Große Putzaktion in der Altstadt
Inschriften auf Gedenktafeln sind wieder lesbar: Schüler des Hohenstaufen-Gymnasiums polieren die in Eberbach verlegten Stolpersteine

Damit die Inschriften wieder lesbar werden, polieren Neuntklässler des Hohenstaufen-Gymnasiums mit vereinten Kräften die in der Altstadt verlegten Stolpersteine. Foto: Christofer Menges
Von Christofer Menges
Eberbach. Sie erinnern an die Schicksale von Menschen: Die Stolpersteine, die im April 2011 vom Kölner Künstler Gunter Demnig in Eberbach verlegt wurden. Doch nach sieben Jahren waren die Messingplatten der im Pflaster eingelassenen Steine mattschwarz angelaufen, die Inschriften kaum mehr zu lesen. Jetzt glänzen die Steine wieder: 17 Schüler des Hohenstaufen-Gymnasiums zogen vorigen Freitag mit Schwämmen, feiner Stahlwolle und biologisch abbaubarem Universalreiniger los und polierten die in und um die Eberbacher Altstadt verlegten 48 Steine.
Um 12.30 Uhr am Freitagmittag rückte einer der vier ehrenamtlichen Schülerputztrupps in der Kellereistraße an. Vor dem Haus Nummer 22 liegen die Steine, die an die Familie Würzburger erinnern, die dort einst gewohnt hatte. Helene, Frieda und Irwin Würzburger - darüber geben die Inschriften auf den Steinen Auskunft - schafften es, 1939 nach Argentinien zu fliehen und dort den Holocaust zu überleben. Zilly Würzburger überlebte in England. Max Würzburger wurde 1940 in der "Heilanstalt" Wiesloch als Euthanasie-Opfer ermordet.
Bei Temperaturen um den Gefrierpunkt fangen die Neuntklässler an, die Reinigungspaste auf dem Messing zu verteilen und die zehn auf zehn Zentimeter großen Gedenkplättchen im Boden zu polieren. Auch der frühere Stadtrat Robert Moray, inzwischen 80, kommt dazu. Auf Morays Initiative wurden die Stolpersteine vor sieben Jahren in Eberbach verlegt. 1992 fing Demnig mit der Verlegung der Stolpersteine an. Inzwischen sind es mehr als 60.000 in Deutschland und 21 weiteren europäischen Ländern.
Moray hatte vor zwei Jahren auch die Idee, in Zusammenarbeit mit Schülern, die den Nationalsozialismus im Geschichtsunterricht durchnehmen, die Steine wieder zu polieren. Dabei fand er in Geschichtslehrer Till Weidenhammer einen Ansprechpartner. Der Altstadtrat besorgte nach Rücksprache mit Demnigs Büro, was für die Reinigung am besten geeignet ist, die Putzmittel; die Schüler schrubben und wienern und lernen dabei etwas über die Geschichte Eberbachs zur Zeit des Nationalsozialismus. "Mit richtig viel Kraft", gibt Weidenhammer seinen Schülern Tipps, wie sie die Patina von den Messingplatten bekommen. "Mit Schmackes!", bestätigt Marvin und schrubbt weiter. Es dauert länger als geplant. "Das ist doch mehr Arbeit, so ein einzelner Stein, als es aussieht", stellt Lehrer Weidenhammer fest.
Nach 20 Minuten glänzen die Gedenktafeln vor Haus Nummer 22 wieder. Dann sind die ein paar Meter weiter verlegten Gedenksteine vor Haus Nummer 24 dran, darunter der für die in Auschwitz ermordete Fanny Fuld und der für Max Seligmann der 1943 in Theresienstadt starb.
Die Schüler opfern einen Teil ihrer Mittagspause und wienern weiter. Ganz fertig werden sie am Freitag nicht: An manchen der Messingtafeln haben sich nach sieben Jahren hartnäckige Verschmutzungen festgesetzt. "Da müssen wir noch mal nacharbeiten", sagt Weidenhammer. Das ist nach den Fastnachtsferien geplant. Nachgearbeitet wird dann auch im Unterricht: Die Schüler erhalten Material zur Geschichte der Eberbacher Juden und sollen selbst eine Dokumentation anfertigen.
Doch die Aktion zeigt auch schon am Freitag erste Wirkung: Die ersten Passanten werden auf die wieder glänzenden Stolpersteine aufmerksam und bleiben stehen. Einer beugt sich runter und liest die Inschriften. So wie es Künstler Demnig beabsichtigt hat: Als Verbeugung vor den Opfern des Nationalsozialismus, deren Namen, da wo sie einst gelebt hatten, nicht in Vergessenheit geraten sollen.