Die Volieren stehen leer. Der 1972 gebaute Vogelpark am Fuß des Ohrsbergs wurde aufgegeben. Foto: Marcus Deschner
Von Marcus Deschner
Eberbach. "Wir hoffen, dass der Verein auch im Jahre 2082 besteht und dann sein 200-jähriges Bestehen feiert und man sich dann vielleicht an uns erinnert", schrieb Gerhard Kinzler in der Festschrift zum 100. Jubiläum des "Vereins der Vogelfreunde 1882 e.V. Eberbach und Umgebung".
Doch die Hoffnung des Chronisten im Blick auf das Fortbestehen des Vereins sollte sich nicht erfüllen. Die Vogelfreunde haben sich im vergangenen Jahr aufgelöst, der ab 1972 gebaute Vogelpark am Fuß des Ohrsbergs wurde aufgegeben. Wo derzeit noch verlassene Volieren, eine Gerätehütte und ein zugewachsener Teich zu finden sind, könnte laut städtischen Überlegungen einmal ein Waldkindergarten entstehen. Das Gelände blieb nämlich stets im Eigentum der Stadt.
"Es wurden immer weniger Mitglieder, etliche sind bereits verstorben", gibt Günther Lenz, letzter Vorsitzender des aufgelösten Traditionsvereins Auskunft. "Zuletzt waren’s noch so um die 20".
Dem Vogelpark seien auch durch Wildschweine immer wieder Schäden zugefügt worden. Sämtliche vereinseigenen Schriftstücke "wanderten" ins Stadtarchiv nach Pleutersbach. In Glanzzeiten, wie im Jahr 1982 zählte man über 70 Mitglieder, wovon sich viele aktiv einbrachten.
Nicht nur im Vogelpark, sondern auch bei etlichen Ausstellungen, bei der 750-Jahr-Feier der Stadt 1977, mit einem Waffelbäckerstand auf dem Weihnachtsmarkt oder bei Arbeitseinsätzen im Felsennest und im Schwalbenstein.
Laut Kinzlers Chronik fand die Gründungsversammlung des "Geflügelzuchtvereins" am 4. Dezember 1882 in der "Bierbrauerei zum Sternen" statt. Erster Vorsitzender war Ratsschreiber Götz. "Der Zweck des Geflügelzuchtvereins Eberbach ist die Förderung und Hebung der Geflügel- und Vogelzucht und energisches Eingreifen zum Schutze unserer Singvögel in Wald und Feld", heißt es in den im Januar 1883 in der Lokalpresse veröffentlichten Statuten.
Die Schautafel ist beschlagen und vermoost. Foto: Marcus Deschner
In den Folgejahren entwickelte sich ein reges Vereinsleben. Wie in dem 80 Seiten umfassenden Heftchen erwähnt wird, richtete man alsbald bei verschiedenen Mitgliedern Zuchtstationen ein, um an die Landbevölkerung gute Bruteier abgeben zu können. Die erste Ausstellung fand 1890 anlässlich eines landwirtschaftlichen Gaufests statt und war mit der Verlosung von Geflügel- und Kanarien verbunden.
Zehn Jahre nach der Gründung wurde erstmals eine Ausstellung in Karlsruhe mit 45 Tieren beschickt. Aus der Festschrift geht auch hervor, dass sich während des Ersten Weltkriegs in Eberbach auch ein Kaninchenzuchtverein gründete, der sich 1920 mit den Geflügelzüchtern zusammentat. Fortan nannte man sich "Geflügel- und Kaninchenzuchtverein 1882 Eberbach". Eine erste gemeinsame Ausstellung machte man Anfang April 1921 in der "Itterburg". Im Februar 1934 wurde sogar eine Reisebrieftaubenabteilung gegründet, die sich aber ein paar Jahre später wieder auflöste.
Nach einem Erlass der Reichsregierung wurde der Verein ab März 1936 in "Kleintierzuchtverein 1882 Eberbach" umbenannt. Im gleichen Jahr wurden auch die Ziegenzüchter angegliedert. 1935 wurde mit der Stadtverwaltung ein Mietvertrag über ein Vereinsgelände im Neuen Weg unterzeichnet.
Der Zweite Weltkrieg hatte auf das Vereinsgeschehen Einfluss. Viele Mitglieder wurden an die Waffen gerufen, das Futter für Geflügel wurde rationiert, es gab nur noch für anerkannte Wirtschaftsrassen Zuteilungen. Gleichwohl konnte noch jährlich eine Lokalschau durchgeführt werden. Neue Mitglieder durften nicht mehr aufgenommen werden.
Die letzte Versammlung in den Kriegsjahren ist für den 1. Januar 1945 in der "Brauerei Nohe" dokumentiert. Im Februar 1946 wurde eine neue Vorstandschaft mit Alois Hock und Emil Lebold an der Spitze gewählt. Der Verein erlebte einen blühenden Aufschwung mit Jugendgruppe und Lokalschauen. Auf dem Kuckucksmarkt 1946 strömten über 4000 Besucher ins Ausstellungszelt.
Zeitweise nutzte man auch Armeezelte, die Werkshallen der Firma Dilo und das Turnerheim am Jahnplatz für Ausstellungen, ab 1972 zog man in den kleinen Saal des Kurhauses um. Bei Kreis- und Landesschauen erzielten die Züchter mit ihren Tieren häufig erste Preise.
Mitte 1971 erfolgte die dritte Namensänderung seit Gründung, 1972 wurde der Bau des Vogelparks am Ohrsberg beschlossen. Die Stadt bewilligte einen Zuschuss von 15.000 D-Mark. An Ostern 1974 wurden die ersten beiden Volieren im Vogelpark besetzt. Nach und nach wurde erweitert, Sittiche, Fasane & Co. zogen ein. Doch auch vor Vandalismus- und Diebstahlsschäden war man nicht gefeit.
Der Verein ist nach über 130 Jahren nun also Geschichte. Ebenso wie der deutlich jüngere Vogelpark und etliche Eberbacher Firmen, die im Jubiläumsheft Werbung machten. Darunter das Einrichtungshaus Herrmann, die Heizungsfirma Raunser, das Edeka-Geschäft Bach oder das Gasthaus "Kühler Krug".