Die derzeitigen wissenschaftlichen Fakten sind auf der Burgus-Infotafel festgehalten, die von Andreas Hensen, Stefan Schmutz, Christian Witschel, Roland Prien und Jürgen Süß (v. l.) enthüllt wurde. Foto: Sturm
Von Axel Sturm
Ladenburg. Und wieder muss ein Teil der Ladenburger Geschichte umgeschrieben werden: Bei einem Pressetermin an der Tiefgarage des Rathauses enthüllten Bürgermeister Stefan Schmutz und der Leiter des Lobdengau-Museums, Andreas Hensen, jetzt die neu gestaltete Burgus-Infotafel. Mit dabei waren die Wissenschaftler Christian Witschel vom Heidelberger Center for Cultural Heritage der Uni Heidelberg und Roland Prien von der Philosophischen Fakultät der Uni Heidelberg.
Beim Bau des neuen Rathauses wurde vor 40 Jahren die Ruine einer spätantiken Festung entdeckt und vom damaligen Ladenburger Stadtbildpfleger Berndmark Heukemes archäologisch untersucht. "Der Doktor", wie die Ladenburger den hochgeachteten Archäologen respektvoll nannten, zeichnete ein Bild vom Ladenburger Burgus auf, das die Stadtführer des Heimatbundes bis heute zur Erklärung des imposanten Bauwerks verwenden. Heukemes schrieb, dass den Kern der Festung ein turmartiger Block von 13 mal 13 Meter Seitenlänge bilde. Die Mauern der mächtigen Befestigungsanlage waren bis zu fünf Meter dick. Im Innenraum des Burgus lag ein Brunnen. Die Umfassungsmauern reichten bis zum Neckarbett, denn Heukemes stellte die These auf, dass der Neckar an der heutigen Bleiche entlang der Stadtmauer Richtung Norden floss. Den Baukörper interpretierte Heukemes als Kaserne. Der Ladenburger Burgus dürfte 45 Soldaten Platz geboten haben.
Diese Rekonstruktionszeichnung von Berndmark Heukemes entspricht nicht mehr den heutigen wissenschaftlichen Erkenntnissen. Repro: Sturm
Der Wissenschaftler war davon überzeugt, dass es sich beim Burgus um ein Bauwerk handelte, das lang anhaltenden Belagerungen standhalten sollte. Dies werde durch die Lage am Neckar deutlich, schreibt Heukemes in der Ladenburger Stadtchronik, denn vor dem Burgus gab es eine "geschützte Hafensituation". Heukemes verortete den Bau des Ladenburger Burgus eindeutig in das dritte Drittel des 4. Jahrhunderts, denn Kaiser Valentinian organisierte in dieser Zeit die Grenzverteidigung neu.
Der Burgus in Ladenburg bildete mit dem Kastell in Altrip sowie dem Burgus in Mannheim eine Verteidigungseinheit. Die von Heukemes angefertigte Rekonstruktionszeichnung vom Ladenburger Kastell zeigt eine direkt am Neckar liegende Befestigungsanlage. Im davor liegenden Hafen ankern zwei römische Galeeren. Im Bereich des heutigen Neckartorplatzes zeichnete Heukemes eine Neckarbrücke ein - allerdings mit dem Hinweis, dass es vermutlich keine Brücke über den Neckar gegeben habe. Bei der Umgestaltung des Neckartorplatzes im Jahr 2005 wurde übrigens ein Brückenpfeiler entdeckt, der allerdings nicht wissenschaftlich aufgearbeitet wurde.
Der Fund wurde konserviert und wieder zugeschüttet. Für Geschichtsinteressierte war dies ein weiterer Beleg, dass der Neckar in der Antike hier geflossen sein muss. Ob es in der Antike direkt vor dem Burgus eine Hafenidylle gab, ob hier Olivenöl und Wein aus dem Römischen Reich und Datteln zur Verpflegung der Soldaten gelöscht wurden, bezweifelt die heutige Wissenschaft. "Der Forschungsstand von damals muss relativiert werden", sagte Museumsleiter Hensen beim Vororttermin am Burgus-Standort vor der Rathaus-Tiefgarage.
Weil sich auch die wissenschaftlichen Methoden weiterentwickelten, sei es nicht unüblich, dass frühere wissenschaftliche Erkenntnisse umgeschrieben werden müssten. Ärgerlich ist für Hensen nur, wenn fahrlässige Fehlinterpretationen publiziert würden - was der Museumsleiter seinem verdienstvollen Vorgänger natürlich nicht unterstellte.
Roland Prien betonte allerdings, dass die Zeichnung von Heukemes, die Grundlage der alten Burgus-Infotafel war, mit der Wirklichkeit nicht viel zu tun habe. "Wir wissen nicht so schrecklich viel", meinte der Wissenschaftler, der sich auch zum Verlauf des Flussbetts nicht festlegen wollte. Man habe schließlich keine beweisbaren Anhaltspunkte, wo der Neckar in der Römerzeit geflossen sei. Daher sei auf der neu gestalteten Tafel auch keine Hafensituation dargestellt, meinte Prien. Auch die Existenz einer Neckarbrücke am Burgus berufe sich auf eine "dünne Indizienlage". Fakt sei, dass es sich beim Fund am Neckartorplatz um einen Brückenpfeiler handeln würde - aber die Brücke könnte auch den dort liegenden Stadtgraben überspannt haben.
Einig ist sich die heutige Wissenschaft mit Heukemes, dass der Ladenburger Burgus das größte erhaltene Bauwerk der Spätantike in Baden-Württemberg ist. Teile des Turms wurden konserviert und in den Rathausneubau mit einbezogen.
Auf der neuen Infotafel ist zu lesen, dass wahrscheinlich eine kleine Garnison von Soldaten im Inneren lebte, die das Gebiet der ehemaligen Stadt Lopodunum überwachte. Möglicherweise diente der Burgus auch als Sammelstelle von Abgaben an den römischen Staat, zu denen die Bewohner des linken Oberrheinufers zur Zeit von Kaiser Valentinian mehrfach verpflichtet wurden.
"Die Wissenschaft entwickelt sich weiter und vielleicht müssen wir die Infotafel in einigen Jahrzehnten wieder neu gestalten", schließt Museumsleiter Hensen nicht aus, dass die Geschichte erneut umgeschrieben werden muss.