Unter anderem Bettina Latsch, eine von zwei Geschäftsführerinnen des AWO-Kreisverbands Rhein Neckar in Weinheim, Öffentlichkeitsbeauftragte Heike Wirsching und Abteilungsleiterin Jennifer Hohmann (v.l.) stellten in der AWO-Kreativwerkstatt die Arbeit ihres Verbands vor. Foto: Dorn
Von Günther Grosch
Weinheim. Rund sechs Monate nachdem die Corona-Krise Deutschland erreichte, hat auch bei der Arbeiterwohlfahrt (AWO) Rhein-Neckar so etwas wie eine neue Normalität Einzug gehalten. Der Wohlfahrtsverband, dessen "Kerngeschäft" der Kontakt zu und mit Menschen ist, musste neue Wege finden, um mit den Einschränkungen durch die Pandemie so umzugehen, dass all die, die auf Hilfe, Unterstützung und Betreuung angewiesen sind, weiter gut versorgt werden. Die RNZ hat im Zuge ihrer Sommerserie "Im Einsatz für Weinheim" mit den Verantwortlichen gesprochen.
Die Angebote der Sozialpsychiatrie: "So unterschiedlich die Dienstleistungen der AWO sind, so unterschiedlich war auch die Art und Weise, mit der reagiert wurde", beschreibt die Abteilungsleiterin der Sozialpsychiatrie II, Manuela Schneider-Kapp. Dabei galt es, Gesundheitsschutz und Hygienevorschriften Rechnung zu tragen und gleichzeitig die Klienten durch die verunsichernde Situation zu begleiten.
Der große, in zwei Abteilungen gegliederte Bereich der Sozialpsychiatrie umfasst Angebote von der Beratung über ambulante Betreuungsangebote bis hin zu stationärem Wohnen. Darüber hinaus bietet die AWO in ihren Räumen in der Burggasse Menschen mit einer psychischen Erkrankung eine Tagesstruktur an: in Form von Arbeitstherapie und Gruppenangeboten. Überall dort mussten die Mitarbeiter Fantasie und Kreativität walten lassen. Beratungsgespräche fanden im Freien statt, Mitarbeiter und Klienten erkundeten die Umgebung. Telefonkontakte wurden intensiviert, E-Mail und SMS verstärkt genutzt. Die Verantwortlichen der Arbeitstherapie lieferten Materialien nach Hause und holte sie auch wieder ab.
Nach der ersten Phase der Pandemie konnten die Klienten unter Einhaltung der Hygiene- und Abstandsregeln die Räume der AWO wieder aufsuchen und gruppentherapeutische Angebote nutzen. Dies bedeutete für Mitarbeitende wie Klienten eine enorme Entlastung, sagt die Abteilungsleiterin. Die in dieser Zeit zum Tragen gekommene Solidarität, das Engagement und die Kreativität würden indes allen im Gedächtnis bleiben. Nicht zu vergessen die Kostenträger, die der AWO eng zur Seite gestanden seien.
Die Schulbegleitung: In einem anderen wichtigen Einsatzgebiet der AWO, der Schulbegleitung für Kinder mit einer Behinderung, unterstützten die Schulbegleiter "ihre" Kinder während der Schulschließungen online beim Homeschooling oder berieten sie und die Eltern telefonisch. "Das Ergebnis ist, dass der Großteil der Menschen sich trotz vorhandener Ängste hervorragend betreut fühlte", so Abteilungsleiterin Schneider-Knapp.
Die Kinderbetreuung: Darüber hinaus hat die Pandemie in der AWO-Kinderbetreuung zu erheblichen Einschnitten geführt. Im Zuge des Shutdowns mussten alle Kitas kurzfristig schließen. Die Eltern standen vor Herausforderungen: die Unsicherheit im Beruf, dazu nicht selten Homeoffice, Kurzarbeit und gleichzeitig die Betreuung der eigenen Kinder. Kindergärten, Spielplätze, Schwimmbäder und andere Freizeitaktivitäten standen ebenso plötzlich nicht mehr zur Verfügung. Hinzu kam die Frage, wie lange der Shutdown dauert.
Auch für die AWO stellte dies eine schwierige Situation dar, weil die Vorgaben des Landes erst sehr spät ankamen, schildert Sven Immenroth, Abteilungsleiter Kinder und Jugend: "Während öffentlich Änderungen zum Lockdown ab einem bestimmten Datum angekündigt wurden, lagen Gesetze oder Vorgaben zur konkreten Umsetzung oft noch in zeitlich weiter Ferne." Dies führte zu Unklarheiten über den Verlauf der kommenden Tage und Wochen und belastete die Kommunikation mit den Eltern, die Klarheit benötigten.
"In dieser Situation erlebten wir die Eltern als sehr konstruktiv und verständnisvoll", lobt Immenroth. Denn gerade im Kontext der Lockerungen hin zu einer erweiterten Notbetreuung kam es zu schwierigen Situationen mit Blick auf die weitere Betreuung von Kindern, weil Eltern Ansprüche geltend machten und dadurch der aktuell belegte Platz eines Kindes in Gefahr geriet. Meist sei es gelungen, Kompromisse zu finden und notwendige Betreuungen zu gewährleisten. Von der Notbetreuung der Kinder von Eltern in systemrelevanten Berufen zur erweiterten Notbetreuung bis hin zur Rückkehr in den Regelbetrieb unter Pandemiebedingungen wurde die Betreuung nach und nach erhöht. Bei den Kindern, die Freunde und Erzieher vermissten, war die Freude groß, als sie wieder in "ihrer" Kita spielen durften.
Dass auch die kommenden Monate eine große Herausforderung darstellen, ist allen Beteiligten klar, weil der Regelbetrieb weiter gesetzlichen Anforderungen und Einschränkungen unterliegt. "Oberste Zielsetzung der Erziehungspartnerschaft bleibt, dass wir den Eltern eine verlässliche Betreuung anbieten und den Kindern größtmögliche Stabilität und Sicherheit gewährleisten", so Immenroth.
Das Trainingswohnen: Auch im Trainingswohnen der Abteilung "Behindertenhilfe/Wohnen für Menschen mit einer geistigen und oder körperlichen Behinderung" brachte die Corona-Zeit Herausforderungen. Viele Bewohner konnten wegen ihrer geistigen Behinderung zunächst nur schwer begreifen, was um sie herum passiert und welche neuen Regelungen künftig gelten. Daher wurden in einfacher Sprache die Hygiene- und Abstandsregelungen besprochen und anhand von Experimenten gezeigt, warum es so wichtig ist, sich regelmäßig die Hände zu waschen. Abends schaute man die Nachrichten und ordnete gemeinsam die Entwicklungen ein. "Die Bilder halfen, den Ernst der Situation zu verstehen", so Abteilungsleiterin Jennifer Hohmann.
Zusätzlich mussten alternative Angebote her, damit sich die Bewohner während des Lockdowns die Zeit vertreiben konnten. Dazu zählten an Yoga angelehnte Übungsstunden, Playstation-Wettkämpfe, Bastelangebote, Gesellschaftsspiele oder das Gestalten des Balkons. "Eigentlich bereiten sich die dort Wohnhaften mit Anleitung ihr Essen selbst zu", so Hohmann. Um aber die Hygienevorgaben umzusetzen, wurden die Mitarbeiterinnen kurzerhand selbst zu Köchinnen.
Dass es nicht immer einfach ist, den Bewohnern einen positiven Blick in die Zukunft zu vermitteln, verhehlt Hohmann nicht. "Ebenso wenig wie die Tatsache, selbst Gedanken um die Gesundheit der Bewohner in sich zu tragen." Dennoch habe man die bisherige Zeit "sehr gut gemanagt".