich parteitaktischen Gründen diente - und nicht etwa deshalb erlassen wurde, weil sich 16- und 17-jährige Minderjährige nennenswert für die Aufstellung von Bebauungsplänen, für kommunale Finanzen oder Fragen der Gemeindeorganisation interessieren", schreibt Lipinski in seinem Antrag an die Stadtverwaltung. Das "Kinderwahlrecht" sei der Landesregierung "sehr genehm", da diese Klientel sehr häufig der SPD und den Grünen nahestehe. Selbst wenn sich nur die Hälfte der 2000 Heidelberger 16- und 17-Jährigen an der Kommunalwahl beteiligten, könne dies zu starken Verschiebungen im politischen Kräfteverhältnis führen.
Lipinski und Bornemann-von Loeben machen auch auf einen weiteren Punkt aufmerksam: Vor zwei Jahren wollte die rot-grüne Landesregierung in Rheinland-Pfalz das Wahlalter auf 16 Jahre absenken. In Mainz glaubte man jedoch, dass hierfür eine Verfassungsänderung notwendig sei. Als die erforderliche Zwei-Drittel-Mehrheit nicht zustande kam, rückte die SPD von diesem Vorhaben ab.
Ungeachtet dieser Argumente will die Heidelberger Stadtverwaltung das Wählerverzeichnis nicht ändern und am 25. Mai auch keine separaten Urnen für Minderjährige aufstellen. Der Schriftsatz der Anwälte sei letzte Woche im Rathaus eingegangen, bestätigte ein Stadtsprecher. Die Angelegenheit müsse nun mit dem Regierungspräsidium Karlsruhe und dem Innenministerium abgeklärt werden. In Stuttgart sieht man aber keinen Handlungsbedarf. "Wir sehen einer möglichen Klage gelassen entgegen", sagte ein Sprecher des Innenministeriums. Laut Paragraf 72 der Landesverfassung genüge ein einfaches Gesetz, um das Wahlalter zu ändern. Dies sei überprüft worden.



