Zum 85. Geburtstag

Warum Weinheim für Ingrid Noll mehr als ein Wohnort ist

Ihre Weinheimer Mitbürger loben sie in den höchsten Tönen - auch als Mensch

28.09.2020 UPDATE: 29.09.2020 06:00 Uhr 2 Minuten, 32 Sekunden
Ingrid Noll und Weinheim: Das hat – salopp formuliert – immer gepasst. So ließ sich die „Lady of Crime“ 2004 bei der echten Polizei im Revier am Hauptbahnhof die Arbeit der Beamten erklären. Foto: Kreutzer

Von Philipp Weber

Weinheim. Es muss um das Jahr 2004 gewesen sein. Silvia Mayer hatte gerade die Buchhandlung Schäffner übernommen. Eine Mitarbeiterin teilte ihr mit, dass Ingrid Noll in das Traditionsgeschäft in der Hauptstraße kommt. "Ich erstarrte vor Ehrfurcht", so Mayer. Sie habe nichts verkehrt machen wollen im Umgang mit der Bestsellerautorin und "Lady of Crime". Doch die Buchhändlerin durfte eine Erfahrung machen, die sie mit vielen Weinheimern teilt: "Ingrid Noll war vom ersten Moment an herzlich und humorvoll, das hat mir jede Kontaktscheu genommen", so Mayer. Seither habe die Autorin der Buchhändlerin "jeden Wunsch" erfüllt. So war Mayer auch zu Gast in Nolls "verwunschenem Haus" in der Nordstadt, wo es stets einen frisch gebrühten Kaffee gab. Mayer lässt der Autorin schon einmal auf diesem Wege ihre allerherzlichsten Glückwünsche zukommen: Ingrid Noll wird am Dienstag 85 Jahre alt.

2015 beim Stadt-Lesen. Foto: Kreutzer

Auch andere bestätigen, dass Weinheim für Ingrid Noll mehr ist als ein Wohnort – und die Autorin eine Vielzahl an Initiativen unterstützt. Andreas Marg, Vorsitzender des Fördervereins "Leben mit Demenz Weinheim", saß erst kürzlich mit Noll und weiteren Teilnehmern auf dem Podium der Stadtbibliothek. Die Runde sprach über die Erkrankung, von der auch Nolls Mutter betroffen war, und stellte Literatur zum Thema vor. "Als wir die Veranstaltung vorbereitet haben, ist sie sehr pünktlich gekommen und hat von ihren persönlichen Erfahrungen berichtet", so Marg. Es habe ihn tief beeindruckt, mit wie viel Stärke, aber auch Witz sich Noll dem Leben und dessen Problemen stellt.

"Dabei sitzt ihr aber doch immer der Schalk im Nacken. Und die Eigenschaft, sich einfach mal die eine oder andere Freiheit zu nehmen", so Marg. So trug Noll zunächst einen Text zum Thema des Abends vor. Dann überraschte sie das Publikum mit einem eigenen Manuskript, das inhaltlich nichts mit dem Anlass zu tun hatte – aber die Besucher seien angetan gewesen, so Marg.

Der Stadtrat und Nordstädter läuft Noll gar nicht so selten über den Weg: Seine Frau und er hätten die Bestsellerautorin in den vergangnen Jahren öfter im Einkaufsmarkt in der Bergstraße getroffen. Auch beim Einkauf in der eigenen Nachbarschaft sei Noll nahbar und für die eine oder andere witzige Bemerkung gut.

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Auch Stephanie Koch, Leiterin der Stadtbücherei in Weinheim, kann nur Gutes berichten. Ingrid Noll wirke geistig sehr jung, bis heute: "Sie ist spritzig, schlagfertig, tritt gern in den Austausch mit anderen." Die Zusammenarbeit mit der Autorin sei sehr angenehm.

2008 traf die RNZ Noll zum Gespräch in deren Garten in der Nordstadt. Foto: Kreutzer

Der einzige, der in diesem Zusammenhang ein Wort des Bedauerns verliert, ist Paul Herrmann. Das liegt nicht an der Person Ingrid Noll, sondern an an einer ausgefallen Veranstaltung: So hätte Noll am 26. März in der Beltz-Buchhandlung auftreten und ihr neues Werk ("In Liebe Dein Karl") vorstellen sollen. Die Veranstaltung fiel Corona zum Opfer. Die Lesung musste "auf unbestimmte Zeit" verschoben werden. Erfahrungsgemäß wollen um die 120 Interessierte Ingrid Noll sehen, das ist in diesen Zeiten zu viel für eine Buchhandlung.

Über Noll sagt Herrmann, seit 2019 Leiter der Buchhandlung, im Grunde nichts Neues: Sie sei eine sehr nette, höfliche, sympathische Frau. "Manchmal wirkt ihr Humor etwas resolut", ergänzt er auf Zuruf aus dem Hintergrund: "Dies aber im positiven Sinne", fügt er hinzu: "Eben eine echte Lady." Und auch für diese Buchhandlung sei Noll kaum ein Weg zu weit und keine Signatur zu viel, betont er.

Eine Würdigung kommt von hoher Stelle: "Ingrid Noll ist eine ausgezeichnete Botschafterin der Stadt Weinheim, wir sind sehr stolz, glücklich und geehrt, dass sie gerne Weinheimerin ist und sich stark mit ihrem Umfeld und ihrer Heimatstadt identifiziert", so OB Manuel Just: "Ich möchte dieser liebenswürdigen und klugen Frau sehr herzlich zu ihrem Geburtstag gratulieren, aber den Anlass auch nutzen, ihr herzlich zu danken für viele positive Botschaften über unsere Stadt sowie den einen oder anderen Ehrenplatz in einem ihrer Romane." Ingrid Noll sei zur Stelle, um für Weinheim zu werben, wenn die Stadt rufe, so der Oberbürgermeister. Dass eine Literatin zu den bekanntesten Bürgern Weinheims gehört, passe zum hohen Anspruch der Stadt als Bildungsstandort, "denn Menschen wie Ingrid Noll bringen die Leute zum Lesen".

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