Carina Lindenblatt vom Sekretariat und Bürgermeister Simon Michler zeigen die Gästebücher. Aufgeschlagen ist die Seite im Goldenen Buch zum Empfang des deutsch-französischen Publizisten und Politikwissenschaftlers Alfred Grosser. Foto: Kraus-Vierling
Von Stephan Kraus-Vierling
Edingen-Neckarhausen. "Wir hier in der Region wissen, dass es uns auf Dauer nur gut geht, wenn es auch unseren Nachbarn gut geht und wir versuchen, Europa gemeinsam zu gestalten!", schrieb der Europaabgeordnete Daniel Caspary am 6. Mai 2019 als bislang letztes Grußwort ins "Goldene Buch" von Edingen-Neckarhausen. Das hatte die Doppelgemeinde 1993 begonnen, für besondere Anlässe und für Ehrengäste vornehmlich aus Politik, Kultur und Sport. Im Edinger Rathaus durfte die RNZ darin blättern, und ebenso in drei anderen, zuvor wie auch parallel weitergeführten Gästebüchern der Kommune.
Die liegen im Sekretariat bei Christiane Schell und Carina Lindenblatt unter Verschluss. So auch, neben dem jüngsten Fortsetzungs-Folianten, ein kleineres Besucherbuch fürs Gemeindemuseum, begonnen zur Eröffnungsausstellung 1995. Das erste der für den Bericht eingesehenen Gästebücher aber wurde 1980 angelegt. Fünf Jahre nach der Fusion zur Doppelgemeinde hatte Edingen-Neckarhausen unter Bürgermeister Werner Herold das Neckarhäuser Schloss aufwendig sanieren lassen. Ab da wurde der ehemals von Oberndorff’sche Stammsitz, wie sich der frühere Hauptamtsleiter Wolfgang Ding erinnert, weit mehr als zuvor auch für Empfänge genutzt.
Andenken an den Empfang anlässlich eines Besuchs von Partnerschaftsfreunden aus Plouguerneau in der Fastnacht 1989. Foto: Kraus-VierlingEbenfalls 1980 hatte Edingen-Neckarhausen für seine Partnerschaft mit Plouguerneau die Ehrenfahne des Europarats verliehen bekommen. Dies sowie "die Übergabe des renovierten Schlosses" nahm Bürgermeister Herold zum Anlass, für die Feier im September die erste Empfangsseite im großformatigen schwarzen Folianten anlegen zu lassen. Neben Landtagspräsident Lothar Gaa und vielen weiteren Gästen unterschrieben dort auch zwei adlige Schwestern mit "Elisabeth Gräfin Oberndorff" und "Burgl Gräfin Einsiedel" im früheren Elternhaus.
Nächste Anlässe waren im Frühling 1981 der Aufenthalt der "Schützenkompanie" aus Reith in Tirol und der Besuch des Evangelischen Landesbischofs Klaus Engelhardt, heute übrigens Schwiegervater von Neckarhausens Schulrektorin Angelika Engelhardt. Als erster Bundesminister trug sich 1981 Josef Ertl ein. Zuständig für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, kam er zur "Traditionsjagd" in die Gemeinde und fügte im Gästebuch eilig wie auf der Hatz nur ein "J. Ertl" in die Anlasszeile ein. Als nächste Gäste aus Bundes- oder Landespolitik folgten 1986 Bundesjustizminister Hans A. Engelhard sowie dessen Kabinettskollegin im Ressort Bildung und Wissenschaft, Dorothee Wilms, und in jüngeren Jahren etwa Landesumweltminister Franz Untersteller 2015 zum Projektstart der "Fischkinderstube" oder 2016 Günther Oettinger als EU-Kommissar für Digitale Wirtschaft und Gesellschaft.
Noch "aus Walsleben/DDR" waren im März 1990 Pfarrer Erfurth nebst Kirchengemeinderäten zu Besuch nach Westdeutschland gereist, nachzulesen im ersten Gästebuch. Dominiert wird dieses aber von zahlreichen Empfängen für Partnerschaftsdelegationen aus Plouguerneau, zu verschiedenen Anlässen, so bei Jugendaufenthalten, Sportbegegnungen oder zu Jubiläen dieser seit 1967 bestehenden Jumelage. Auch der Bouleclub mit seinen international besetzten Großturnieren ist stark vertreten, ebenso andere Sportclubs oder die Gesangsvereine mit Gastbesuchen aus aller Welt.
Für die Gestaltung der Bücher fand sich in Bauamtsmitarbeiter Herbert Stein ein kalligraphisch begabter Mann, der bis heute die Seiten in schwarzer Schmuckschrift mit dem Anlass, den Namen der Gäste, Vereine, Abordnungen oder Einzelpersonen, sowie Ort und Datum übertitelt. Anfangs schrieb Stein alles frei Hand, später nutzte er Schablonen, und heute geht es teils schon drucktechnisch, absolut exakt, dadurch optisch zwar etwas "steriler", aber eben auch weniger zeitaufwendig.
Einen weiteren Gästebuch-Schwerpunkt bildeten in den 1990er Jahren zahlreiche Bundesverdienstkreuz-Verleihungen. Beginnend 1992 mit den Ehrungen des Ersten Kriminalhauptkommissars a.D. Benedikt Martin Gregg und des VHS-Leiters Manfred Kober (1993), zügig gefolgt von sechs langjährigen Gemeinderatsmitgliedern. Seitens der CDU waren dies Dr. Hans Lechner (1993), Walter Köhler (1995) und Margarete Frank (1997), von der SPD Max Bassauer (1996); und von der FDP erhielten Lieselotte Schweikert (1998) und Rudolf Zaun-Axler (1999) diesen Verdienstorden am Bande. 2005 bekamen zudem Stefanie und Prof. Werner Buselmaier (deutsch-türkische Ex-Städtefreundschaft zu Dösemealti) diese Auszeichnung. Und besonders groß war die Zahl der Gratulanten bei der Verleihung der Ehrenbürgerschaft 1995 an Werner Herold sowie 2002 bei der Auszeichnung Georg Kohlers mit dem Gemeinde-Ehrenring.
Dies kam natürlich ins "Goldene Buch", das neben den Gästebüchern speziell für besondere Anlässe und Ehrengäste geführt wird. "Vielen Dank für den freundlichen Empfang und der Gemeinde nur Gutes!", trug sich dort 1994 die Landesfamilienministerin Brigitte Unger-Soyka ein. Prominentester Gast 2012 war der deutsch-französische Publizist und Politikwissenschaftler Alfred Grosser anlässlich seines Vortrags bei der IGP über 50 Jahre Elysée-Vertrag und Deutsch-Französisches Jugendwerk. Integrationsministerin Bilkay Öney bekundete 2014 offen: "Ich sage bzw. schreibe das, was ich immer sage, wenn ich her komme: Es lebe die Kurpfalz!"
"Alles Gute im neuen Amt, im Traumberuf und ein herzliches Glückauf aus Aalen", erhielt 2016 der frischgebackene Bürgermeister Simon Michler als schriftlichen Schulterklopfer von seinem vorigen Chef, Oberbürgermeister Thilo Rentschler.
Längst nicht immer finden sich zwischen all den Gäste-Unterschriften so persönliche Grußzeilen wie etwa die vergleichenden Verse jener zehn Pforzheimer, die 1989 zum dritten Mal das Straßenfest "Rund ums Schloss" besuchten. Sie seien gekommen "von einer Stadt modern und kühl/ in dieses Schloss voll Schönheit und voll Stil". Ausländische Besucher grüßen meist in ihrer Landessprache; auf Deutsch wagen es nur wenige. "Ich liebe Deutschland!" fasste sich denn auch ein russischer Gast kurz und fehlerfrei. "Ich hoffe zurückkommen oft – und vielleicht wohnen. Warum nicht?", schrieb ein Jugendlicher aus Plouguerneau 1987 voll verständlich in Sprache und Motivation.
Umso rätselhafter erscheint zunächst, was wohl ein Serenadenchor-Mitglied aus St. Petersburg 2003 mit folgendem Gruß ausdrücken wollte: "Ich hat herzlich verlanget, dieses Österlamm mit euch zu essen!" Wohlgemerkt: Der Besuch war im November. Die Lösung gibt der damalige Artikel über das herrliche Chorkonzert in "St. Andreas". Zum Finale sangen die russischen Gäste gemeinsam mit MGV 1859, "Germania" und Evangelischem Singkreis das "Agnus Dei", zu Deutsch das "Lamm Gottes", oder auch, wie es im Wörterbuch vielleicht an erster Stelle stand, das "Osterlamm". Das freilich wurde damals im Spätjahr sicher nur gemeinsam gesungen und nicht als Gebäck verspeist.