Darmstadt jubelt und Würzners Urlaub ist gelaufen
Preisverleihung in Walldorf: Die Auszeichnung "Digitale Stadt" geht nach Hessen - Trotz Niederlage werden viele Projekte umgesetzt

Traurig verfolgt die Heidelberger Abordnung mit dem IT-Unternehmer Albrecht Metter, Marc Massoth (Amt für Wirtschaftsförderung) und Nicole Huber (OB-Referat, v.l.), als am Montagabend Bundeswirtschaftsministerin Brigitte Zypries Darmstadts Oberbürgermeister Jochen Partsch (rechtes Bild, 2.v.r.) in Walldorf die Auszeichnung "Digitale Stadt" überreicht. Fotos: Pfeifer
Von Steffen Blatt
Es hat nicht gereicht für Heidelberg: Beim Wettbewerb "Digitale Stadt" des Branchenverbandes Bitkom hatte Darmstadt die Nase vorn und wird nun zum Leuchtturmprojekt der Digitalisierung. Bei der Heidelberger Delegation herrschte nach der Verkündung des Siegers am Montagabend in der Kantine von SAP in Walldorf natürlich Frust - doch viele der Projekte aus der Bewerbung werden wohl auch so umgesetzt.
Neben dem Hausherren, dem SAP-Vorstandssprecher Bill McDermott, waren Ministerpräsident Winfried Kretschmann, Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe und seine Kabinettskollegin für Wirtschaft, Brigitte Zypries, vor Ort in Walldorf.
Als die Darmstädter auf der Bühne jubeln, tippen die Heidelberger Nachrichten in ihre Handys - die schlechten Neuigkeiten wollen verbreitet werden. "Wir sind natürlich enttäuscht. Aber es war ein fairer Wettbewerb, fünf Städte haben fünf gute Konzepte abgeliefert. Glückwunsch nach Darmstadt", sagt Nicole Huber, die Leiterin des OB-Referats, als sich die Sieger auf der Bühne zum Foto aufstellen. Oberbürgermeister Eckart Würzner selbst ist nicht bei der Bekanntgabe dabei - er ist im Urlaub. Huber will ihm das Ergebnis gleich per WhatsApp durchgeben, was zunächst scheitert - kein Netz.
Später meldet sich Würzner per Telefon aus Südfrankreich bei der RNZ. Auch er gratuliert Darmstadt, kann seine Enttäuschung aber ebenso wenig verbergen wie die Delegation in Walldorf. Der Urlaub ist erst einmal versaut. "Ich hoffe, dass die Kollegen aus Darmstadt die Erwartungen nun erfüllen können", sagt Würzner. Heidelberg habe eine sehr gute Vorstellung geliefert, und auch in Zukunft sei die Digitalisierung ein "absoluter Schwerpunkt". Einen kleinen Seitenhieb setzt er noch: "Ich war erstaunt, als Darmstadt bei der Präsentation der Konzepte in Berlin plötzlich mit einer Finanzierungszusage über zehn Millionen Euro des Landes Hessen aufwarten konnte." Aus Stuttgart hätte es im Falle eines Sieges 200.000 Euro für Heidelberg gegeben. Darmstadt als Sieger darf nun zwei Jahre lang kostenlos auf Produkte und Dienstleistungen der Bitkom-Mitglieder zurückgreifen, um seine Projekte umzusetzen. Außerdem waren Kaiserslautern, Wolfsburg und Paderborn im Finale.
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Im Falle eines Heidelberger Sieges war geplant, noch im Juni eine "Digitalagentur" zu gründen, um die Umsetzung der Projekte zu koordinieren. Das wird nun nicht abgesagt: "Es wird etwas Vergleichbares geben", kündigte Huber an, die im OB-Referat die Bewerbung verantwortete. Nur wird es jetzt nicht ganz so schnell gehen, denn die Beschlussvorlage muss umgeschrieben werden. Auch wird die Agentur wohl keine eigenständige GmbH werden, sondern eine Tochtergesellschaft der Stadtwerke. Noch vor dem Sommer will man aber damit in den Gemeinderat.
Von den vielen Projekten aus der Heidelberger Bewerbung werden die "allermeisten" wohl trotzdem umgesetzt, so Huber, nur eben nicht so schnell. "Unser Konzept war es ohnehin nicht, dass wir uns bei einem Sieg alles komplett durchfinanzieren lassen, sondern wir hatten eine Strategie über die zwei Jahre hinaus." Aus der Wirtschaft etwa gebe es schon konkrete Anfragen. Eines dieser Projekte ist etwa die Digitale Patientenakte, die das Universitätsklinikum in den kommenden beiden Jahren flächendeckend umsetzen will - mit oder ohne Wettbewerb.
Darmstadts Oberbürgermeister Jochen Partsch (Grüne) bekundet nach dem Sieg seiner Stadt "großen Respekt" für die anderen Wettbewerber. Schon bei der Präsentation der Konzepte in Berlin habe man verabredet, sich regelmäßig auszutauschen. Dann geht er mit seiner Delegation beim Abendempfang feiern.
Nicole Huber hält derweil die überdimensionierte Teilnahmebestätigung zum Wettbewerb in der Hand - wie die Siegerurkunde bei den Bundesjugendspielen, die nach der Verleihung sofort in die Schublade wandert.