Weinheim gibt mehr aus, als es einnimmt: Verschieben, streichen, privatisieren lautete nun die Devise in den Verhandlungen des Haushaltsplans im Hauptausschuss. Foto: Dorn
Von Günther Grosch
Weinheim. Verschieben, streichen, privatisieren. Pro-Argument für das eine hier, Contra-Argument für das andere dort. Als es um die Vorberatung des Etats für 2016 ging, prallten erwartungsgemäß Pflichtaufgaben und freiwillige Leistungen der Kommune hart aufeinander.
Bewegte man sich mit Blick auf die "schier unerträgliche Situation", den hierdurch bedingten "schnellstmöglichen" und "unbedingt notwendigen" Neubau der Albert Schweitzer-Schule (ASS) in Kombination mit der Johann- Sebastian-Bach-Schule noch im gleichen Takt, drohte man den bei der Hallendiskussion wieder zu verlieren.
Das Großprojekt "Schul- und Kulturzentrum Rolf-Engelbrecht-Haus" scheint endgültig vom Tisch. So gut wie sicher dürfte eine Erhöhung der Grundsteuer und der Gewerbesteuern A und B sein. Zur Zahlung von Steuern auch Freiberufler heranzuziehen, forderte Carsten Labudda (Die Linke). Im Raum steht, wie von Holger Haring (CDU) favorisiert, eine "maßvolle Erhöhung" um 15 Punkte oder - wie von der Mehrheit befürwortet - eine Steigerung um 30 Punkte. Für viele gleichfalls unbestritten: "Weinheim braucht dringend Flächen für neue Gewerbeansiedlungen."
"Das Wasser steht uns bis zur Oberkante Unterlippe", sagte Labudda. Die Krux sei, dass die Stadt ständig mehr ausgebe als sie einnehme, legte Günter Breiling (FDP) die Finger in die offene Wunde. Bis 2020 sei alles verkauft, der Kreditrahmen "bis zum Geht-nicht-mehr" ausgeschöpft. Schon für 2016 müsse Kämmerer Jörg Soballa deshalb einen Plan auf den Tisch legen, der 2020 einschließt. Es sei zu prüfen, so Breiling, ob bei der Anschlussunterbringung von Flüchtlingen auch Investitionen durch Private vorstellbar seien. Das würde eine spürbare Entlastung des Investitionsetats mit sich bringen. Die Kosten für die Anschlussunterbringung aus dem Haushalt herauszurechnen, einen separaten Etat aufzustellen und einen "Eigenbetrieb Anschlussunterbringung" zu gründen, schlug Gerhard Mackert (FW) vor. Das Regierungspräsidium könne die Stadt nicht für Darlehensaufnahmen bestrafen, die ihr vom Kreis auferlegt würden. "Wir wären auf einen Schlag 11,3 Millionen Euro an Kreditaufnahmen los".
Die Hallengeschichte(n) von Lützelsachsen und Oberflockenbach entwickelten sich zu einer "unendlichen Geschichte mit zweifelhaftem Ausgang", sagte Ortsvorsteherin Doris Falter (FW). Die Hallen seien nicht nur für kulturelle und sportliche Veranstaltungen unentbehrlich: "Sie sind auch für den sozialen Frieden in den Ortschaften wichtig." Niemand dürfe die "im Untergrund brodelnden Emotionen" der Bürger unterschätzen.
OB Heiner Bernhard stauchte die Stadträte angesichts der angestimmten "vielen falschen Töne" zusammen. Immer wieder seien bei freiwilligen Aufgaben Beschlüsse gefasst worden, die "sehenden Auges die finanzielle Leistungsfähigkeit strapazierten". Als man über eine hohe Liquidität verfügt habe, hätten viele geglaubt, dies würde "ewig so weitergehen". Auf diesen Trugschluss habe er jahrelang vergeblich hingewiesen.
Die Stadt sei strukturell massiv unterfinanziert, so Bernhard. Dass man mehr ausgebe als einnehme, sei der Grundfehler der eigenen Finanzpolitik. Bei der Ausweisung weiterer Gewerbeflächen schlügen ihm die größten Widerstände entgegen. "Wenn uns allein die Hallen jährlich 700 000 Euro an Unterhaltungskosten bescheren und wir so weitermachen wie bisher, bringen wir uns über Jahrzehnte hinweg an den Bettelstab."
Es gelte, ein anderes Bewusstsein zu finden, eine veränderte Anspruchshaltung an den Tag zu legen und sich nicht durch Bürgerproteste "umdrehen" zu lassen: "Mir ist zu wenig Ehrlichkeit im Raum", sagte Bernhard. In der derzeitigen Lage der Stadt sei es unumgänglich, "auf Wünsche zu verzichten und Standards herunterzufahren".
Während es für Carola Meyer (CDU) bei den weiteren Hallenplanungen kein "Stopp" geben darf, zeigte sich Michael Lehner (WL) realistisch. "Die Hallen, wie sie einmal geplant wurden, werden so niemals kommen."