Musik muss im Herzen treffen
Mit der Band Reamonn hat Rea Garvey deutsche Rock-Geschichte geschrieben. In seinem vierten Soloalbum "Neon" erhebt der Ire seine mächtige Stimme und beruft sich mit hymnischem Pathos auf seine irischen Wurzeln. Olaf Neumann traf Garvey in Hamburg. Ein Gespräch über gute Songs, die irische Heimat und Karrieredruck.

Für Ihr Album "Neon" haben Sie sich mit mehreren Hip-Hop-Produzenten zusammengetan. Wie kam es dazu?
Auf dieser Platte hatten wir sieben Produzenten, Engländer, Amerikaner und Deutsche. Eine gute Erfahrung! Am Anfang war ich mir nicht sicher, ob ich das wirklich will, aber dann habe ich Imran Abbas getroffen, der mir sofort ein Lied geschrieben hat. Es war genau das, was ich wollte. Abbas hat zehn Lieder auf meinem Album produziert. Das ist für mich Neuland, und es fühlt sich gut an.
Worauf haben Sie bei diesem Album besonderen Wert gelegt?
Wir haben im Studio viel über Beats und Ambientsounds gesprochen. Wir hatten 50 Lieder geschrieben, die wir dann auf 13 runtergekürzt haben. Die Stücke mit den Beats waren die besten. Diese Platte hat sich selber gefunden.
Kommen Ihnen manchmal Zweifel, ob Sie jemals wieder eine gute Nummer schreiben werden?
Nein, das würde mir nur im Weg stehen. Wenn man das Gefühl hat, nichts Gutes geschrieben zu haben, muss man einfach noch mehr schreiben, bis sich dieser Knoten wieder löst. Ich lasse mich gern inspirieren, indem ich mit anderen schreibe. Allein würde ich mich schnell langweilen. Bei diesem Album bin ich weit weg gegangen, um letztendlich zu merken, dass ich eigentlich nach Hause gehen muss.
In Island trafen Sie auf die dänische Songschreiberin Tina Dico.
Tina Dico ist mit dem Isländer Helgi Jónsson verheiratet. Ich habe die beiden besucht und wir haben ein Lied geschrieben, das irgendwie sehr irisch klingt. Das habe ich dann versucht, in Berlin aufzunehmen, was aber nicht klappte. Schließlich habe ich es in Irland mit irischen Musikern aufgenommen. Ein wahnsinnig weiter Weg, um ein Lied zu machen, aber das Herz dieses Songs lag einfach in Irland.
"Hometown" ist ein Song über Dublin. Haben Sie manchmal Heimweh?
Die Konzerne Facebook und Google haben sich mitten in Dublin angesiedelt. Schön, dass sie vielen Leuten Arbeit geben, aber als ich durch die Straßen ging, fiel mir auf, wie die Innenstadt darunter leidet. Dublin hat sein altes Gesicht verloren. Es ist nicht mehr meine Stadt. Aber auch ich habe mich verändert, und vielleicht habe ich auch nicht das Recht, solche Entwicklungen zu kritisieren. Aber mir fehlt diese Stadt, die ich früher geliebt habe.
Mussten Sie Irland verlassen, weil Sie dort keine Arbeit fanden?
Nein, ich habe einen Job aufgegeben, um hauptberuflich Musik zu machen. Vielleicht hatte ich ja Angst davor, dass mir der Geruch von Geld zu sehr gefallen hätte. Das Schlimmste, was ich mir vorstellen konnte, war, in einem Büroblock arbeiten zu müssen. Ich musste einfach herausfinden, ob Musik das ist, was ich machen will. In Deutschland habe ich mich dann sofort wohl gefühlt.
Hätten Sie auch in Irland eine musikalische Karriere machen können?
Ich weiß es nicht. Ich glaube, es ist gut, dass ich hier und nicht dort bin.
Wenn ein Song fertig ist, wer bekommt ihn dann als erstes zu hören?
Meine Frau und Managerin Joe und Tom Bohne, der Boss von Universal Music. Ich vertraue meiner Frau komplett. Wir haben fast ein symbiotisches Verhältnis. Wenn einer etwas Bestimmtes spürt, spürt es der andere auch.
Welche Vorstellung haben Sie von Ihrer Musik? Soll sie so klingen, wie Sie als Mensch sind?
Als ich meine Stimme das erste Mal im Fernsehen hörte, war ich überrascht. Ich hatte mich immer komplett anders gehört. Meine Musik muss mich immer im Herzen treffen. Es ist nur einmal in meiner Karriere vorgekommen, dass ich etwas getan habe, woran ich nicht glaubte. Es war eine Katastrophe! Seitdem verlasse ich mich nur auf mein Gefühl.
Sie spielen in diesem Jahr Ihre bisher größte Tour. Vermissen Sie heute die Unbeschwertheit, die Sie am Anfang Ihrer Karriere hatten?
Olympiahalle - das ist schon ein Wort! Ich habe aber Bock drauf. Es wird eine Wahnsinnsshow werden. Der Druck kommt hauptsächlich von mir. Ich freue mich tierisch, wenn die Menschen großes Interesse an meiner Arbeit haben. Umgekehrt bin ich sehr enttäuscht, wenn meine Musik nicht ankommt. Bis jetzt bin ich gesegnet, weil es für mich immer nur nach oben geht. Aber man muss dafür arbeiten. Im Leben wird einem nichts geschenkt.
Wie gehen Sie mit dem Hype um Ihre Person um?
Ich bin grundsätzlich nett und komme mit jedem klar. Und wenn ich mich rar machen will, dann mache ich mich rar. Ich finde es wichtig, dass ich so leben kann, wie ich leben will und mich nicht verstecken muss. Das wäre eine Katastrophe.
Info: "Rea Garvey – Neon" erscheint am 23. März. Live am 12. September im Rosengarten in Mannheim. RNZ-Ticket; 56,05 Euro.