Schon 2012 hatte es Überlegungen gegeben, das Dr.-Schmeißer-Stift in eine Genossenschaft einzubringen. Der Vorschlag beinhaltete allerdings auch den Verkauf der beiden oberen Etagen. Foto: Rainer Hofmeyer
Von Rainer Hofmeyer
Eberbach. Das Schmeißer-Stift nicht abreißen, nicht verkaufen, sondern für Betreutes Wohnen sanieren und umbauen, in einer Genossenschaft weiterführen – die Mitglieder des Vereins Stiftung Altersheim haben ihrem Vorstand den Auftrag gegeben, eine Expertise von Fachleuten einzuholen, ein Genossenschaftsmodell zu entwickeln und durchzurechnen. Was jetzt als mögliche Lösung aus dem Dilemma um das vergammelnde Haus rüberkommt, ist allerdings so neu nicht. Die Idee ist acht Jahre alt.
Nur kam das Modell in Mitgliederversammlungen des Vereins nie zur Sprache, obwohl man es bereits im Vorstand noch unter Bürgermeister Bernhard Martin kannte. Es wurde lediglich außerhalb des Vereins vorgestellt.
Was vor Jahren entwickelt wurde, könnte heute eine Checkliste für die Fünf-Personen-Vereinsführung um Hans Wipfler sein. 2012 brachten zwei Experten die Idee einer Genossenschaft für das Schmeißer-Stift ins Spiel, ein Bau- und ein Finanz-Fachmann. Der eine hatte in den 1960er-Jahren die Statik des Gebäudes zu verantworten, der andere hatte selbst viele Jahre eine ertragreiche Genossenschaft geführt: Diplom-Ingenieur Robert Moray und der ehemalige Chef der Volksbank Neckartal eG, Herbert Hinterschitt. Selbstverständlich hat der frühere Banker vor allem die finanzielle Machbarkeit durchgerechnet.
Dass ein Neubau des Dr.-Schmeißer-Stifts schon allein aus bautechnischen Gründen sinnlos ist, betont Moray bereits seit Ende 2011. Da war gerade die Wut in der Bevölkerung darüber hochgekocht, dass dem Bau in der Luisenstraße nach fast 40 Jahren das Aus drohte. Das 1972 fertiggestellte Altersheim steht auf feuchtem, schwabbeligem Untergrund des ehemaligen Nägelsees, auf eine schwimmende Betonwanne gesetzt.
Statiker Moray erläutert, dass das einen halben Meter dicke Fundament exakt auf das Volumen des jetzigen Hauses austariert ist. Die Wände mussten abwechselnd hochgezogen werden, sodass die Konstruktion nicht schwankte. Ein neues Fundament ist unerschwinglich. Nach Baurecht dürfte ein neues Haus zudem nicht mehr die bisherige Höhe haben.
Altstadtrat Moray und Volksbank-Pensionär Hinterschitt kamen anlässlich einer Veranstaltung des CDU-Ortsverbandes zusammen. Der machte das Schmeißer-Stift anfangs des Wahljahres 2012 zum Thema seines ersten Montagsforums. Hinterschitt trug sein Modell auf der Basis der seinerzeitigen Preise und Kosten vor. Die Sanierungs- und Umbaukosten schätzte er auf 7,2 Millionen Euro - heute rechnet man mit neun Millionen Euro. Den Restwert der Immobilie taxierte Hinterschitt auf 400.000 Euro. Treffsicher, denn er war früher Gebäudeschätzer.
7,6 Millionen wären also durch die Genossenschaft aufzubringen. Das nötige Eigenkapital in Höhe von 1,5 Millionen Euro hat der Verein Altersheim heute auf dem Konto. Hinterschitts Berechnungen zur Anzahl und Höhe der Genossenschaftsanteile sind immer noch beeindruckend. Es müssten 3000 Anteile mit jeweils 500 Euro gezeichnet werden - schon damals als unrealistisch bewertet. Statt einmal rund 500, hat der Verein heute 347 Mitglieder.
Hinterschitt sah eine Lösung nur, wenn sich sehr großzügige Gönner beteiligen würden. Die 2012 noch angedachte Möglichkeit, dass auch die Stadt Genossenschaftsanteile kauft, scheidet inzwischen aus – die öffentliche Hand macht nicht mehr mit.
Ohne den Verkauf des fünften Geschosses mit hochwertigen Eigentumswohnungen und der Veräußerung der Dachgeschosswohnung als Penthouse sah Hinterschitt das Projekt als nicht realisierbar an.
1,7 Millionen sollte der Verkaufserlös betragen. Hinterschitt hatte 2012 sogar schon einen Käufer für die Top-Wohnung in petto. Vor acht Jahren waren die Kredite teurer als heute. Für Zinsen und Tilgung setzte Hinterschitt 20.500 Euro monatlich an. Bei Mieteinnahmen zwischen 22.000 Euro und 25.000 Euro im Monat rechnete sich das. Acht oder neun Euro Miete pro Quadratmeter wurden in den betreuten Wohnungen angenommen.
Mit dem Verkauf von Gebäudeteilen kann sich die jetzige Vereinsführung nicht anfreunden, allenfalls als "Plan B".
Vereinsvorsitzender Hans Wipfler kommt von der Bürgerinitiative Schmeißer-Stift BISS. Deren Mitglieder hatten in ihrer Anfangszeit 2012 einige Einrichtungen für Betreutes Wohnen besichtigt, bei denen Gebäudeteile in Privatbesitz sind. Dort hatte es aber immer wieder Probleme bei Eigentümerversammlungen gegeben, wie man heute erinnert.
Morays Credo, auf keinen Fall neu zu bauen, und Hinterschitts Plan als Genossenschaftsexperte wurden am 23. April 2012 bei der CDU vorgebracht. In der überaus zahlreichen Zuhörerschaft saß mit dem ehemaligen Stadtjustiziar Lothar Jost ein Mitglied des Vorstandes des Altersheim-Vereins. Doch der Funke der Genossenschaftsidee sprang auch in der Folgezeit nicht dorthin über. Volksbank-Pensionär Herbert Hinterschitt wurde auch später nie mehr auf seinen Vorschlag angesprochen.
Am 11. Mai 2012 versammelte man sich unter Bürgermeister Martin in der Stadthalle. Den über 400 anwesenden Vereinsmitgliedern wurden fünf verschiedene Varianten gezeigt, vom Umbau des Schmeißer-Stifts bis zu Abriss und Neubau. Es wurde auch von einem Ärztehaus mit Cafeteria und betreuten Wohnungen gesprochen, sogar von Gewerbe.
Allein die Vorbereitung der Präsentationen hatte 100.000 Euro gekostet.
Ein Genossenschaftsmodell wurde weder bei dieser Veranstaltung noch in einer späteren Mitgliederversammlung präsentiert – bis vor wenigen Wochen der aktuelle Vereinsvorstand seinen "vielversprechenden Lösungsansatz" hervorbrachte.