Liebe ist der größte Antrieb
Mit ihrem neuen Album "Herz Kraft Werke" liefert sie jetzt 15 Songs mitten aus dem Leben einer vierfachen Mutter, die kein Blatt vor den Mund nimmt.

Von Wolfgang Scheidt
Vor vier Jahren sang die 39-jährige Sarah Connor, als Sarah Marianne CorinaLewe in Delmenhorst geboren, erstmals in ihrer Muttersprache. Damit traf sie bei ihren Fans mitten ins Herz. Mit dem aktuellen Album "Herz Kraft Werke" liefert sie jetzt 15 Songs mitten aus dem Leben einer vierfachen Mutter, die kein Blatt vor den Mund nimmt und unverblümt darüber singt, was sie bewegt. Nur eines mag sie gar nicht: Emotionslosigkeit.
Sarah Connor, was war Ihr Schlüsselerlebnis, plötzlich Popsongs in Ihrer Muttersprache zu singen?
Sarah Connor: Bei "Sing meinen Song" habe ich mich das erste Mal wirklich dafür geöffnet. Ich musste ja. Der Song "Keine ist wie Du" von Gregor Meyle hat in mir das erste Mal etwas bewegt. Und mir somit gezeigt, es ist möglich, dass mich die richtigen Zeilen in Verbindung mit den richtigen Tönen auch in meiner Muttersprache ins Herz treffen können. Und dann habe ich mich auf die Suche nach den richtigen Worten gemacht…
Die Fans lieben Ihre deutschsprachigen Songs wie "Wie schön du bist" oder "Unendlich" - was unterscheidet sie von einem Hit à la "From Sarah with Love"?
Ich habe sie selbst geschrieben. Text und Melodie. "Unendlich" ist ein gutes Beispiel: Ich saß morgens an meinem Schreibtisch und meine siebenjährige Tochter kam herein und ich sagte, mir fällt nichts ein, worüber soll ich denn heute mal schreiben, Phini? Und sie sagte ohne zu zögern: Heute schreibst Du mal ein deutsches Lied für mich! Also habe ich das getan. Ich habe mir vorgestellt, wie es ist, wenn alles beschissen läuft und sie dann ins Zimmer kommt. So ist "Unendlich" entstanden.
Sind alle 15 Songs auf dem neuen Album "Herz Kraft Werke" so authentisch?
"Herz Kraft Werke" ist voll und ganz mein Baby. Ich habe es selbst produziert und jede Entscheidung getroffen. Vom ersten Ton bis zum Sticker auf der Hülle.
Wie entstanden die neuen Songs?
Ich habe Wortfetzen oder Meldebögen im Kopf. Manchmal Jahre. Dann hör ich etwas, ein Link, einen Beat oder eine Melodie auf dem Klavier - und plötzlich kommen die passenden Zeilen zu mir. Es sind Themen, die mich als Frau und Mutter von vier Kindern beschäftigen. Liebe ist mein größter Antrieb. Und Liebe ist auch das, was mich traurig und nachdenklich macht, wenn ich es bei Menschen vermisse oder nicht finden kann. Die Produktion war aufwendig. Ich bin zwei Mal nach Nashville geflogen und habe meine Songs von einer exzellenten Live-Band einspielen lassen. Anschließend war ich in London für Orchesteraufnahmen. Ich habe viele Stunden im Studio und viele einsame Nächte mit Musikhören und Texte schreiben verbracht. Denn tagsüber ist es in meinem Alltag als Mutter von vier Kindern schwierig, mal in Ruhe Musik zu hören.
Es hat sich gelohnt. Die Songs "Vincent" und "Unendlich" handeln von Homosexualität und vom Zauber, den Kinder versprühen. Welche weiteren Themen liegen Ihnen am Herzen?
"Schloss aus Glas" ist ein sehr schmerzhafter, zerbrechlicher Song über meine Kindheit und die Scheidung meiner Eltern und wie sie trotz allem in den wirklich wichtigen Momenten zusammenhalten. Und "Flugzeug aus Papier" ist ein Song, zu dem mich die traurige Geschichte der kleinen Tochter von dem Sportler Bode Miller inspiriert hat. Sie ist letztes Jahr im Alter von zwei Jahren im elterlichen Pool ertrunken, als die Mutter kurz unaufmerksam war. Eine auf allen Ebenen unerträgliche Vorstellung.
Auch als Songwriterin sind Sie gereift. Gibt es bei Ihnen musikalisch keine Kompromisse mehr?
Das stimmt. Ich singe keine Songs mehr von anderen. Das Schreiben der Texte ist mir mittlerweile wichtiger als die Musik. Sängerin bin ich von Natur aus. Das konnte ich immer. Meine Geschichten und meine Sprache erzähle ich erst seit dem Album "Muttersprache". Hätte ich eher gewusst, dass ich das kann, und hätte eher jemand daran geglaubt, dass ich das kann, hätte ich schon längst alles selbst gemacht. Es fühlt sich so gut an.
Dennoch haben Sie keinen Aufguss von "Muttersprache" aufgenommen. Was ist neu?
Ich wollte erst mal große Melodien machen. Ich wollte den Soul in die deutsche Sprache bringen. Ich wollte, dass meine Stimme noch mehr dazu kommt zu tanzen. Und ich habe noch mehr für mich alleine gearbeitet. Die Texte sind sehr privat. Das ist mir erst bewusst geworden, als ich sie das erste Mal vorgetragen habe. "Zelt am Strand" habe ich zum Beispiel geschrieben, nachdem ich mich mal mit meinem Mann gestritten hatte. Es war komisch, plötzlich auf der Bühne zu stehen und öffentlich zu singen, was ich eigentlich meinem Mann sagen würde.
Wenn Sie ab Oktober als vierfache Mutter auf Tournee gehen, wie muss man sich das vorstellen: Ist die Familie immer mit dabei?
Oh ja. Eine große Party. Nicht unanstrengend. Und am liebsten möchten alle noch einen Freund mitnehmen.
Vor vier Jahren nahmen Sie eine syrische Mutter mit fünf Kindern bei sich auf. Wie wichtig ist Ihnen soziales Engagement?
Das war eine sehr intensive Erfahrung und die Beziehung zu unserer Gastfamilie ist kompliziert. Leider gibt es so etwas wie ein Happy End nicht bei so einer Geschichte. Das Beste daran ist: Beide Seiten haben sehr viel über die Unterschiedlichkeit unserer Kulturen und Mentalitäten gelernt.
Info: "Herz Kraft Werke" ist vor kurzem erschienen. Live: Dienstag, 5. November, 20 Uhr, SAP Arena Manmheim. RNZ-Ticketservice; ab 49,80 Euro.