Vor fast zehn Jahren hat die archäologische Abteilung der Reiss-Engelhorn-Museen Mannheim (REM) unter Leitung von Dr. Klaus Wirth das Gebiet des keltischen Friedhofs systematisch erforscht. Dabei stießen die Experten auf zwei Bestattungen. Foto: REM
Von Dirk Hecht
Edingen-Neckarhausen. Ein herausragendes Merkmal des Menschen ist, dass er seine verstorbenen Zeitgenossen nicht einfach liegen lässt, sondern pietätvoll bestattet. Dieser Brauch reicht weit zurück in die Altsteinzeit. Die angeblich so primitiven Neandertaler waren die Ersten, die ihre Toten begraben haben, und zwar nach einem ganz bestimmten Ritus.
In Neckarhausen stammt der erste Friedhof, der uns bekannt ist, aus der Keltenzeit (circa 750 vor Christus bis zur Zeitenwende). Kurioserweise liegt er unmittelbar neben dem heutigen Friedhof, es ist sogar sehr wahrscheinlich, dass er mit ihm teilweise zusammenfällt.
Wie die meisten archäologischen Fundplätze ist er durch Zufall entdeckt worden. Auf dem Gelände der Gärtnerei Doberaß wurden schon 1927 bei Erdarbeiten Reste von Gräbern gefunden (Knochen und Bronzeringe). 1933, 1954, 1959 konnten weitere Gräber freigelegt werden. 2008 entschloss sich die archäologische Abteilung der Reiss-Engelhorn-Museen Mannheim (REM) unter Leitung von Klaus Wirth das Gebiet des keltischen Friedhofs systematisch zu erforschen, da die Gefahr bestand, dass nicht bekannte Gräber unbeobachtet zerstört werden. Und sie hatten Erfolg: Zwei Bestattungen konnten gerettet werden.
Insgesamt wird das Gräberfeld mindestens 20 Grablegen, also regelmäßig benutzte Grabstätten sozial höhergestellter Personen, gehabt haben. Aber dies war wahrscheinlich nur ein sehr kleiner Ausschnitt eines viel größeren Friedhofs, wenn man bedenkt, dass die erfassten Gräber nur 0,3 bis 0,7 Meter unter der Erdoberfläche gelegen haben. Auch die Tatsache, dass es keine Männer- oder Kindergräber gab, ist ein Zeichen für ein nur unvollständiges Gräberfeld.
Die Toten wurden unverbrannt auf dem Rücken liegend beerdigt. Ob sie in einen Sarg gelegt oder nur in ein Leichentuch gewickelt wurden, kann leider nicht beantwortet werden. Spuren von Grabbauten konnten nicht erkannt werden. Die Toten hatten ihre Festtagstracht an und ihren Schmuck angelegt. Die Kleidung ist leider vergangen, aber die Fibeln, mit denen ihr Gewand zusammengehalten wurde, überdauerten. Der Schmuck, der gleichzeitig ein Rangabzeichen war, bestand neben den Fibeln aus Arm-, Fuß- und Halsringen. Je mehr eine Frau mitbekam, desto höher stand sie im Rang. Mithilfe dieser Funde konnten die Gräber auch datiert werden. Vergleiche zeigen, dass sie zwischen 450 und 300 vor Christus in den Boden kamen.
Der Platz der Toten ist also bekannt, aber wo war die Siedlung der Lebenden? Sie konnte bisher nicht ausgegraben werden. Zwar gibt es in Edingen in der Grenzhöfer Straße keltische Siedlungsreste oder auf der anderen Seite des Neckars in Ladenburg, aber sie sind zu weit entfernt, als dass sie zu dem Gräberfeld gehören könnten.
Allerdings gibt es eine Fundmeldung aus dem Jahr 1933, dass im Edinger Gewann "Nachtweide" bei Erdarbeiten Scherben aus dieser Zeit vom Hauptlehrer Bauer aus Neckarhausen aufgesammelt worden seien. Das Gewann "Nachtweide" liegt gerade einmal ein paar Hundert Meter westlich des keltischen Friedhofs, zwischen modernem Friedhof und dem Gewerbegebiet. Da die Scherben verschollen sind, kann man nicht mehr nachprüfen, ob die Keramik tatsächlich das gleiche Alter wie die Gräber haben.
Wie sah es in unserer Gegend vor circa 2400 Jahren aus? Die Menschen lebten in kleinen Siedlungen auf den fruchtbaren Böden des Neckarschwemmlandes. Sie scheinen sich am Lauf des Neckars orientiert zu haben. Auch in den meisten Nachbargemeinden haben sich keltische Spuren erhalten, vorzugsweise aber auf dem östlichen Neckarufer.
Politischer, religiöser und kultureller Mittelpunkt war der Heiligenberg. Riesige Ringwallanlagen umschlossen eine stadtartige Siedlung, die man als "Fürstensitz" bezeichnen kann. Von dort wurden der Neckarübergang und Fernhandelsrouten kontrolliert. Eisenbarren und Schlackefunde sprechen für Verhüttung und Verarbeitung von Eisen, einem damals sehr kostbaren Metall. In Heidelberg-Bergheim fand sich ein Steinkopf mit Blätterkrone, einen ähnlichen hat man vor rund 20 Jahren am Glauberg ausgegraben. Das könnte die Bekrönung des Grabhügels einer reichen "Fürstenbestattung" sein.
Die Ausstattung der Toten auf dem Neckarhäuser Gräberfeld ist hingegen durchschnittlich. Sie spiegelt die Gesellschaftsstruktur einer ländlichen Siedlung wider, die im Schatten des Heiligenbergs auch zur Versorgung des "Fürstensitzes" Heiligenberg eingebunden war und wahrscheinlich noch weiter existierte, als sich das keltische Zentrum vom Heiligenberg nach Ladenburg (Lopodunum) verlagerte.
Info: Literaturtipp: Dr. Klaus Wirth in den Bausteinen zur Ortsgeschichte Edingen-Neckarhausen 2011.