Weinheim

Wird der Land- zum Solarwirt?

Der Gemeinderat votierte im Grundsatz für Fotovoltaik auf Freiflächen. Zwei Projekte lehnte er aber ab.

18.11.2021 UPDATE: 19.11.2021 06:00 Uhr 2 Minuten, 40 Sekunden
Felder an der A 659: Der Strom fließt erst mal weiter hoch über den Äckern. F.: Kreutzer

Weinheim. (cis) Am Ende der langen Debatte war es eine "Ja, aber"-Entscheidung, die der Gemeinderat am Mittwoch fällte. Grundsätzlich ist man offen für die Prüfung von Fotovoltaikanlagen auf Freiflächen, die zwei konkret angefragten Projekte aber lehnte das Gremium ab. Zwei Landwirte wollten unabhängig voneinander auf landwirtschaftlichen Flächen von 9,2 beziehungsweise 5,3 Hektar Größe, die in unmittelbarer Nähe zu den Autobahnen A 659 und A 5 liegen, Anlagen installieren: die eine als herkömmliche Anlage in Bodennähe, die andere sollte als Agri-Fotovoltaikanlage in drei Metern Höhe entstehen.

OB Manuel Just sagte eingangs, dass die Verwaltung durchaus Chancen für eine Realisierung sehe, auch wenn allein das Verfahren für einen vorhabenbezogenen Bebauungsplan hier nicht greife. Die Projekte brächten auch Änderungen des Regionalplans mit sich. "Wir würden nicht ins Verfahren gehen, wenn wir nicht glaubten, dass wir es hinbekommen", zeigte er sich aber zuversichtlich – und weiterhin überzeugt von den Möglichkeiten der Freiflächen-Anlagen. Für ihn sind diese maßgeblich für das Erreichen der Klimaziele und das Voranbringen der Erneuerbaren Energien. Auch Erster Bürgermeister Torsten Fetzner bezeichnete das Vorgehen als "Königsweg".

Dem widersprach Thomas Ott (CDU): "Der Königsweg wäre, bebaute Flächen zusätzlich mit Fotovoltaik zu versehen." Ott zielte auf die Diskussion um die Nutzung von Dächern ab, für die sich seine Fraktion genauso wie SPD, FDP und Stadträtin Susanne Tröscher, aber auch die Freien Wähler einsetzten. Dazu gehört auch die Überdachung von großen Parkflächen und die Ausstattung dieser Überdachungen mit Solaranlagen.

Zur Bebauung von Dächern gebe es vonseiten der Regierung weiter keine Verpflichtung, sah Just der Kommune die Hände gebunden. Und in der Kürze der Zeit, die der Klimawandel lasse, wäre es auch nicht umsetzbar, so der OB.

Denkbar knappe Entscheidung

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Energie auf Dächern produzierten zudem eine weitaus geringere Menge Strom als eine Freiflächenanlage, entsprechend brauche es dann wesentlich mehr Fläche für eine greifende Energiewende, pflichtete ihm die GAL bei.

Seitens der SPD gab es eine klare Forderung, Fotovoltaikanlagen auch auf den Dächern der Altstadt zuzulassen. Hier gebe es derzeit ein Verbot. Im Gerberbachviertel seien kaum effektive Nutzungsmöglichkeiten für die Anlagen vorhanden, verteidigte sich Fetzner, wenngleich er einräumte, dass der Konflikt zwischen Denkmalschutz und Fotovoltaikanlagen einer Lösung bedürfe. Kritik kam von ihm in Richtung der Weinheimer Landwirte. Von denen waren nicht alle begeistert von den Plänen der Berufskollegen.

"Der Landwirt wird zum Solarwirt", brachte Karl Bär (FDP) die Bedenken der organisierten Bauern auf den Punkt. Andere Fraktionen forderten, dass man diese mitnehmen müsse. Dann müssten aber auch sachliche Gespräche mit der Verwaltung erfolgen statt des Schreibens von Leserbriefen, zeigte sich Fetzner unzufrieden über die Austragung des Konflikts in der Öffentlichkeit. Er verneinte zudem das Argument, dass die Flächen der Landwirtschaft entzogen würden: "Es sind zwei Landwirte, die es umsetzen."

Bemängelt wurde einmal mehr, dass keine Nahrungsmittelproduktion mehr stattfinde. Stadträtin Susanne Tröscher zeigte sich besorgt: Wenn man den Einstieg in die Freiflächen-Fotovoltaik ermögliche, "werden viele Landwirte aufhören, Landwirte zu sein und Nahrungsmittel zu produzieren." Elisabeth Kramer (GAL) sah das mit Blick auf die Weidehaltung von Kühen und Schafen anders: "Für viele Menschen sind auch das Nahrungsmittel."

Das Geld war ein weiterer Punkt. Günter Bäro (Freie Wähler) konstatierte, dass man auch Landwirte als Unternehmer sehen müsse. "Es geht nur ums Geld", sah Karl Bär derweil in Anbetracht hoher Pachten das Dollarzeichen in den Augen der Bauern, das Beispiel könne Schule machen, so die Meinung der FDP. "Geld zu verdienen, ist keine Schande", konterte Fetzner. Die Diskussion im Gemeinderat spiegelte somit das gesamte Für und Wider der Argumente, die Fraktionsmeinungen waren so gespalten wie in den Vorberatungen des technischen Ausschusses vergangene Woche. Ein klares Ja gab es weiter von der GAL, auch Freie Wähler und Linke standen den Projekten positiv gegenüber. Gegenwind gab es aus den Reihen von CDU, SPD und FDP.

Am Ende stellte sich eine Mehrheit hinter eine grundsätzliche Offenheit gegenüber Fotovoltaikanlagen auf Freiflächen, zu der auch die Stimme von OB Just betrug. Die Prüfung der zwei angefragten Projekte aber scheiterte gegen den Verwaltungswillen denkbar knapp mit 16 zu 16 Stimmen: Ein Unentschieden reicht nicht für eine Änderung des Status quo.

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