Der große Coup

Der Eiffelturm, eine Schrottimmobilie

Victor Lustig war ein Ganove, wie er im Buche steht. Vor 100 Jahren verkaufte er den Eiffelturm an Schrotthändler - und das gleich zwei Mal.

09.05.2025 UPDATE: 11.05.2025 04:00 Uhr 3 Minuten, 26 Sekunden

Eine Szene aus dem Film „Der Mann, der den Eiffelturm verkaufte“ mit Dietmar Schönherr in der Hauptrolle. Fotos: SWR/Annemie Huck

Von Michael Ossenkopp

Paris. Anfang der 1920er-Jahre war der Eiffelturm in Paris in einem bedauernswerten Zustand. Französische Zeitungen veröffentlichten mehrere Berichte über das marode Bauwerk, es wurde sogar über einen Abriss spekuliert. Das brachte einen bekannten Hochstapler und Trickbetrüger auf eine verwegene Idee: Victor Lustig gelang vor 100 Jahren sein größter Coup, als er im Mai 1925 den Eiffelturm verkaufte – und das gleich zweimal.

Der Plan war so einfach wie kühn: Der gewandt auftretende 35-jährige Weltmann aus Böhmen klaute im französischen Postministerium Briefpapier und Umschläge. In Schreiben an sechs Schrotthändler, die er aufgrund ihrer "hervorragenden Reputation als ehrliche Geschäftsleute" ausgewählt habe, gab er sich als stellvertretender Generaldirektor des Postministeriums aus und lud sie zu einem vertraulichen Treffen ins luxuriöse Hôtel de Crillon an der Place de la Concorde ein.

Dort erläuterte er die bevorstehende Demontage des Turms, der anfallende Stahl solle als Schrott entsorgt werden: "Meine Herren, der Postminister hat mich beauftragt, Ihnen eine wichtige geheime Mitteilung zu machen. Der Eiffelturm ist in einem gefährlichen Zustand. Leider müssen wir ihn abbrechen. Sie verstehen sicher, weshalb Sie hier sind. Es geht um 70.000 Tonnen Altmetall. Das ist ein beträchtlicher Wert!"

Anschließend erklärte er, dass er möglichst schnell Angebote für den Auftrag erwarte. André Poisson ging ihm auf den Leim. Der Unternehmer erhoffte sich vom Kauf des Eiffelturms Anerkennung in der Pariser Gesellschaft. Schließlich setzte Lustig noch eins drauf und offenbarte sich als vermeintlich unterbezahlter Staatsdiener. Nun forderte er zur Verkaufssumme zusätzlich Schmiergeld, was Poisson endgültig von der Echtheit des Angebots überzeugte. Der Händler zahlte 200.000 Francs im Voraus und Lustig gratulierte ihm: "Monsieur, von nun an sind Sie Besitzer des Eiffelturms."

Noch am gleichen Tag setzte sich der Ganove mit seinem Komplizen Dan Collins, der als sein Sekretär aufgetreten war, nach Wien ab. Entgegen seiner Erwartung fand er in den Zeitungen keine Berichte über den Betrug. Der Geschädigte hatte aus Scham geschwiegen und nicht einmal die Polizei verständigt. Das machte Lustig übermütig. So kehrte er wenig später nach Paris zurück und zog genau den gleichen Schwindel ein zweites Mal durch. Diesmal jedoch ging der Betrogene zur Polizei, woraufhin sich das Verkaufsgenie flugs in die USA absetzte.

Dort ging es mit den Betrügereien weiter. Für bis zu 30.000 Dollar pro Stück verkaufte er vermeintliche Gelddruckmaschinen, die sogenannten "Rumänischen Schachteln". Die spuckten nach einem "mehrstündigen Produktionsprozess" 100-Dollar-Noten aus, die von echten nicht zu unterscheiden waren. Das war nicht verwunderlich, hatte Lustig die Maschine doch zuvor heimlich mit einigen echten Hundertern gefüttert. Doch wenn der Vorrat aufgebraucht war, lieferte sie nur noch weißes Papier. Lustig war dann aber schon über alle Berge. Während seiner "Karriere" hatte sich der Gauner 45 falsche Namen zugelegt und wurde mehr als 50 Mal verhaftet. Meist kam er aber schnell wieder auf freien Fuß.

Zu seinen Opfern zählte auch der legendäre Al Capone. 1926 suchte Lustig den Gangsterboss auf und versprach, den Betrag von 50.000 Dollar innerhalb von 60 Tagen zu verdoppeln. Trotz großen Misstrauens stieg Capone auf den Handel ein. Lustig deponierte das Geld aber nur in einem Banksafe, kehrte nach Fristablauf zurück, entschuldigte sich für das Scheitern seines Plans und übergab Capone wieder seine 50.000 Dollar. Dieser war fassungslos – er hatte entweder mit 100.000 Dollar oder einem Totalverlust gerechnet. Der stets skeptische Obergangster war auf so einen "ehrlichen" Akt nicht gefasst, er war von Lustig schwer beeindruckt und schenkte ihm zum Dank angeblich 5000 Dollar. (Angeblich stand Lustig bis zu seinem Tod unter dem Schutz des legendären Al Capone. Foto: dpa)

Um der Herkunft von Falschgeld auf die Spur zu kommen, bildete der amerikanische Geheimdienst 1934 eine Sonderkommission. Ins Fadenkreuz der Ermittlungen geriet der Apotheker William Watts. Sein Aufenthaltsort war nicht bekannt, allerdings der seines Kontaktmannes – Victor Lustig. Er wurde verhaftet, gab sich unschuldig und belastete Watts. Aber in einem Schließfach, für das Lustig einen Schlüssel besaß, entdeckten Ermittler Druckstöcke und Dollarblüten.

Doch Lustig gab nicht auf. Sheriff Richards, der ihn verhaftet hatte, jubelte er im Tausch gegen die Freiheit eine selbstverständlich nicht funktionierende Gelddruckmaschine unter. Richards durchschaute den Trick zu spät, verfolgte Lustig und fasste ihn schließlich. Selbst da behielt Lustig die Nerven und erklärte, die Maschine habe nur wegen falscher Bedienung nicht funktioniert. Er beschwatzte den Gesetzeshüter so lange, bis dieser ihn wieder freiließ. Lustig hatte ihm dafür ein Bündel Banknoten überlassen. Fast überflüssig zu erwähnen, dass die Dollar-Hunderter falsch waren. Sheriff Richards wurde kurze Zeit später verhaftet. (Victor Lustig (2.v.r.) 1935 auf dem Weg zum Gericht. Foto: imago)

Auch Lustig wurde festgenommen, angeklagt und in New York inhaftiert. Doch einen Tag vor seinem Prozess gelang ihm die Flucht mittels eines Seils aus Bettlaken. Nach 27 Tagen wurde er in Pittsburgh erneut geschnappt.

Am 5. Dezember 1935 begann der Prozess gegen Lustig, Kronzeuge der Anklage war der Apotheker Watts. Das Urteil lautete 15 Jahre auf der berüchtigten Zuchthaus-Insel Alcatraz. Für seinen Fluchtversuch erhielt er noch einmal fünf Jahre zusätzlich. Der Legende nach soll Victor Lustig bis zu seinem Tod am 11. März 1947 unter dem persönlichen Schutz seines "alten Freundes" Capone gestanden haben. Beim Ausfüllen des Totenscheins notierte der Beamte unter dem Punkt "Beruf" angeblich "Verkäuferlehrling" ("Apprentice Salesman").

Info: Unter dem Titel "Der Mann, der den Eiffelturm verkaufte" verfilmte 1970 der Südwestfunk eine an Lustigs Leben angelehnte Geschichte mit Dietmar Schönherr in der Hauptrolle. Ein gleichnamiges Hörbuch erschien 2010. 2019 feierte der Verlag "Lauscherlounge" die Premiere des Live-Hörspiels "Die Abenteuer des Victor Lustig. Der Mann, der den Eiffelturm verkaufte – nach einer wahren Begebenheit".