Deutlich mehr aufgestellte Tische verstellen den Flaneuren den Weg. Foto: Kreutzer
Von Philipp Weber
Weinheim. Gerald Haas und Claudia Lütin sind froh, dass es weitergeht mit den Gaststätten und Cafés am Marktplatz. Das betonen die beiden Gastronomen im RNZ-Gespräch wieder und wieder, unabhängig voneinander. "Wir freuen uns über jeden, der kommt", sagt Haas, der ergänzt, dass er nur für das "Diebsloch" spricht. Dass die Restaurants und Cafés seit einer Woche wieder öffnen dürfen, empfänden die Menschen als Erleichterung – von den Mitarbeitern gar nicht erst zu reden.
"Wir sind froh, dass wir wieder etwas tun können", unterstreicht auch Lütin von "Le Petit Café". Gerade der Sonnenschein und die Wärme hätten in der vergangenen Woche Besucher angelockt. Für eine Bilanz ist es indes noch zu früh. Auch da sind Lütin und Haas einer Meinung. Haas will noch bis Pfingsten warten, ehe er die Situation etwas ausführlicher einordnet. Lütin meint, dass es wohl Ende Juni wird, ehe sie mehr weiß. Denn trotz aller Freude über die Wiedereröffnung kann von Normalbetrieb keine Rede sein.
Zunächst können die Wirte deutlich weniger Plätze anbieten als sonst. Stichwort: Abstandsregel. Haas schätzt, dass das Platzangebot auf 40 Prozent des Normalzustands gesunken ist. Rechnet man die weggefallenen Hocker an der Theke mit, ist es noch weniger. Immerhin: Abends seien die Tische reserviert, sagt er.
Café-Chefin Lütin nennt ein weiteres Problem: die Abhängigkeit der Wirte von der Witterung. Als sich das Wetter am Freitagabend nach und nach verschlechterte, verschwanden die Gäste von der Marktplatzterrasse. Hereingekommen sei kaum einer, ebenso wenig wie am Samstagabend: "Da hatten wir hier vier Leute sitzen." Sie habe das Café an beiden Abenden um 19 Uhr geschlossen, der Betrieb wäre nicht mehr rentabel gewesen. Lütin vermutet, dass die kleine Zahl der "Drinnen"-Gäste mit der Debatte über die Gefährlichkeit von Aerosolen zusammenhängt. Dementsprechend gebannt verfolgt sie die Nachrichten über die Forschungen zum Coronavirus. "Wenn der Sommer ins Wasser fällt, müssen wir wohl wieder auf To-Go-Betrieb umstellen", sagt sie. Zumal sie aufgrund der Auflagen eher mehr Personal braucht als weniger.
Dennoch halte sie sich gern an die Abstands-Auflagen für die Tische, die Masken-Pflicht für die Bedienungen und alle anderen Auflagen, die mit der Erlaubnis zur Restaurantöffnung einhergehen: "Wir haben ja selbst ältere Verwandte, die wir schützen." Auch die Gäste zeigten Verständnis für die Schutzmaßnahmen, erklärt "Diebsloch"-Wirt Haas.
Umsonst sind die Maßnahmen allerdings nicht, ergänzt Lütin. Zunächst habe sie die Ansage bekommen, dass sie die Speisekarten und die Formulare für die Gäste ausdrucken müsse – und dass diese jeweils ausdrücklich nicht zur Wiederverwendung gedacht sind. Sie ließ die Papiere für 200 Euro drucken, wie sie sagt. Inzwischen werde jedoch mehr und mehr davon ausgegangen, dass die Berührung von Papier und anderen Gegenständen so gefährlich gar nicht sei.
Apropos Kosten-Nutzen-Rechnung: Bisher habe sie meist Verständnis gehabt für Gäste, die wenig bestellen, aber lange bleiben, so Lütin. Angesichts der Gesamtsituation stelle sich in solchen Fällen aber zunehmend die Frage, ob Gastronomen Gruppen dulden können, die stundenlang dasitzen, aber nur ein paar Tees und ein, zwei Croissants konsumieren. "Ich kenne auch Kollegen, die keine Zweierreservierungen mehr annehmen", sagt Lütin. Auf der anderen Seite bemühe sich aber auch jeder Gastronom, die nötigen Abstriche gering zu halten, um so wenige Besucher wie möglich zu verärgern.
Die GAL hatte zuletzt einen Vorschlag gemacht, um zumindest an sonnigen Tagen mehr Gäste an mehr Tische zu bekommen: So regte die Fraktion an, verstärkt Plätze und Straßenräume für die Gastronomen freizugeben – kostenlos, versteht sich. Lütin findet die Idee prinzipiell gut. In der Praxis komme es aber darauf an, wo das Platzangebot vermehrt wird. "Wenn meine Zusatztische am Roten Turm stehen, bringt mir das nichts", sagt sie: "Bis der Kellner dort ankommt, ist die Sahne verlaufen." Und ob sich die Flaneure freuen, wenn sie beim Gang über den Marktplatz auf Bedienungen achtgeben müssen? Lütin ist sich da nicht sicher.
Letztlich will sie aber nicht zu viel Trübsal blasen: "Es geht weiter, man freut sich in diesen Zeiten über Kleinigkeiten."
Die Marktplatzwirte versuchen, die Abstriche für die Gäste so gering wie möglich zu halten und die Auflagen charmant zu verpacken. Foto: Kreutzer