Von Martina Birkelbach
Eberbach. Stolz streckt er sein frisch gewaschenes und poliertes rotes Hinterteil in die Sonne. Er hat sich richtig rausgeputzt: Die "Herzlichen Glückwunsch"-Buchstaben-Kette wedelt im Sommerwind, die vielen "50.-Schilder" hat sein ebenso stolzer Besitzer und Restaurator Hans Beier mit viel Liebe angebracht. Zahlreiche geladene Gäste kommen zu der Geburtstagsfeier zum 50. des VW-Käfers Ende Juni. Unter den Gratulanten sind Freunde, Bandkollegen und der Käfer-Vorbesitzer und Klassenkamerad von Beier, Klaus Damm, in die Garage in der Itterstraße gekommen, in der vor Jahren der Käfer zu seinem zweiten Leben restauriert wurde.
Es gibt Begrüßungssekt, Getränke und Snacks sowie viele Bilder von der Restaurierung und nette Gespräche, die sich mitunter auch um Benzin und Ersatzteile drehen. Der immer noch sehr gut erhaltene, voll einsatzfähige und häufig bewunderte Käfer lässt sich derweil gratulieren, nimmt die ein oder andere Streicheleinheit sowie kleine Geschenke entgegen. Das größte Geschenk kommt von Papa Beier: Ein neuer leistungsstärkerer Motor.
Der hauptberufliche Lehrer und in Eberbach und Umgebung bekannter Keyboarder erzählt die Geschichte seines Käfers: "Irgendwann im Juni 1969 wurde in Osnabrück bei der bekannten Karosseriebaufirma Karmann ein weißes Käfer-Cabrio gebaut, welches am 27. Juni 1969 zum ersten Mal zugelassen wurde. Zehn Jahre lang wechselten nahezu jährlich seine Besitzer, bis das VW-Cabrio im Herbst 1979 mit einem Unfallschaden in einer Eberbacher Kfz-Werkstatt stand."
Hans Beier - der noch nicht lange sein Abitur am Hohenstaufen-Gymnasium hinter sich hatte - kaufte das damals inzwischen hellgrüne Cabrio; sozusagen als Abi-Geschenk für sich selbst. Da er, im Gegensatz zu heute, damals noch kaum Schraubererfahrung an Autos hatte, richteten ihm zwei Mitarbeiter der benachbarten Werkstatt die Karosserie des Autos wieder her. "Der VW-Käfer bekam nach der Reparatur dann die Farbe rot und das schicke Cabrio wurde von mir im Januar 1980 bei eisigen Temperaturen - natürlich mit offenem Verdeck - erfolgreich zur TÜV-Abnahme nach Mosbach gefahren", erzählt er lachend.
Dann begann eine tolle Zeit für Beier mit dem Käfer: "Er begleitete mich auf vielen Cabriotouren, auch nach Spanien, Italien, Südfrankreich und Norddeutschland. Inbegriffen waren auch nächtliche Ausfahrten in Sommermonaten im Odenwald mit Freunden unterm Sternenhimmel, "untermalt mit Rockmusik der 60er und 70er aus der ersten Generation von Autoradios mit Kassette mit der Wahnsinns-Musikleistung von 2 x 7 Watt und Plastikboxen unter den Sitzen". Auch die Familienhunde, erinnert sich Beier, liebten das alte VW-Cabrio sehr und genossen den Fahrtwind auf der Hinterbank mit wackelnden Ohren - zur Freude der Passanten und der hinterherfahrenden Autofahrer.
"Ich fuhr mit dem Käfer zum Studium nach Heidelberg, später zur Arbeit in die Schule und oft war es die Vorfreude auf die Heimfahrt durch das schöne Neckartal, die den Arbeitsalltag schneller vergehen ließ. Der Herbst war besonders schön mit den goldenen Farben am Fahrbahnrand".
Zum Käferalltag damals gehörten laut Beier natürlich ständig irgendwelche kleinen Reparaturen, selten aber auch größere Eingriffe wie ein Motorausbau. "Dann bekam ich vom Nachbarn Hermann Rüttger - der damals seine Werkstatt neben meiner Garage hatte - erklärt, wie die Reparatur zu funktionieren hat." Nach Feierabend kam er immer pünktlich um 17 Uhr mit seinem kleinen Hund rüber in die Garage und schaute nach, wie Beier denn so gewerkelt hatte.
"Meistens war er zufrieden mit meiner Arbeit und ich war stolz. Ich bekam auch manches wertvolle Werkzeug von ihm geliehen, denn ich hatte damals noch kaum welches." Wichtig war Beier immer, das Werkzeug penibel sauber "wie OP-Besteck" zurückzugeben, "das habe ich bis heute auch in meiner kleinen Hobby-Werkstatt beibehalten".
Auch in der damals noch existenten Eberbacher Käfer-Schrauberszene half man sich gerne gegenseitig: "Sogar ein Club wurde gegründet. Im ehemaligen Kellergarten - auf dem Weg zum Krankenhaus, gegenüber der ehemaligen Brauerei - war ein altes Fachwerkhaus und viel Gelände außen herum. Dort wurde mancher Käfer zerlegt, ausgeschlachtet oder wieder hergerichtet. (Heute steht dort ein Haus der Jugendbetreuung)."
Hans Beier lernte so alles über Käfertechnik und traute sich, mit der gebotenen Vorsicht, an immer mehr Reparaturen heran. "Natürlich las ich auch viel Fachliteratur und konnte dadurch sehr viel Geld für Reparaturen und Wartung am Käfer sparen und nebenbei wertvolles Käferwissen sammeln". Er erklärt: "Der Käfer ist ja relativ einfach aufgebaut und zu warten. Laut Vorgabe der damaligen NS-Regierung sollte ein Auto gebaut werden, das von jedem Tankwart gewartet werden und fünf Personen Platz bieten konnte, etwa 100 km/h dauerhaft schnell fahren und nicht mehr als acht bis zehn Liter Kraftstoff verbrauchen sollte." Den Auftrag, solch ein Fahrzeug zu entwickeln, bekam Ferdinand Porsche; "der Vater des Käfers und des Porsches, von der damaligen Regierung. Die Vorgaben hatte der Käfer erreicht".
Und dann: "1992, nach zwölf Jahren Käferschrauben, Käferfahren und Käfergenießen stand mal wieder ein Tüv-Termin an. Inzwischen hatten das Blechkleid und das Fundament des roten Krabblers stark gelitten. Auch eine Achse und der Rahmen waren durchgerostet und unter der Rücksitzbank roch es irgendwie nach modrigem Waldboden." Für den Käfer-Papa war klar: Ein sehr großer Reparaturaufwand stand bevor.
Die meisten Autobesitzer hätten an dieser Stelle auf ihre Werkstatt gehört, wehmütig auf die vergangenen Jahre mit dem Käfer zurückgeschaut und ihm seine letzte Ruhestätte auf einem Autofriedhof gegönnt. Nicht so Hans Beier: Inzwischen hatte er in Fachzeitschriften eine Menge über Restaurierungen von hoffnungslos verrosteten Autos gelesen und dann beschlossen, den Käfer total zu zerlegen, Karosserie und Fahrgestell zu trennen und ihn bis in die kleinste Ecke kompromisslos zu sanieren. "Neuaufbau oder Vollrestaurierung nennt man das."
Damals sagte Beier trotzig: "Den Käfer gebe ich nicht mehr her und wenn er keinen Tüv mehr bekommt, dann stelle ich ihn in unseren Garten und pflanze Blumen rein".
Manch einer seiner Freunde schaute sehr skeptisch auf sein Vorhaben, manchmal wurde er auch belächelt, denn seit 1979 gab es das Golf-Cabrio und das Käfer-Cabrio hatte 1992 für viele Autofans seine beste Zeit hinter sich. Sie sollten sich aber täuschen - wie man heute weiß.
Beier baute aus alten Käfern Ersatzteile aus und arbeitete sie wieder auf. "Ich schnitt mir auf Schrottplätzen schon mal ganze Karosserieblechteile aus Schrottkäfern heraus." Denn schon 1992 sah es mit der Ersatzteilversorgung für das spezielle Käfer Cabrio von Karmann nicht gut aus.
Endlich: "Genau zwei Jahre dauerte es, bis mein Käfer im Frühling 1994 wie fabrikneu in knalligem Rot auf schicken Sportfelgen, mit überholtem Originalmotor und mit neuem Stoffverdeck die TÜV-Hürde nahm." Inzwischen hatte Beier viel gelernt: Schweißen, Blechbearbeitung, Autoelektrik, Mechanik, Motortechnik... . Die Arbeitsstunden zu zählen hatte er irgendwann aufgegeben. "Heute weiß ich nicht mehr, wie ich das damals alles geschafft habe; neben den Vorbereitungen zum Ersten und Zweiten Staatsexamen eines zweiten Studiums, dann der folgenden Zeit als Referendar mit den ständigen Lehrproben und dazu der Zeit als Keyboarder zusammen mit der Band "Rockomotive Eberbach".
Seit dieser zwei Jahre dauernden Vollrestaurierung (1992-1994) wird der Käfer regelmäßig gefahren, war mehrmals stolzes Hochzeitsauto und läuft ohne nennenswerte Probleme zu jeder Jahreszeit - außer im Winter. Denn da hält er "verdienten Winterschlaf in einer trockenen Garage".
Und nun zum Geburtstagsgeschenk, welches jeder Gast am 29. Juni sehen und hören konnte. Beier: "Es war schon immer mein Traum, einmal einen leistungsgesteigerten Käfermotor vollkommen neu mit vielen Originalteilen aufzubauen. Dazu las ich - neben vielen anderen Fachbeiträgen - das Fachbuch eines bekannten Käfertuners (Ing. Riechert) aus den 70er Jahren. In diesem Buch war auch der Aufbau eines 2,0-Liter-Motors - mit der doppelten Leistung des herkömmlichen Käfermotors - beschrieben."
Für Beier war es eine Herausforderung und er kaufte alle benötigten Teile zusammen, beziehungsweise arbeitete alte Teile neu auf. "Ich ließ das alte Motorgehäuse in einem Fachbetrieb in Hirschhorn vermessen und aufbohren. Kolben, Zylinder und Nockenwelle und Kleinteile wurden neu beschafft, der Rest aus den 70er Jahren im Internet zusammengekauft."
Heute sitzt der Motor (noch) in einem Gestell, damit Beier außerhalb des Autos an ihm arbeiten und ihn einstellen und zur Probe laufen lassen kann. Aber demnächst soll der Motor in den roten Käfer eingebaut werden; "natürlich mit dem Segen des Tüv".
So wie es aussieht, wird Hans (Hannes) Beier bald noch als Rentner mit dem Auto aus seiner Sturm-und-Drang Zeit durch die Gegend fahren. Wir wünschen ihm und dem roten Käfer gute Fahrt.
Käfer-Papa Hans Beier mit dem Geburtstagsgeschenk: Ein neuer Motor mit der doppelten Leistung eines herkömmlichen Käfermotors. Bald soll er - mit dem TÜV-Segen - eingebaut werden. Foto: Birkelbach