Von Günther Grosch
Weinheim. Die Corona-Pandemie und die Maßnahmen zu deren Eindämmung haben die Arbeit des Caritasverbands für den Rhein-Neckar-Kreis weitreichend beeinflusst. "Wir mussten unsere Dienste und Angebote für Rat- und Hilfesuchende in kürzester Zeit den Hygieneregelungen anpassen und dabei große Rücksicht auf Mitarbeiter und Klienten nehmen", sagt die Geschäftsführerin, Susanne Rohfleisch. Schließlich zählen sehr viele Hilfesuchende, aber auch Angestellte und Ehrenamtliche zur Risikogruppe. Der Caritasverband unterhält am Standort Weinheim den Caritas-Sozialdienst, den Migrationsdienst, das Integrationsmanagement, die Schwangerschaftsberatung, die Wohnungslosenhilfe, das Betreute Wohnen für Wohnungslose und den Tafelladen "Appel und Ei". Außerdem ist der Verband Träger der Caritaswerkstatt in Weinheim, die für Menschen mit Behinderungen da ist.
> Die Beratungsangebote. "In den ersten Tagen nach dem Lockdown Mitte März ist die Nachfrage zunächst zurückgegangen, obwohl die Beratungsstelle zu keinem Zeitpunkt geschlossen war", erinnert sich Alexandra Riester, verantwortlich für den Standort Weinheim. Die Beratung wurde bis Mitte Mai aufs Telefon verlagert. Anträge für Behörden, etwa Eltern- oder Kindergeld wurden ebenfalls am Telefon bearbeitet, Unterschriften per Post eingeholt. "Wir haben versucht, Hilfe und Unterstützung unbürokratisch anzubieten und dabei eng mit den Weinheimer Behörden zusammengearbeitet", so Riester. Wo das Telefon nicht zum Ziel führte, wurde in Ausnahmefällen eine persönliche Beratung organisiert, "unter strenger Einhaltung der Hygienevorschriften, versteht sich". "Die Berater nahmen in dieser ersten Phase des Lockdowns eine sehr große Verunsicherung und Angst unter den Klienten wahr", verdeutlicht Riester.
Einige Menschen trauten sich nicht mehr aus dem Haus. Einen Großteil des Tags auf engem Raum zu verbringen, führte zu Konflikten in Familien. Vor allem Kinder waren betroffen. Die Aufgabe der Sozialarbeiter bestand darin, gegenzusteuern und darüber aufzuklären, dass Spielen im Freien in Ordnung ist, sofern sich die Abstandsregeln einhalten lassen.
> Die Wohnungslosenhilfe. Völlig anders stellte sich die Problematik im Bereich der Wohnungslosenhilfe dar. Das in dieser Zeit postulierte Motto "Wir bleiben zu Hause" war für Menschen, die keins haben, nicht umsetzbar. Die Tagesstätte für Wohnungslose, die für viele als Ersatzwohnzimmer fungiert, schloss am 17. März. "Die ersten Wochen der Schließung waren geprägt von einem hohen Organisationsaufwand, da geregelte Abläufe nicht mehr griffen und neue Wege gefunden werden mussten", erinnert sich Benjamin Weis, Mitarbeiter der Wohnungslosenhilfe.
Die elementare Versorgung mit Lebensmitteln, Wäsche- und Hygieneartikeln wurde umgestaltet. Durch Groß- und Kleinspenden wurde zügig eine kontaktlose Lebensmittelausgabe initiiert. Seitdem gaben die Helfer Hunderte Lebensmitteltüten an Wohnungslose aus, täglich gab es zwischen zehn und 20 Mittagessen "To Go". Angesichts der Schließung zahlreicher öffentlicher Einrichtungen und Bäder war es darüber hinaus wichtig, dass die Tagespflege den Obdach- und Wohnungslosen zur Körperpflege zur Verfügung stand, wobei auch Virusschutzmaßnahmen getroffen wurden.
Trotz der Schließung vieler Behörden und Einrichtungen habe man für die Betroffenen pragmatische Lösungen erreicht, weisen die Helfer auf ihre Bemühungen um Sozialleistungen oder Notunterbringungen hin. Laut Weis wäre das ohne die vielen Spenden aber unmöglich gewesen. "Wir hoffen, dass uns diese Spender auch in Zukunft treu bleiben und eine Weiterführung des Corona-Betriebs ermöglichen", hofft er.
Obwohl die Basisversorgung gewährleistet war, fehlten die Begegnungen. Viele Klienten seien in alte Verhaltensmuster wie Depression oder Sucht zurückgefallen: "Deshalb denken wir über alternative Möglichkeiten der Begegnung für wohnungs- und obdachlose Menschen nach."
> Das Betreute Wohnen. Für viele Klienten des von der Caritas Rhein Neckar angebotenen Betreuten Wohnens bedeuteten Corona und Lockdown eine schwierige Zeit. Dies berichtet Ellen Herzhauser, ebenfalls Mitarbeiterin der Wohnungslosenhilfe. Die Wohnverhältnisse seien oft sehr beengt und Hausbesuche sowie Beratungsgespräche im Büro waren anfänglich gar nicht möglich. Zudem bedeutete die Einschränkung der sozialen Kontakte für viele eine noch weitreichendere Isolation, was die psychische Situation einiger weiter verschärfte.
"Wir haben anfänglich vor allem per Telefon Kontakt gehalten und ab Mitte April alternative Beratungssettings genutzt, etwa Spaziergänge oder Treffen auf dem Alten Friedhof, dessen beruhigende Atmosphäre den Klienten guttat." Zunächst fanden die Spaziergänge oder Gespräche im Freien mit Maske und Mindestabstand statt. Inzwischen sind die Beratungen unter Einhaltung der Hygieneregeln wieder im Büro. Seit Mitte Juli hat sich der Arbeitsablauf im Betreuten Wohnen wieder annähernd normalisiert.
> Der Tafelladen. Nicht zuletzt stellte die Pandemie den Betrieb des Tafelladens in der Bergstraße vor Herausforderungen. Vor allem das Vorsortieren der Lebensmittel war in dem kleinen Lagerraum hinter dem Laden nicht mit der bisherigen Personenzahl zu bewerkstelligen, schließlich musste man Abstand halten. Hinzu kam die Problematik, dass sehr viele der rund 40 Ehrenamtlichen zur Risikogruppe zählen und für den Transport ausfielen.
Die Ausgabe im Tafelladen musste für wenige Wochen eingestellt worden. Als Alternative wurden seit Mitte April an drei Wochentagen im Außenbereich vorgerichtete Lebensmitteltaschen ausgegeben. Dank zahlreicher Spenden können die Taschen seit Mitte Juli auch mit frischem Obst und Gemüse sowie Hygieneartikeln befüllt werden. Pro Ausgabetag wurden rund 200 Taschen an etwa 100 Menschen ausgehändigt. "Mit diesem Konzept wären wir für einen zweiten Lockdown gerüstet", sagt Susanne Rohfleisch.
Seit dem 27. Juli steht der Tafelladen mit leicht verkürzten Öffnungszeiten wieder zur Verfügung. Die Mitarbeiter bildeten feste Teams. "Wir mussten zunächst eine Abfrage unter den Ehrenamtlichen vornehmen, sie über die Risiken aufklären und ihr Einverständnis einholen", so Stefan Dugeorge, Leiter des Caritas-Referats "Soziale Dienste". Über den Hintereingang dürfen nun maximal drei Kunden gleichzeitig für eine begrenzte Zeit die Tafel betreten und werden per Einbahnsystem durch den Laden geleitet. Nazih Bazzi, Leiter der Tafel, hatte die Öffnung herbeigesehnt: "Ich bin sehr glücklich, dass die Menschen wieder einkaufen können."
> Die Werkstatt. Für die Caritaswerkstatt in Weinheim galt aufgrund einer eigenen Landesverordnung für Werkstätten für Menschen mit Behinderung seit Mitte März ein Betretungsverbot. Unter Hygieneauflagen konnte Mitte April eine Notgruppe eingerichtet werden. "Für alle anderen haben wir Lernpakete zusammengestellt und per Post verschickt", sagt Werkstattleiterin Kathrin Hartmann. Auch telefonisch sei man im Kontakt geblieben und konnte auch in Krisen unterstützen. "Die Klienten haben sich größtenteils schnell auf die neuen Regeln eingestellt", erinnert sich Hartmannn. Nur für Klienten mit Zwangsneurosen gestaltete sich die Einhaltung der neuen Vorschriften schwieriger.
Neben der Herausforderung, auf neue Vorgaben zu reagieren, kam bei der Werkstatt eine finanzielle Unsicherheit hinzu: "Coronabedingt ist unser Hauptauftraggeber weggebrochen", so Hartmann. Darüber hinaus gab und gibt es Unklarheiten über die Zukunft der Finanzierung über die Leistungsträger. Mitte Mai durfte die Werkstatt wieder sukzessive öffnen. Inzwischen sind fast alle wieder beschäftigt, wenn auch unter anderen Bedingungen. "Am wichtigsten ist uns, den Kontakt nicht zu verlieren und die Klienten wissen zu lassen, dass sie Ansprechpartner haben", betont Hartmann.
> Die Mitarbeiter. Caritas-Geschäftsführerin Susanne Rohfleisch lobt den Einsatz der Mitarbeiter und Unterstützer: "Als Dienstgemeinschaft sind wir sehr froh darüber, dass die Ehren- und Hauptamtlichen, aber auch die vielen Spender dazu beigetragen haben, diese Situation zum Wohle unserer Klienten und Kunden zu gestalten."