Freiheit auf zwei Rädern
Saara Morsch ist Draisinenreiterin aus Leidenschaft. Fünf Laufräder, von ihr liebevoll "Karlchen" genannt, besitzt die 37-Jährige und gilt damit als Fachfrau in Sachen Fahrraderfinder Karl Drais. RNZett-Autorin Kirsten Baumbusch sprach mit Saara Morsch über Drais, Fahrtechnik und das Radfestival "Monnem Bike".

Erinnern Sie sich noch daran, wie Sie Radfahren gelernt haben?
Ja, auf jeden Fall, es war im Alter von vier Jahren mit meinen Eltern im Bremer Bürgerpark. Das war ein erster Schritt in die Selbstständigkeit. Auch später im Leben stand das Rad für mich immer für Freiheit und Unabhängigkeit. Ich mag einfach selbst entscheiden, wann, wie und wohin ich fahre.
Sie besitzen mittlerweile fünf Laufräder. Wie kommt man auf die Idee, Draisinen zu sammeln?
Das war in einer schwierigen Zeit meines Lebens, als ich das Fahrradfahren wieder für mich entdeckte und mich auch mit dessen Geschichte beschäftigte. Ich fand es interessant, dass Karl Drais das Laufrad ausgerechnet in Mannheim, also in der Stadt, in der ich lebe, erfunden hat, und ich habe mich in die Draisine wegen ihres Aussehens und ihrer Geschichte einfach verliebt.
Was war Karl Drais für ein Typ?
Ich glaube, dass er es sehr schwer hatte im Leben, verkannt wurde - aber auch sehr einzigartig, sensibel und menschenfreundlich war. Karl Drais verstand sich ja auch als Demokrat und legte kurz vor seinem Tod seinen Adelstitel ab, für die damalige Zeit ein ungemein mutiger Schritt, der auch die Konsequenz hatte, dass er später ganz in Armut verstorben ist.
War er ein verkanntes Genie?
Nun ja, er hatte auf jeden Fall viele Gegner. Ein bisschen ist sein Leben auch eine Mahnung, Menschen, die anders sind, nicht gleich abzutun, sondern sie ihr Potenzial entwickeln zu lassen. Er hatte viele Erfindungen gemacht, die die Menschheit hätten weiterbringen können: eine Schreibmaschine, Dampfkochtöpfe, einen energiesparenden Ofen.
Wie kamen Sie zu ihren Laufmaschinen?
Das war 2014 über Ebay-Kleinanzeigen. Es handelt sich um die blaue Laufmaschine, die noch bis zum 25. Juni im Technoseum bei der Ausstellung "2 Räder 200 Jahre" zu sehen ist. Bei meinem zweiten "Karlchen", ein paar Monate später, war es ähnlich. "Karlchen 3" fand ich ebenfalls über eine Kleinanzeige. "Karlchen 4" habe ich einer netten Dame abgekauft, deren Mann das Laufrad besaß und es sogar anlässlich der Einweihung des Drais-Denkmals durch Mannheim gefahren hat. Ich lernte sie beim diesjährigen Mannheimer Neujahrsempfang kennen, wo ich mit dem Allgemeinen Deutschen Fahrradclub einen Stand hatte und Karl-Drais-Souvenirs verkaufte. "Karlchen 5" habe ich bereits vor einem Jahr in Österreich in Auftrag geben. Diese Laufmaschine ist insofern besonders, weil das Original davon im Deutschen Museum in München steht und eine Lizenzplakette von Karl Drais von 1817 trägt. Nun habe ich die Draisine aus der Steiermark mit der Bahn abgeholt, im Fahrradabteil.
Da haben die Leute gestaunt, oder?
Unglaublich, wie hilfsbereit sie waren und wie man mit den Menschen in Kontakt kommt. Fantastisch, was diese Laufmaschinen an positiven und nostalgischen Gefühlen auslösen.
Gibt es eigentlich eine Bremse?
Es gibt Laufräder mit und ohne. Drais hatte eine Bremse konstruiert, die aus einem Holzklotz bestand, der über eine Schnur mit dem Balancierbrett verbunden wurde. Wenn man daran zog, drückte der Klotz gegen das Hinterrad. Das war damals enorm fortschrittlich.
Macht es für Sie einen Unterschied, dass Draisinen aus Holz sind und die meisten Fahrräder aus Metall?
Eine Draisine ist für mich ein besonderes Fortbewegungsmittel aus einem organischen Material. Sie symbolisiert für mich das Leben: Immer geht es irgendwie vorwärts. Sie ist der Ursprung des Fahrrads und strahlt eine ungeheuer positive Energie aus.
Wofür braucht man das Balancierbrett?
Damit kann man mit dem jeweiligen Unterarm gegendrücken, wenn man aus dem Gleichgewicht zu geraten droht. In der Draisine steckt jede Menge Physik. So war das Laufrad das erste einspurige Fahrzeug und das Fahrrad ist immer noch eine der wichtigsten Erfindungen der Menschheit.
Was bedeutet es für Sie, dass Mannheim sich entschlossen hat, 200 Tage lang 200 Jahre die Erfindung des Fahrrads in der Stadt zu feiern?
Ich kann mich vor Anfragen nach meinen Draisinen kaum retten. Fernsehsender wollen mit zwei von ihnen sogar einen Film in Rumänien drehen. "Karlchen 2" ist derzeit mit dem ADFC auf Wanderausstellung in der Region unterwegs.
Beim Festival trifft man Sie aber auch persönlich, oder?
Das Wochenende habe ich mir komplett freigehalten. Ich werde Drais-Andenken verkaufen und auch als Freiwillige bei "Monnem Bike", der Mannheimer Geschäftsstelle Radjubiläum, mit meiner Draisine und dem orangenen Volunteer-T-Shirt als mobiler Wegweiser fungieren.