Postkartenschreiben kommt wieder in Mode (plus Video)
Junge Leute entdecken das Element neu

Von Katharina Eppert
Spanien ist super, das Essen lecker, viel Sonne. Bis bald!" - Urlaubsgrüße bekommt jeder gerne. Häufig wandern die netten Floskeln auf bunten Postkarten zig Kilometer um die Welt, um bei ihrem Empfänger am Kühlschrank, an einer Schnur im Klo oder an einer Magnetwand im Flur zu landen. Doch sind Postkarten überhaupt noch en Vogue?
In Zeiten von Facebook, Instagram und WhatsApp werden Freunde, Familie und Kollegen ohnehin mit mehr oder weniger wichtigen "Lebenszeichen" gefüttert - und das nicht erst am Urlaubsort. Sie dürfen bereits die Anreise detailgenau verfolgen, wenn der Facebook-Status "reist von Frankfurt Flughafen nach Madrid Barajas International Airport" aufblinkt. Oder über zehn Selfies auf Instagram die Busfahrt, die Kofferaufgabe, den Gang ins Flugzeug und die Reiselust dokumentieren. Wer braucht da noch Papier-Postkarten, die häufig erst dann im Briefkasten eintrudeln, wenn der Urlauber schon längst wieder da ist?
Es gibt wie in vielen Bereichen mittlerweile eine kleine Retro-Bewegung auch beim Thema Postkarten. Junge Leute entdecken das Element neu, vielleicht als ironisches Augenzwinkern, vielleicht aber auch als bewusste Entscheidung für die Entschleunigung, für das analoge. Eine Postkarte zu schreiben zeigt, anders als eine schnelle Handy-Nachricht, dass sich hier jemand Mühe gemacht hat für "die Daheimgebliebenen".
Hintergrund
Zahlen & Fakten
Geburtsdatum: Nachdem in den USA bereits im Jahr 1861 private Karten gesetzlich zugelassen worden waren, wurden sie postamtlich zum ersten Mal am 1. Oktober 1869 in Österreich-Ungarn mit der Bezeichnung
Zahlen & Fakten
Geburtsdatum: Nachdem in den USA bereits im Jahr 1861 private Karten gesetzlich zugelassen worden waren, wurden sie postamtlich zum ersten Mal am 1. Oktober 1869 in Österreich-Ungarn mit der Bezeichnung "Correspondenzkarte" eingeführt.
Formen: Ansichtskarte, die heutige Form der Postkarte: die Abbildungen zeigen typischerweise berühmte Bauwerke, bekannte Plätze, Sehenswürdigkeiten oder charakteristische Ansichten von der besuchten Gegend und sollen einen Eindruck vom Aufenthaltsort vermitteln; Antwortkarte ist eine zusammengeklappte, zweiteilige Karten, bestehend aus zusammenhängendem Frage- und Antwortkartenteil. Der Empfänger trennt den Frageteil ab und sendete die nun separaten Antwortkartenteil zurück, seit 1970 eingestellt; Bildpostkarte diente zur Werbung des Fremdenverkehrs, die Bilder befanden sich auf der linken Hälfte der Adressseiten, entweder oben oder unten; gezähnte Postkarte entweder in Heftchenform, in Streifenanordnung oder es gab sie als Bogen. Ab 1924 gab es in Deutschland außerdem Antwortkarten im Bogen gezähnt. Die Mindestverkaufsmenge betrug 1000 Stück.
Sammeln: Die erste Sammelwelle gab es bis etwa 1918. Die meisten sammelten bevorzugt Karten aus dem Heimatort und er Region. Insbesondere in Deutschland und anderen deutschsprachigen Ländern gab es eine ausgeprägte Vorliebe für das Sammeln von Postkarten, weshalb das Kartensammelfieber auch im Ausland als "Deutsche Epidemie" bezeichnet wurde.
Wissenschaft: Philokartie nennt sich das Sammeln und Erforschen von Post- und Ansichtskarten. Ein synonymer Begriff ist die Postkartenkunde.
Zahlen: Etwa 210 Millionen Postkarten werden laut Post jährlich befördert, davon 57 Millionen in den drei Sommermonaten Juni, Juli, August. eka
Denn gerade das eher umständliche Prozedere - Karte auswählen, Briefmarke kaufen, schreiben (mit der Hand!), Briefkasten suchen - macht das Urlaubsmedium so besonders, meint die Musikwissenschaftlerin Sabine Giesbrecht, die der Universität Osnabrück Hunderte historische Bildpostkarten zur Errichtung eines Archivs geschenkt hat. "Wer von mir eine Postkarte bekommt, der ist ausgezeichnet", sagt die leidenschaftliche Postkartensammlerin. Zwar sei der Prozess der Postkarte langsamer als jener beim Smartphone. Dafür aber entschleunigender, interessanter und nachhaltiger. "Digitale Grüße sind futsch, wenn ich sie gelesen habe", gibt Giesbrecht zu bedenken. Es geht heute auch nicht mehr so sehr um den Text, beim Postkartenschreiben. Der kann auch ganz minimalistisch sein. Ein "Viele Grüße" reicht schon aus.
Es ist mehr das Bildmotiv, die ausländische Briefmarke, der Poststempel, über die sich nach wie vor viele freuen und der Karte gerne einen Sonderplatz einräumen, meint Sabine Giesbrecht. Das war früher anders. Früher handelte es sich um reine Informationspostkarten und Reklame, erst später kamen Bildelemente. Auch war die Schrift- und Bildseite früher eins, und wurde erst 1905 getrennt. "Das ist bis heute unverändert. Doch früher als man noch keine Zeitung hatte, spielten die Karten eine wichtige Rolle", erklärt Giesbrecht. Sie dienten der Kommunikation, Information, der Bildung. Die sogenannten Feldpostkarten waren im Ersten Weltkrieg das einzige Kommunikationsmedium zwischen den Soldaten und ihren Familien. Die Ehemänner freuten sich unheimlich, wenn sie ein Bild von ihren Kindern oder dem geschmückten Wohnzimmer zu Weihnachten geschickt bekommen haben. Die Feldpostkarte war mit ganz vielen Emotionen aufgeladen - viel mehr als heute eine Urlaubskarte. Sabine Giesbrecht, die seit über 40 Jahren selbst Postkarten sammelt, kennt aber auch Beispiele, bei denen Grimmsche Märchen anhand von Postkarten erzählt wurden oder Legenden wie der Rattenfänger von Hameln. "Bücher hatte nicht jeder", erklärt Giesbrecht.
"Wie alle Sammler sei aber auch sie nicht mehr zu retten", lacht die Musikwissenschaftlerin, die vorwiegend historische Musikkarten sammelt. Doch dies sei mittlerweile ziemlich teuer geworden: "Früher bin ich auf den Trödelmarkt gegangen und habe für eins, zwei Mark Karten gekauft. Heute läuft alles übers Internet - und ist viel teurer."
Dass man mit dem Schreiben von Postkarten aber auch Geld verdienen kann, hat Sabine Rieker herausgefunden: Die 31-jährige Stuttgarterin schreibt Postkarten - hauptberuflich! Sie macht damit das, was andere in ihrem Urlaub tun. "Die meisten bekommen gerne Postkarten, aber schreiben nicht gerne welche", sagt Sabine Rieker. Bei ihr sei das anders. Sie tobe sich schon im Adressfeld aus und gestalte dieses schön. Gedanken, Erinnerungen, pfiffige Sätze landen auf der Karte. Dabei habe sie immer eine ganze Rolle Briefmarken.
Doch wer beauftragt jemanden, ihm eine Postkarte zu schreiben - und ist bereit, Geld dafür auszugeben? Begonnen habe alles in Bonn, erzählt Rieker, wo sie damals wohnte. Um auszumisten habe sie in einem Café gesammelte Postkarten an Freunde und Bekannte geschrieben sowie den Besitzer eines Cafés. Dieser wünschte sich ein Abo: "Du schreibst mir Postkarten und ich gebe dir dafür etwas", sagt sie. Zunächst wurde sie mit einem Cappuccino entlohnt, später meldeten sich befreundete Künstler und nun hat Rieker sogar eine Segelschule an Land gezogen, für deren Teilnehmer sie Erinnerungspostkarten schreibt. Auch Ferienhäuser hätten sie schon beauftragt. Doch die meisten bestellten eine Postkarte für sich selbst. Vier bis fünf Stunden am Tag schreibe die studierte Germanistin und Kunsthistorikerin nun Postkarten.
Als Kommunikationsmedium an sich sei die Postkarte aber nur noch etwas für Liebhaber, glaubt Veit Didczuneit vom Museum für Kommunikation in Berlin. Ähnlich wie dem Brief mache das Internet der Postkarte zu schaffen. Für den Postkarten-Fan Rieker schließen sich beide Medien nicht aus. Mittlerweile gibt es auch Apps, die beides kombinieren. Man kann individuelle Fotos im Urlaub machen, einen Grußtext eingeben - die Karte landet schließlich frisch gedruckt und ganz individuell im Briefkasten von Familie oder Freunden - nur an die Postadresse muss man denken!