Der Kampf gegen die Müllflut beginnt
Mehrweg statt Einweg: Stadt startet Kampagne gegen Kaffee-to-go-Becher - Kommt ein Pfandsystem nach Freiburger Vorbild?

Stündlich werden in Deutschland 320 000 Einwegbecher für den schnellen Kaffee unterwegs verbraucht. Das berechnete die Deutsche Umwelthilfe. Jetzt will auch Heidelberg etwas dagegen tun. Ein Pfandsystem könnte helfen. Foto: dpa
Von Anica Edinger
Die öffentlichen Mülleimer quellen über - auch in Heidelberg. Der Grund vielerorts: Kaffee-to-go-Becher. "Einige Behälter müssen deshalb von unseren Mitarbeitern häufiger geleert werden", berichtet auch Valentin Bachem, Abfallberater beim städtischen Amt für Abfallwirtschaft. Auch deutschlandweit lassen die Zahlen aufhorchen: Nach Berechnungen der Deutschen Umwelthilfe werden in der Bundesrepublik stündlich 320.000 Einwegbecher für den schnellen Kaffee unterwegs verbraucht.
Jetzt sagt die Stadt eben jenen Bechern den Kampf an. Nachdem die Fraktionsgemeinschaft Grün-Alternative-Liste mit "Heidelberg pflegen & erhalten" in einer Gemeinderatssitzung im Mai beantragt hatte, die Verwaltung solle prüfen, wie man der Flut von Einweg-Kaffeebechern Einhalt gebieten könne, informiert diese nun zunächst im Jugendgemeinderat am kommenden Dienstag über die geplanten Maßnahmen.
Denn tatsächlich arbeitet das Amt für Abfallwirtschaft schon seit längerer Zeit an einer Kampagne zur Vermeidung der Becher. Verschiedene Möglichkeiten wurden bereits abgewogen, "gerade sind wir dabei, Cafés und Firmen in der Stadt anzuschreiben und sie darum zu bitten, dass sie selbst mitgebrachte Mehrwegbecher von Kunden befüllen und darauf einen Rabatt geben", berichtet Bachem, der für die Kampagne verantwortlich ist. Oft bekäme man rückgemeldet, man könne das aus hygienischen Gründen nicht machen. "Das stimmt aber nicht", so Bachem. Man dürfe den mitgebrachten Becher nur nicht direkt unter die Maschine stellen - "aber man kann ihn auf der Theke befüllen". Natürlich müsste man dieses Angebot dann auch aktiv bewerben, so Bachem - das wäre wenigstens ein erster Schritt, die Gesellschaft für das Thema zu sensibilisieren. Begleitend dazu sollen ab Herbst Werbeplakate aufgehängt, Infostände angeboten und öffentlichkeitswirksame Aktionen gestartet werden.
Die Heidelberger Abfallberater haben aber auch einen Blick nach Freiburg geworfen. Dort hat der Eigenbetrieb der Abfallwirtschaft und Stadtreinigung (ASF) im November ein deutschlandweites Pilotprojekt gestartet: Er ließ Kunststoffbecher mit Freiburg-Motiv produzieren, verteilte diese an Cafés und Restaurants, die die Becher wiederum im Pfandsystem als Alternative zu Einwegbechern an die Kunden herausgeben. Einen Euro Pfand kostet der "Freiburg-Cup", der in allen teilnehmenden Cafés nach Gebrauch wieder zurückgegeben werden kann. Mit 16 Gastronomie-Betrieben ging man an den Start - "mittlerweile haben wir den Kreis auf gut 80 Geschäfte erweitert", berichtet Dieter Bootz, Freiburger Abfallberater und Projektverantwortlicher, der RNZ. Dabei sei die Bandbreite riesig: "Vom kleinen Stehcafé über Eisdielen bis hin zur Cafeteria in der Uniklinik ist alles dabei", so Bootz. Gerade anfangs sei die Resonanz auf das Projekt überwältigend gewesen. Insgesamt habe man mittlerweile rund 18.000 Becher ausgeliefert. In Freiburg übernehmen auch das die Mitarbeiter der ASF: "Die Kollegen sind meist sowieso in der Stadt unterwegs. Sie können die Auslieferung dann problemlos in ihren Arbeitsalltag integrieren", sagt Bootz. Gekostet hat das alles bislang rund 30.000 Euro. Allerdings wird das Projekt durch das Pfand refinanziert: 15.000 Euro seien so mittlerweile zurückgeflossen.
In Heidelberg sind laut Verwaltungsvorlage allein 10.000 Euro als "Anschubfinanzierung" für die Öffentlichkeitskampagne in den Haushaltsplan 2017/2018 eingestellt. Laut Bachem ist das Freiburger Vorbild für Heidelberg eher unpraktikabel - "wir sind eben in erster Linie kein Bechervertrieb", sagt er. Allerdings liebäugle man damit, das Pfandbechersystem an eine externe Firma auszulagern, die dann die Verträge mit den entsprechenden Cafés abschließe und die Auslieferung übernehme. "Das sind Dienstleister, die das Management übernehmen", erklärt Bachem. Die Kosten für das Design des Bechers würde in einem solchen Fall die Stadt übernehmen. Vorbilder dafür gibt es etwa in der bayrischen Landeshauptstadt München. "Einer müsste jetzt einfach mal den Anfang machen", sagt Bachem, "beispielsweise das Studierendenwerk, dann hätten wir bereits eine gewisse kritische Masse."
Einen ganz anderen Ansatz verfolgt unterdessen die Klimaschutz- und Energie-Beratungsagentur Heidelberg (Kliba). "Aus unserer Sicht ist die To-go-Kultur das Problem", sagt Peter Kolbe von der Kliba. Es sei schließlich noch lange nicht bewiesen, dass Mehrwegbecher ökologischer als Einwegbecher seien. Deshalb lautet Kolbes Botschaft: "Kaffee ist ein Genussmittel. Deshalb sollte man sich die Zeit nehmen, vor Ort aus der Porzellantasse zu trinken."