Sopranistin Donata Alexandra Koch erfuhr erst kurz vor dem Konzert von ihrem Auftritt. Foto: Dorn
Hirschberg-Leutershausen. (mpt) Am Freitagabend lauschte sie noch als Zuhörerin Schuberts "Winterreise". Am Sonntag jedoch liegt Mirella Hagen krank im Bett. Die Sopranistin muss ihren Auftritt beim zweiten Hirschberger Liedfest, bei dem sie vor allem Lieder der französischen Komponistin Lili Boulanger singen sollte, kurzfristig absagen.
An einen Abbruch des kleinen Klassik-Festivals in der Alten Synagoge aber mag der künstlerische Leiter Alexander Fleischer nicht denken. Und so lässt er kurzfristig seine Verbindungen in die Musikwelt spielen. Mit Erfolg: Statt Hagen steht am Sonntagabend die Sopranistin Donata Alexandra Koch vor den Zuhörern. Sie inszeniert dabei nicht Boulanger, sondern Johannes Brahms, Hugo Wolf und Joseph Canteloube. "Mädchenfluch" heißt das Programm mit französischen und deutschen Volksliedern.
Manche Besucher wirken vor Konzertbeginn ob der kurzfristigen Umstellung noch etwas skeptisch. "Ich habe mich sehr auf die Sängerin gefreut", klagt ein Besucher. "Ich glaube, das Programm gefällt mir sogar besser als das ursprüngliche", sagt ein anderer. Überzeugt werden sollen sie beide. Denn Sopranistin Koch, die erst am frühen Sonntagmorgen von ihrem unerwarteten Engagement erfuhr, brilliert nicht nur durch ihre Stimme, sondern auch durch Gestik und Mimik. Mal als Maid die Hände in die Hüften gestemmt, hier ein wütender Blick, dort ein schluchzendes Trauern. Meist aber ein glückseliges Lächeln im Gesicht, verleiht sie den Liedern über das Wohl und Wehe der Mädchen Ausdruck.
Brahms‘ "Da unten im Tale" oder Wolfs "Erstes Liebeslied eines Mädchens" sind nur einige der wiederentdeckten Perlen dieses unerwarteten Konzerts, bei welchen Fleischer und Koch für Gänsehautmomente sorgen. Wie auch bei "Bailèro" von Canteloube, der altfranzösische Volkslieder aus der Auvergne, die hügelige Landschaft rund um Clermont-Ferrand, sammelte.
Vier Konzerte an drei Tagen - Monika Maul-Vogt, die Vorsitzende des Kulturfördervereins, zieht ein positives Fazit. Auch wenn die Besucherzahlen kontinuierlich abfielen: von 100 Besuchern am Freitag auf rund 70 am Samstag und knapp 50 am Sonntag. "Diejenigen, die da waren, waren mehr als zufrieden." Von "grandios" bis hin zu "Sternstunde" reichte vor allem das Feedback nach der "Winterreise". "Diese Stille nach dem Konzert, als man spürte, wie ergriffen die Besucher sind und dass der Funke überspringt. Das war wohl der Höhepunkt", erklärt sie.
Auch von den Künstlern gab es positive Rückmeldungen: Tobias Berndt und Peter Schöne lobten den lebendigen Raumklang. Über einen "dritten Kollegen", wie Martha Krebs das Instrument bezeichnet, durfte sich Pianist Fleischer während der Konzertreihe freuen. Denn nicht auf dem hauseigenen Flügel wurde gespielt, sondern auf einem noblen "C. Bechstein"-Flügel, den Berndt organisiert hatte. Gemeinsam nahmen sie im Vorfeld eine CD von Schuberts "Winterreise" in der Alten Synagoge auf. Dann "borgte" Berndt seinem Kollegen das edle Stück. Ob der Pianist nicht Angst hatte, als er beim experimentellen Konzert mehrmals den Deckel aufklappte, um etwa ein Frisbee unter die Saiten zu klemmen? "Doch", sagt Fleischer lachend, "aber ich weiß ja, was ich mache".
Auch ein Blatt Papier schmiss der Pianist in den Korpus, um einen flatternden Nachhall zu erzeugen. Und vergaß, es beim nächsten Lied wieder herauszunehmen. "Es hat zum Glück niemand gemerkt, alle dachten wohl, das soll so sein." Das war nicht die einzige kuriose Situation. Am Mittwoch war eigentlich eine Probe mit Peter Schöne anberaumt. Doch der Bariton musste kurzfristig in Portugal als Sänger einspringen. Am Samstag war von dieser Hektik nichts zu merken. Frisch und ausgeruht sang und inszenierte Schöne Eggerts "Neue Dichter Lieben". "Vielleicht braucht er das ja", sagt Fleischer - und kündigt für das kommende Jahr die Fortsetzung des Hirschberger Liedfestes an.
Vielleicht mit Schuberts anderem berühmtem Liedzyklus: "Die schöne Müllerin". Aber auch auf zeitgenössische Werke wolle man wieder zurückgreifen.