Plus Sittenbild der frühen 30er-Jahre

"Babylon Berlin" geht in die vierte Staffel

Heißer Tanz auf dem Vulkan: Die neue Staffel ist eines der Fernsehereignisse des Jahres.

29.09.2023 UPDATE: 01.10.2023 06:00 Uhr 1 Minute, 34 Sekunden
Lars Eidinger - «Babylon Berlin»
Lars Eidinger in «Babylon Berlin». Die vierte Staffel der Berlin-Serie startet am 8. Oktober.

Von Cornelia Wystrichowski

Berlin. Es ist eines der Fernsehereignisse des Jahres: Die vierte Staffel der populären TV-Saga "Babylon Berlin" über einen Kriminalkommissar in der Weimarer Republik läuft seit 29. September in der ARD-Mediathek und ab 1. Oktober an vier aufeinanderfolgenden Tagen mit jeweils mehreren Episoden am Stück als Free-TV-Premiere im Ersten – dafür muss am 1. Oktober sogar der "Tatort" Pause machen.

Die zwölf neuen Folgen der starbesetzten, millionenschweren Saga basieren auf dem Roman "Goldstein" von Volker Kutscher und beginnen mit einem Zeitsprung: Endete die vorherige Staffel mit dem verheerenden Börsencrash von 1929, setzt die Handlung diesmal am 31. Dezember 1930 ein – und zwar mit einem Schockmoment.

Ausgerechnet Publikumsliebling Gereon Rath (Volker Bruch), der seelisch versehrte Kommissar, zieht in brauner Uniform als Teil eines SA-Mobs durch die Innenstadt Berlins: Die grölende Horde schikaniert Juden und demoliert Läden. Als seine Kollegin Charlotte Ritter (Liv Lisa Fries) ihn mit der Hakenkreuzbinde sieht, bricht sie entsetzt mit Rath. Schon diese ersten Minuten machen deutlich, dass das Epos den Griff der Nazis nach der Macht jetzt deutlich intensiver beleuchtet als in den bisherigen Staffeln, in denen der aufkeimende Nationalsozialismus eher die Hintergrundfolie abgab.

Auch die mittlerweile erwachsene Schwester von Charlotte Ritter, Toni (Irene Böhm), spielt dieses Mal eine wichtige Rolle. Bisher war sie eine süße Großstadt-Pippi-Langstrumpf, jetzt ist Toni obdachlos und wird beim Einbruch in ein Kaufhaus festgenommen. Als Charlotte ihr zur Flucht aus der Verhörzelle verhilft, verliert sie ihren Job als Kriminalassistentin. Um an Geld zu kommen, nimmt sie an einem Tanzmarathon im Club "Moka Efti" teil – eine hypnotische Schlüsselszene: Die Teilnehmer tanzen sich zum mitreißenden Titellied der Staffel ("Ein Tag wie Gold", gesungen mal von Meret Becker, mal von Max Raabe) die Seele aus dem Leib. Was wie eine große Party aussieht, ist doch das Ergebnis purer Verzweiflung: ein Tanz am Abgrund.

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Nachdem die dritte Staffel um Morde im Stummfilmmilieu nicht völlig überzeugen konnte, gibt es diesmal viel mehr Handlungsfäden, die ein großartiges Sittenbild des Berlins Anfang der 30er-Jahre ergeben. Sie drehen sich unter anderem um die Berliner Ringvereine, als Sportclubs getarnte kriminelle Vereinigungen, und um die Welt der orthodoxen Juden in der Hauptstadt: Der hier aufgewachsene Abraham Goldstein lebt jetzt in Amerika und kehrt zurück, um ein geraubtes Juwel aus Familienbesitz zu finden. Fans können sich auf ein Wiedersehen mit zentralen Figuren freuen, darunter Lars Eidinger als größenwahnsinniger Unternehmer Alfred Nyssen und Benno Fürmann als skrupelloser Feind der Weimarer Republik. Und wie schon in den bisherigen Staffeln kann, wer will, die geschilderten Ereignisse als Spiegel unserer unsicheren Gegenwart sehen.