Die Weinheimer Mevlana-Moschee bei Sonnenuntergang: Die Geschichte des Gotteshauses umfasst – großzügig gerechnet – fast ein Vierteljahrhundert. Foto: Dorn
Von Philipp Weber
Weinheim. Das Ansinnen der Weinheimer Moscheegemeinde wirkt auf den ersten Blick harmlos: Die Gemeinde wollte das sonst rein symbolisch interessante Minarett der Mevlana-Moschee in der Nordstadt zur Wortverkündung nutzen. Gläubige hätten diesen Wunsch an die Verantwortlichen herangetragen, da es in Corona-Zeiten schwierig ist, alle im Gebäudeinneren zu erreichen, so ein Gemeindevertreter gegenüber der RNZ.
Geführt hat dieses Anliegen unter anderem zu einem Gespräch im Rathaus, zu dem neben dem Moscheeverein, den Stadtspitzen und Vertretern des Baurechtsamts auch die Sprecher der Ratsfraktionen eingeladen waren. Das Gesprächsergebnis und der Einstiegssatz der darauf folgenden Pressemitteilung sind wohl weitgehend identisch: "Laute Gebete vom Minarett der Weinheimer Moschee sind nach wie vor nicht zulässig und werden auch nicht geduldet." Laut Mitteilung besteht kein Zweifel daran, dass die Stadt Weinheim das Recht auf ihrer Seite hat.
Auch die Moscheegemeinde will dies akzeptieren: "Wir leben in einer Demokratie, und wenn die gewählten Stadtspitzen auf Anfrage sagen, dass etwas nicht geht, nehmen wir das hin", so der Gemeindevertreter. OB Just wiederum betont, dass die Stadt Weinheim den türkisch-islamischen Moscheeverein nach den Grundsätzen von Gleichbehandlung und Rechtsstaatlichkeit behandle. Es werde "keine Ressentiments gegen Religionen und Glaubensrichtungen" geben, die Religionsfreiheit bleibe unangetastet: "Wir hoffen und wünschen, dass das Verhältnis zur Moscheegemeinde so gut bleibt, wie es in den letzten Jahren war."
Um zu verstehen, warum dafür eine Art sommerlicher Krisengipfel nötig war, bedarf es eines Blicks in die Geschichte des Moscheegebäudes in der Nordstadt. Denn die war keineswegs ausschließlich von Harmonie geprägt.
> Die Geschichte der "Dtitb Türkiyem Mevlana Moschee" beginnt tief in den 1990er Jahren. Der Bauantrag zur Errichtung des Gebäudes erreicht die Stadt Weinheim 1996. Der Bürgermeister heißt damals Uwe Kleefoot (SPD), einige der heute Verantwortlichen drücken noch die Schulbank.
> 1997 erteilt die Stadt Weinheim die Baugenehmigung. Die Errichtung eines Minaretts wird allerdings ausdrücklich untersagt.
> Die Bauarbeiten an einem Minarett müssen 1998 eingestellt werden, da diese weiterhin als rechtswidrig eingestuft werden.
> Die Inbetriebnahme des Moscheegebäudes erfolgt 2001. Damit erreicht der Rückblick dieses Jahrtausend. Aus aktuellem Anlass geht es hierbei nur um die Minarett-Thematik – nicht um die positiven Aspekte der Gemeindearbeit: So ist die Moscheegemeinde in vielen sozialen Netzwerken Weinheims vertreten.
> Ein weiterer Bauantrag geht 2006 bei der Stadt Weinheim ein. Die muslimische Gemeinde will (erneut) ein Minarett an ihre Moschee bauen lassen.
> In der darauf folgenden Zeit genehmigt die Stadt die Errichtung des Minaretts. "Damals lag eine Rechtsprechung vor, laut der ein Minarett durchaus zu einer Moschee gehört, wenngleich nur als Symbol- und nicht als Zweckbau", erklärt Stadtsprecher Roland Kern. Die Verwaltung lässt – mit Einverständnis der Moscheegemeinde – aber festschreiben, dass es keine Wortverkündung vom Minarett aus gibt. Sie nutzt dafür das rechtliche Instrument der "Baulast".
> Als Jahr des großen Eklatsgeht 2010 in die Weinheimer Moscheegeschichte ein. Bei einer Baukontrolle wird entdeckt, dass das eigentlich symbolisch gedachte Minarett über eine Wendeltreppe verfügt. Das ist mindestens verwunderlich, könnten für Reparatur- und Wartungsarbeiten doch auch Gerüste benutzt werden. Außerdem ist die Treppe keineswegs Bestandteil der Baugenehmigung. In der benachbarten Nordstadt kommt es zu Protesten. Zeitzeugen erinnern sich, dass der Konflikt einige Bürger hochgradig emotionalisiert hat.
> Unter anderem, um die Lage zu deeskalieren, wird eine Moscheebaukommission eingesetzt. Darin sollen sich Verwaltung, Lokalpolitik und Moscheeverein konstruktiv auseinandersetzen. Als wichtiges Bindeglied zwischen den gläubigen Muslimen und der Verwaltung erweist sich Helmut Schmitt, der damalige Ausländerbeauftragte der Stadt Mannheim.
> Im Ergebnis verpflichtet sich die Moscheegemeinde, das Minarett nicht für die Wortverkündung zu nutzen. Die Kommission entwickelt eine Empfehlung, die der Gemeinderat annimmt. Minarett und Treppe bleiben, wo sie sind. Bis heute.