Die ganze Stadt tanzt

"Choreographisches Centrum" gestern in Heidelberg eröffnet - Einzigartiges Kooperationsmodell

12.10.2013 UPDATE: 12.10.2013 06:00 Uhr 2 Minuten, 20 Sekunden
Freudensprünge auf der Hauptstraße: Bernhard Fauser, Nanine Linning, Jai Gonzales und Holger Schultze (v.l.). Foto: Hentschel
Von Ingrid Thoms-Hoffmann

Es ist noch gar nicht so lange her, da gab keiner in der Stadt auch nur einen Pfifferling auf den Tanz. Die Sparte war dabei, gänzlich aus Heidelberg zu verschwinden. Die unglückselige Kooperation mit Freiburg dümpelte dahin, das Unterwegstheater war immer noch auf der Suche nach geeigneten Räumen, das Interesse des Publikums äußerst mäßig, und immer mehr Stimmen wurden laut, die Tanzsparte am Theater gänzlich zu schließen. Das war einmal. Das Blatt hat sich gewendet. Jetzt schaut das Land nach Heidelberg, wo etwas entstand, was es so noch nirgends gibt. Gestern Abend wurde das "Choreographische Centrum" (kurz CC genannt) in der Hebelstraße offiziell eröffnet.

Was ist passiert? Man kann es auf einen einfachen Nenner bringen: Heidelberg hat erkannt, dass die Stadt mit diesem Zentrum, einer Kooperation zwischen Stadttheater und Freiem Theater, punkten kann. "Was andere planen, das machen wir", freut sich Theaterintendant Holger Schultze. Das "gemacht" werden konnte, das hat verschiedene Ursachen. Einmal kam mit Nanine Linning eine Tanz-Chefin in die Stadt, die national und international ganz an der Spitze steht, die den Heidelbergern zeigte, wie vielfältig Tanztheater sein kann und sie in eine Welle der Begeisterung hineinzog. Zweitens gibt es seit 25 Jahren mit Jai Gonzales und Bernhard Fauser ein "Unterwegstheater", das trotz vieler Rückschläge nicht locker ließ und sich seit der Gründung mit Herz und Seele und Körper dem Tanz verschrieben hat. Die von ihnen initiierten "Art Orte" gehören mit zu den ungewöhnlichsten Kunstprojekten, die die Stadt zu bieten hat. Drittens ist Holger Schultze ein Intendant, der von Anfang an für die Tanzsparte am Theater kämpfte. Er, der ja vom Schauspiel kommt, hat die "unendliche Vielfalt" dieser Kunstform erkannt, auch wenn er, wie er schmunzelnd bekennt, nicht an der "Ballettstange groß geworden ist". Viertens fanden die Akteure in der Stadtverwaltung mit Oberbürgermeister Eckart Würzner, Kulturdezernent Joachim Gerner und schließlich mit dem Gemeinderat eine "nicht selbstverständliche Unterstützung" (Schultze). Mit jährlich 60 000 Euro wird die Stadt das CC unterstützen.

So sollen - und dafür wird das Geld der Stadt gebraucht - Choreografen aus allen Landen sich mit ihren Projekten bewerben können. Nicht nur, dass sie die Räume des CC für ihre Proben nutzen dürfen, sie können hier auch wohnen. Drei bis sechs Wochen sind sie dann eingeladen. Wer angenommen wird, darüber entscheiden die Fachfrauen Gonzales und Linning, die auch abwechselnd das Vorschlagsrecht haben, und Prof. Rosemary Helliwell aus Mannheim.

"Wir wollen mit unserem CC die Abwärtsspirale in Sachen Tanz umkehren", sagt die Niederländerin Nanine Linning. Wer sie kennt, weiß, dass es mit ihr gelingen kann - und mit ihren unverwüstlichen Mitstreitern.

Dass bei der Eröffnung des CC gestern Abend Oberbürgermeister Würzner in der Halle direkt neben dem Unterwegstheater dabei war, darf als gutes Zeichen der Unterstützung gewertet werden. Denn Unterstützung wird das CC auch weiterhin brauchen, soll es zu dem werden, wovon die Akteure träumen: Eine einmalige Geschichte, die nicht nur an die große Tanztradition mit einem Johan Kresnik anschließt, sondern die zeigt, dass Heidelberg als "Tanzstadt prädestiniert" ist. Auf "Nachhaltigkeit" kommt es den Akteuren an. Dabei soll der Tanz in Heidelberg so fest verankert sein, dass er zum Selbstläufer wird, egal, wie die handelnden Personen heißen.

Einer der das auch so sieht, ist Mäzen Manfred Lautenschläger. Mit seiner großzügigen Spende hat er es ermöglicht, dass das Zentrum gleich von Beginn an mit der adäquaten Licht-, Ton- und Bühnentechnik ausgestattet ist. Auch die Tanz-Biennale wird er unterstützen, die Anfang Februar nächsten Jahres über die Bühne geht. Mit einem "einmaligen" Betrag ist dann auch das Wissenschaftsministerium dabei. Aber natürlich hofft man in Heidelberg, dass es dabei nicht bleiben wird.

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