Schwangerschaft in Corona-Zeiten

Wenn werdende Eltern Sorgen und Ängste plagen

Schwangersein heißt Glücklichsein - normalerweise. Doch in Pandemiezeiten plagen viele Eltern Sorgen und Ängste. "Fühle mich ziemlich einsam".

25.02.2021 UPDATE: 07.03.2021 06:00 Uhr 4 Minuten, 4 Sekunden
Ruhe bewahren. Fotos: Getty

Von Kathrin Hoth

Eppelheim. Ihre erste Schwangerschaft hatte sich Sandra anders vorgestellt. Sie wollte voller Vorfreude in Läden und auf Flohmärkten nach Babykleidung stöbern, eine Babyparty feiern, sich gemeinsam mit Freunden, der Familie und anderen werdenden Mamis auf den kleinen Knirps freuen. Doch Corona machte ihr wie so vielen Schwangeren einen Strich durch die Rechnung. Geschlossene Läden, Kontaktbeschränkung und kaum Präsenzkurse zur Geburtsvorbereitung. "Ich fühle mich gerade ziemlich einsam", sagt die 32-Jährige aus Eppelheim. "Man kann seine Freude gar nicht so richtig teilen."

Hintergrund

HINTERGRUND

Risiken für Mutter und Kind?

Die gute Nachricht für Schwangere: Das Risiko, sich mit dem Corona-Virus anzustecken, ist offenbar grundsätzlich nicht höher als bei

[+] Lesen Sie mehr

HINTERGRUND

Risiken für Mutter und Kind?

Die gute Nachricht für Schwangere: Das Risiko, sich mit dem Corona-Virus anzustecken, ist offenbar grundsätzlich nicht höher als bei nicht-schwangeren Frauen. Laut Robert-Koch-Institut belegen Studien sogar, dass Schwangere vergleichsweise seltener Symptome entwickeln. Allerdings: Eine "begrenzte Zahl" an Studien zeige wiederum, dass die Wahrscheinlichkeit für einen schweren Verlauf mit Aufnahme auf eine Intensivstation und für eine invasive Beatmung möglicherweise höher ist. Grundsätzlich ist laut RKI das Risiko für schwere Krankheitsverläufe für Frauen im gebärfähigen Alter jedoch gering, die Sterblichkeit sogar sehr gering. Die bekannten Risikofaktoren wie Bluthochdruck, Übergewicht oder Diabetes mellitus erhöhen aber das Risiko – so wie bei nicht-schwangeren Menschen auch.

Wie sich eine Infektion der werdenden Mutter auf das ungeborene Kind auswirkt, dazu macht das RKI wegen bislang fehlender Daten keine abschließende Aussage. Meist waren die Kinder von Sars-CoV-2 positiven Müttern demnach nach der Geburt gesund. Bisher seien nur einzelne Krankheitsfälle aufgetreten, die möglicherweise die Folge einer Infektion im Mutterleib waren. Eine Studie aus Texas beobachtete eine Infektionsrate bei Neugeborenen Sars-CoV-2-positiver Mütter von drei Prozent. Ob das Corona-Virus durch Muttermilch übertragbar ist, ist laut RKI ebenfalls nicht abschließend geklärt. Bislang empfiehlt die WHO deshalb das Stillen unter Einhaltung adäquater Hygiene-Vorschriften. kaf

[-] Weniger anzeigen

Die Pandemie und der harte Lockdown treffen Schwangere besonders hart. Und das nicht nur in der Komfortzone Shoppen und Freunde sehen. Weil es kaum noch Geburtsvorbereitungskurse oder Sportangebote in Präsenzform gibt, fehlt auch ein wichtiger Baustein für das von den Hormonen ohnehin angegriffene seelisch-moralische Gleichgewicht. Normalerweise trifft Frau dort auf Gleichgesinnte, kann Sorgen und Nöte teilen. Das können Online-Kurse nicht ersetzen. "Ich hoffe, dass ich mich nach der Geburt wieder mit Freundinnen verabreden kann, die auch schwanger sind oder gerade kleine Kinder haben", sagt Sandra.

Dass Kontakte Mangelware sind, bleibt nicht ohne Folgen. "Durch die aktuelle Situation werden die üblichen Schwangerschaftsbeschwerden deutlich intensiver empfunden", beobachtet die Heidelberger Hebamme Birgit Fuchs. "Dadurch, dass die meisten Geburtsvorbereitungskurse online durchgeführt werden, fehlt vor allem den Erstgebärenden der Kontakt zu anderen Schwangeren und damit die Möglichkeit, sich auszutauschen. Umso wichtiger ist deshalb in diesen Zeiten die Hebamme als Ansprechpartnerin."

Hebammen-Kollegin Jenny Nöding-Bühler bestätigt das. Sie erlebt die Frauen derzeit ziemlich einsam und vermehrt "mit einer Neigung zu postpartalen Depressionen". Zumal ständig die Angst vor einer Ansteckung mit Corona möglicherweise sogar in der Klinik mitschwingt. Ein Ausdruck dessen: Die Nachfrage nach ambulanten Geburten ist nach Erfahrung der Hebamme deutlich gestiegen.

Auch interessant
Heidelberg: Probleme zwischen Partnern und in Familien spitzen sich zu
Heidelberg: So läuft die Schulsozialarbeit in Pandemie-Zeiten

Und die Probleme gehen nach der Geburt weiter. Von ihrer ersten Schwangerschaft vor sechs Jahren weiß Julia aus Eppelheim noch sehr gut, dass Rückbildungskurse ein sehr "sozialer Akt" sind, wie sie sagt. "Wir sind danach oft noch einen Kaffee trinken gegangen, so lernt man viele Gleichgesinnte kennen." Doch auch die meisten dieser Angebote gibt es derzeit nur online. Einen eigenen Mami-Zirkel aufbauen – Fehlanzeige.

Wie sich der Pandemie-Stress auf die Paar- und Eltern-Kind-Beziehung auswirkt, damit beschäftigt sich inzwischen sogar eine gemeinsame Studie der Unis Heidelberg, Mannheim und München. Geplant ist, Teilnehmer länger zu begleiten und herauszufinden, ob und wie die kindliche Entwicklung durch diese besondere Situation beeinträchtigt wird, wie Studienleiterin Professor Anna-Lena Zietlow von der Uni Mannheim erklärt.

Auch Väter leiden unter den Einschränkungen, fühlen sich ausgeschlossen. In viele Arztpraxen dürfen sie nicht mit, wenn im Ultraschall die ersten Babybilder zu sehen sind. Auch Geschwisterkinder, die neugierig sind auf das, was da kommt und sich auf die neue Situation zu Hause einstellen müssen, dürfen oft weder mit zum Ultraschall, geschweige denn die Mama im Krankenhaus besuchen. "Das war schon sehr traurig. Vor allem weil ich den Vergleich hatte, wie schön es in der ersten Schwangerschaft war", sagt Julia, die im Januar ihr zweites Kind entbunden hat.

Corona während der Schwangerschaft. Foto: Getty

Dazu kommen die Sorgen vor der Geburt unter Pandemie-Bedingungen. Die Krankenhäuser müssen den Spagat meistern zwischen größtmöglicher Sicherheit vor Ansteckung und einem möglichst harmonischen Geburtserlebnis. Ein Drahtseilakt. Ein Thema dabei ist die Maske. "Ich habe mir viele Gedanken gemacht, wie eine Geburt mit Maske funktionieren soll", sagt Katharina. Sie hat Ende Januar ihre Tochter zur Welt gebracht und durfte die Maske in der Endphase der Geburt abnehmen. So lautet offiziell die Regelung in den meisten Geburtskliniken der Region. "Mein Eindruck ist aber, dass es kein einheitliches Vorgehen in den Kliniken gibt. Es ist jeweils eine situationsabhängige Entscheidung des geburtshilflichen Teams", sagt Hebamme Birgit Fuchs.

Wobei ihre Meinung zu dem Thema eindeutig ist: "Ich persönlich finde, mit Maske kann man kein Kind gebären. Bei der Geburt ist ja gerade das Atmen sehr wichtig." Und selbst, wenn die werdende Mutter den Mundschutz abnehmen darf: Die Menschen um sie herum – Ärzte, Hebammen, der Partner – müssen ihn weiter tragen. "Es fehlt komplett die Mimik oder ein kleines Lächeln. Das wird mit Sicherheit nicht sehr persönlich", befürchtet Sandra, die im März entbinden wird.

Welche Rolle kann der Vater spielen? Vor Corona war es für viele Männer selbstverständlich, ihre Frau bei der Geburt zu begleiten. Und nun? In den Kliniken der Region dürfen die Väter zwar zur Entbindung mit in den Kreißsaal. "Je nach Klinik wird es aber unterschiedlich gehandhabt, ob der Mann auch schon bei Vorwehen mit dabei sein darf oder bei einer Einleitung", sagt Hebamme Fuchs. Die kann sich über mehrere Tage hinziehen. "Die Frauen treibt die Sorge um, dass sie unter Umständen zwei Nächte mit Wehen ohne die Unterstützung ihres Partners verbringen müssen." Viele Frauen, die sie betreut, haben schon früh das Bedürfnis, mit ihr über die Geburt zu sprechen. "Es beschäftigt sie verständlicherweise sehr."

Julia hatte Glück. Ihr Mann konnte sich im St. Elisabeth-Krankenhaus mit aufnehmen lassen und nach der Geburt zwei Nächte im Familienzimmer bei ihr und der Tochter bleiben. In der Heidelberger Uniklinik gibt es diese Übernachtungsmöglichkeit beispielsweise nicht. Sobald der Vater nach der Geburt das Krankenhaus verlässt, sieht er seine Familie erst am Tag der Entlassung wieder.

Diese Sorgen bekommt auch Annette Maleika, Chefärztin der Abteilung für Geburtshilfe an der Schwetzinger GRN-Klinik, mit. Dort können Väter bei der Geburt dabei sein und auch die Unterbringung in einem Familienzimmer wird angeboten. Aber am Corona-Test vor der Aufnahme kommt natürlich niemand vorbei. "Da spüre ich oft eine sehr große Anspannung, wenn ein Paar auf das Ergebnis wartet." Die Angst sei groß, dass der Vater positiv getestet wird und dann nicht mit zur Geburt darf.

Aber wirkt sich die Situation auch auf die Geburtenrate aus? Zwar wurden in den ersten drei Quartalen 2020 rund 1 Prozent weniger Kinder geboren als im Jahr zuvor. Laut Statistischem Bundesamt nimmt die Geburtenzahl jedoch seit 2016 stetig ab. Ob die Pandemie diesen Trend beschleunigt hat, lasse sich frühestens im April beurteilen, wenn die Zahlen bis Ende Februar vorlägen.

Chefärztin Maleika beobachtet eher das Gegenteil: Im Januar habe es im Schwetzinger Krankenhaus ein Geburtenplus von 50 Prozent im Vergleich zum Vorjahr gegeben. "Der Corona-Babyboom scheint sich zu bewahrheiten", meint sie. Am Uniklinikum Heidelberg lässt sich zumindest kein Rückgang beobachten. Die Geburtenraten seien stabil geblieben.

Auch Julia hat die Sorge vor Corona nicht von einer Schwangerschaft abgehalten. "Man weiß ja nicht, wie lange die Pandemie noch dauert", meint sie. "Wir haben uns eher gesagt, das Kind ist unser Hoffnungsschimmer für 2021."