Von Anica Edinger
Er heißt Crumble. Er ist kuschlig, kann Pfötchen geben, eine Rolle machen - und er sorgt zwei Mal in der Woche dafür, dass im Klassenraum der 6b an der Waldparkschule 45 Minuten lang absolute Ruhe herrscht. Denn Crumble ist ein Schulhund. Der Golden Retriever ist seit gut eineinhalb Jahren an der Gemeinschaftsschule auf dem Boxberg. Mittlerweile ist er zum festen Mitglied der Klassengemeinschaft geworden - und das nicht nur zum Kuscheln.
"Er bringt sehr viel Ruhe in die Klasse", sagt Lehrerin Katharina Sauer, die Besitzerin von Crumble. Sie habe sich schon immer einen Hund zulegen wollen, vor gut zwei Jahren war es dann soweit. Und es habe sich gelohnt: "Wenn Crumble da ist, wissen die Schüler, dass sie Rücksicht auf ihn nehmen müssen." Und wenn er dann in der Lernzeit auf seiner Decke beim Lehrerpult liegt und schlafen möchte, akzeptieren das die Kinder. Schließlich wollen sie keine schlafenden Hunde wecken. "Sie kümmern sich wirklich rührend um Crumble", sagt Sauer, "sie schauen immer nach, ob er ausreichend zu essen und zu trinken hat."
Die Schüler bestätigen die Beobachtungen ihrer Lehrerin: "Seit Crumble da ist, bin ich viel ruhiger geworden", sagt etwa der zwölfjährige Fabio. Und sein Mitschüler Robec erinnert sich: "Als Crumble das erste Mal hier war, waren wir sehr laut. Aber dann haben wir gelernt, dass wir leise sein müssen, wenn er in der Klasse ist. Und jetzt macht er uns alle sehr fröhlich." Der elfjährige Jan ergänzt: "Er ist unser Freund geworden."
Der Schulhund wird an zwei Tagen, dienstags und freitags, auch aktiv in den Unterricht eingebunden, etwa in Mathematik. Dann bilden die Schüler einen Halbkreis um das Tier, alle rufen nach ihm - und Crumble sucht sich seinen Auserwählten aus: Der Schüler, zu dem der Hund auf seine Rufe hin zuläuft, darf mit ihm vor zur Tafel. Er bekommt eine Aufgabe von der Lehrerin - den Schwierigkeitsgrad entscheidet der Schüler selbst - und muss sie vor seinen Mitschülern lösen. Schafft er es, darf er mit Crumble ein Kunststück machen. Und Lehrerin Katharina Sauer weiß: "Golden Retriever sind sehr verfressen, die machen alles für Futter." Deshalb kann der Schulhund so einige Tricks: Natürlich gibt er Pfötchen, er kann sich tot stellen, aber auch auf Kommando bellen. "Das ist natürlich total motivierend für die Kinder", berichtet die Lehrerin. Auch im Deutschunterricht wird Crumble eingesetzt. "Er legt sich dann auf seine Decke und schläft - und wir lesen ihm Geschichten vor", erklärt Schüler Lobis.
Bis ein Schulhund aber tatsächlich im Unterricht mitmachen darf, ist es ein langer Weg. Zunächst muss die Schule abklären, ob ein Schüler in der Klasse, in der das Tier eingesetzt werden soll, eine Allergie hat. Alle betroffenen Eltern müssen dann eine Einverständniserklärung zum Einsatz des Tieres abgeben - und zwar schriftlich. Außerdem muss der Hund einen Wesenstest bestanden, die Begleithundeprüfung erfolgreich abgelegt haben - und er muss regelmäßig die Hundeschule besuchen. Zum regelmäßigen Austausch treffen sich die Schulhund-Lehrer im Rahmen des "Arbeitskreises Schulhund Baden-Württemberg Nord", der im Jahr 2007 gegründet wurde.
Am Anfang steht aber die Entscheidung des Schulleiters: Er allein gibt die Zustimmung. Die Stadt oder gar das Staatliche Schulamt haben damit nichts zu tun. Deshalb gibt es dort auch keine Auskunft darüber, wie viele Schulhunde in Baden-Württemberg im Einsatz sind. Thilo Engelhardt jedenfalls, Schulleiter an der Waldparkschule, erklärt: "Wenn ein Lehrer sagt, er würde sein Tier gerne zum Schulhund ausbilden lassen, darf er das." An der Waldparkschule haben das bislang zwei Lehrerinnen getan: Katharina Sauer mit Crumble und Kerstin Inhülsen. Ihr Border-Collie-Mischling Ole ist zwei Mal in der Woche in der Klasse 8a dabei - und auch Inhülsen ist überzeugt: "Die Schüler lernen so, Verantwortung für ein Tier zu übernehmen - und es klappt total gut."