Ein Leben im und für den Südwesten: Die Pfälzerin Julia Philippi wuchs im Saarland auf, studierte in Heidelberg und ist Abgeordnete für den Wahlkreis Weinheim, in dessen Schlosspark sie die RNZ traf. Foto: Kreutzer
Von Philipp Weber
Bergstraße/Neckar. Es ist kaum Recherche nötig, ehe die Frage beantwortet scheint, wie Julia Philippi (58) in die Politik gekommen ist. Ihre Mutter Monika Beck war von 1990 bis 1999 Abgeordnete im Saarländischen Landtag, von 1999 bis 2005 arbeitete sie als Bevollmächtigte des Saarlandes beim Bund. Großvater Otto Eichenlaub war von 1945 bis 1947 Regierungspräsident von Hessen-Pfalz. Eine Politikerdynastie also. Oder?
Philippis Antwort überrascht: Ihr Engagement in der Dossenheimer Lokalpolitik gehe auf eine Kickerrunde zurück, in der ihr Mann Jürgen vor den Ball trat. Das Paar hat drei Kinder, die inzwischen erwachsen sind. Die Söhne leben in der Schweiz und Luxemburg. Die Tochter studiert in Heidelberg Zahnmedizin. "Wer drei Kinder hat, kennt sich in der Vereinswelt aus – und wird von den Menschen erkannt", so die überzeugte Mutter im RNZ-Gespräch, das draußen in Weinheim stattfindet: zwischen Vogelvoliere und Schlossparkweiher.
Physiker Jürgen Philippi winkte damals ab: Für ihn sei das nichts, aber seine Frau habe vielleicht Interesse. Gesagt, getan. Nachdem es im ersten Anlauf 1999 nicht geklappt hatte, zog Julia Philippi 2004 in den Dossenheimer Gemeinderat und in den Rat des Rhein-Neckar-Kreises ein. In der Kommune im nördlichen Heidelberger Speckgürtel fungierte sie elf Jahre lang als Erste Bürgermeisterstellvertreterin. Erst nach den Bürgermeister- und Gemeinderatswahlen 2019 machte sie den Weg frei für ein neues Gespann an der Gemeindespitze, den kommunalpolitischen Gremien blieb sie jedoch treu.
Sie kann die dadurch gewonnene Zeit gebrauchen. Denn Ende 2017 kam der Anruf, der vieles veränderte. Der bis dato amtierende CDU-Landtagsabgeordnete im Wahlkreis Weinheim bat Philippi, ab Anfang 2018 in seine Fußstapfen zu treten: Georg Wacker wechselte an die Spitze der staatlichen Toto-Lotto-Gesellschaft Baden-Württemberg. Als Ersatzkandidatin bei der Landtagswahl 2016 übernahm Philippi das Mandat, mitten in der Legislatur. "Von ihm wusste ich, dass Abgeordnete viel Präsenz zeigen müssen im Wahlkreis. Trotzdem wusste ich wenig darüber, was es bedeutet, so ein Mandat auszufüllen", räumt sie ehrlich ein.
Interessant sei die Arbeit in Stuttgart allemal, aber die Zeit seit Beginn des ersten Lockdown im März 2020 sei auch für Berufspolitiker intensiv, erzählt sie. Einerseits. Auf der anderen Seite habe sie in der Pandemie erlebt, dass Landtagspolitik mehr kann, als "nur" Rahmenbedingungen zu schaffen. "Wir Abgeordneten haben uns mit Kleinunternehmern und Landwirten vor Ort ausgetauscht, deren Probleme in die Fraktion eingebracht", sagt sie: "Man kann etwas bewegen."
So hätten Landwirte aus dem Wahlkreis im Frühjahr 2020 nicht gewusst, wie sie ihre Ernte einfahren sollen. Saisonkräfte aus Osteuropa mussten mit Einreisebeschränkungen rechnen, der Einsatz von einheimischen Arbeitskräften drohte an anderen Problematiken zu scheitern. Letztlich sei es gelungen, einen praktikablen Rahmen für die Produzenten und ihre Erntehelfer zu setzen. Als Erfolg ("wobei an Erfolgen immer mehrere beteiligt sind") wertet sie auch den "fiktiven Unternehmerlohn", mit dem das Land Soloselbstständige und Kleinstunternehmer fordert, etwa im künstlerischen Bereich.
Apropos Kunst: Die begleitet Philippi durchs Leben. Als sie neun Jahre alt war, zog die Familie nach Homburg an der Saar. Ihr Vater, ein Betriebswirt, arbeitete als Berufsschullehrer. Die Eltern renovierten einen Bauernhof, in dem die Mutter eine Galerie eröffnete. Es sind schöne Erinnerungen. So trat sie auch im Hauptberuf in die Fußstapfen von Mutter Monika: Seit 1992 ist sie Galeristin. Nach einer Elternpause und einem Zwischenspiel in Heidelberg kehrte ihre Galerie in den Dossenheimer Ortskern zurück. "Die Kunst ist gut. Mit den dazugehörenden Persönlichkeiten muss man umgehen", sagt sie mit einem Augenzwinkern: Exzentriker seien in der Kunst seltener, als landläufig vermutet wird. Ihr Beruf helfe in der Politik: "Es ist nützlich, wenn man die Strukturen des Kulturbetriebs kennt." In Stuttgart bringt sie diese Querschnittskenntnisse als Mitglied im Ausschuss für Wissenschaft, Forschung und Kunst ebenso ein wie als Aufsichtsrätin der in Ludwigsburg ansässigen Filmakademie Baden-Württemberg. Wenn sie das Wort ergreift, spricht keine Geringere als die kulturpolitische Sprecherin der CDU-Landtagsfraktion. Außerdem ist sie Mitglied des wichtigen Ausschusses für Kultus, Jugend und Sport sowie im Petitionsausschuss.
1983 hatte es sie in die Region gezogen: Zunächst kam sie nach Heidelberg, mit ihrem späteren Mann Jürgen, den sie schon als Schülerin kannte. Sie hatte die Fächer Kunstgeschichte, Volkswirtschaftslehre und Romanistik gewählt: "Das Saarland und die Kurpfalz sind ihrer Prägung nach süddeutsch und aufgeschlossen", sagt sie. Gewundert habe sie sich lediglich über ein paar stoffelige Verkäufer. Doch auch die seien längst freundlicher. "Vielleicht lag es ja daran, dass das Geld nur für ein Brötchen reichte", sagt sie und lacht.
Sie ist bereit, über Misserfolge zu reden. Beim Thema Gewerbeflächen – dem ewigen Zankapfel – sei in Dossenheim lange zu kleinteilig gedacht worden, findet sie. Das habe dazu geführt, dass Unternehmen die Kommune verließen. Den wesentlichen Unterschied zwischen Lokal- und Landespolitik erkennt sie darin, dass im Landtag die übergeordneten Themen im Vordergrund stehen. Hier entstehe der Rahmen, in dem die Kommunen Projekte definieren. Viel Arbeit, von der sie beim Kochen Abstand gewinnt, mit ihrem Mann. "Das hat etwas Meditatives und strukturiert den Tag." Sollte sie erneut in den Landtag einziehen, dürfte es ein Festmahl geben.