20 Jahre 9/11

Die Täter und Hintermänner

Wer hat die Anschläge bezahlt und koordiniert? Und was wurde aus den Terroristen?

08.09.2021 UPDATE: 11.09.2021 06:00 Uhr 4 Minuten, 29 Sekunden
Kopf der Al-Kaida und Drahtzieher der Anschläge: Osama bin Laden... Foto: dpa

New York/Hamburg. Die Anschläge vom 11. September 2001 sind auf immer mit dem Namen des damaligen Al-Kaida-Anführers Osama bin Laden verbunden. Hinter ihm standen eine Handvoll Planer und Drahtzieher – und natürlich die 19 Attentäter, die in die Flugzeuge stiegen, um sie als vollgetankte, fliegende Bomben einzusetzen.

Vorbereitung und Durchführung der Anschläge – die die ganze Welt erschütterten, eine Supermacht ins Wanken brachten und später sogar in den Krieg trieb – kostete Al-Kaida nur etwas weniger als eine halbe Million US-Dollar. So steht es im Bericht der überparteilichen US-Kommission zur Aufarbeitung der 9/11-Anschläge.

Alle 19 Attentäter kamen in den Flugzeugen ums Leben, andere Al-Kaida-Kämpfer wurden später vom US-Militär in Afghanistan oder Pakistan getötet. Einige sind bis heute im US-Gefangenenlager Guantánamo inhaftiert.

Eine besondere Rolle dabei spielten die Mitglieder der Hamburger Terrorzelle. Sie waren in den 90er Jahren als Studenten nach Deutschland gekommen. Der Ägypter Mohammed Atta, der später einer der Todespiloten wurde, galt als ihr Anführer. Die muslimischen Studenten trafen sich und sprachen mit zunehmender Intensität über den Dschihad ("Heiligen Krieg") gegen "Ungläubige". In einem Terrorcamp in Afghanistan wurden Mitglieder der Gruppe 1999 von Bin Laden für den seit langem von ihm geplanten Anschlag mit Flugzeugen rekrutiert.

Die Todespiloten

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...und Todespilot Mohammed Atta, der von bin Laden rekrutiert wurde. Foto: dpa

Mohammed Atta steuerte eine gekaperte Boeing 767 in den Nordturm des World Trade Centers. Die Maschine der American Airlines war das erste der vier für die Anschläge eingesetzten Flugzeuge. Atta, geboren 1968, hatte von 1992 bis 1999 in Hamburg studiert. Er stammte aus einer ägyptischen Mittelklassefamilie und begann offenbar erst in Deutschland, sich zu radikalisieren. 1999 reiste er für den "Dschihad" nach Afghanistan. Dem Bericht der US-Kommission zufolge traf er Bin Laden damals mehrmals persönlich. Atta begann seine Pilotenausbildung 2000 in den USA.

Marwan Alshehhi, geboren 1978, saß als Pilot in der United-Airlines-Maschine, die den Südturm des World Trade Centers traf. Der Einschlag der Boeing 767 wurde von vielen Sendern live übertragen. Der aus den Vereinigten Arabischen Emiraten stammende Vertraute Attas war 1996 mit einem Militärstipendium in Deutschland zunächst nach Bonn gekommen, dann studierte er auch in Hamburg.

Hani Handschur, geboren 1972, flog die gekaperte Maschine des American-Airlines-Flugs 77 ins Pentagon, den Sitz des US-Verteidigungsministeriums. Er war aus Saudi-Arabien zuerst 1991 in die USA gekommen, um Englisch zu studieren. 1999 bekam er seinen US-Pilotenschein. 2000 hielt er sich in Afghanistan auf, vermutlich in einem Terrorcamp. Dort erfuhren Al-Kaida-Anführer von seiner Pilotenlizenz und wählten ihn als weiteren Piloten für den Anschlag aus. Er reiste mit einem Studentenvisum in die USA ein.

Siad Jarrah, der 1975 als Sohn einer wohlhabenden Familie im Libanon zur Welt gekommen war, begann 1996 in Greifswald einen Sprachkurs. Anfangs besuchte er noch Parties, bis zuletzt hatte er eine Freundin. Ab 1997 studierte an einer Hamburger Fachhochschule Flugzeugbau. Er steuerte den gekaperten Flug 93 von United Airlines, der wohl das Kapitol oder das Weiße Haus in Washington zum Ziel hatte. Während des Flugs kam es zu einer Revolte der Passagiere, die die Terroristen daran hindern wollten, die Maschine für einen Anschlag zu nutzen. Kurz bevor sie überwältigt wurden, fragte Jarrah einen Mittäter dem Cockpit-Rekorder zufolge: "War es das? Ich meine, sollen wir sie runterbringen?" Die Maschine stürzte wenig später mit voller Geschwindigkeit in ein Feld in Pennsylvania.

Der "Muskel" der Flugzeugentführung

Neben den Piloten waren für die Ausführung des Plans auch Mittäter nötig, um die Besatzung der Flugzeuge unter Kontrolle zu bringen, das Cockpit zu stürmen und Passagiere in Schach zu halten. In der Aufarbeitung der Anschläge durch die US-Kommission wurden die 15 Mittäter daher als "Muskel-Entführer" bezeichnet. Einige sprachen kaum Englisch. Für drei der gekaperten Maschinen gab es je vier Mittäter. Für den Flug 93, der in Pennsylvania zum Absturz gebracht wurde, gab es neben dem Piloten nur drei Mittäter.

Die Drahtzieher

Osama bin Laden wurde 1957 in Saudi-Arabien als eines von bis zu 57 Kindern des Bauunternehmers Mohammed Awad bin Laden geboren, der dort während des Baubooms ein Vermögen machte. Bin Laden schloss sich 1979 den "Gotteskriegern" an, die in Afghanistan gegen die sowjetischen Besatzer kämpften. In den Folgejahren radikalisierte er sich weiter, ein Wendepunkt soll der Golfkrieg 1991 gewesen sein, als US-Soldaten in Saudi-Arabien stationiert waren. Er wanderte in den Sudan aus, 1996 dann nach Afghanistan, wo er ein Verbündeter der Taliban wurde.

In den späten 90er Jahren sorgten Al-Kaida zugeschriebene Anschläge, darunter jene auf die US-Botschaften in Kenia und Tansania, für großes Aufsehen. Die US-Bundespolizei FBI erklärte ihn zum gesuchten Terroristen – aber erfolglos, die USA konnten ihn in Afghanistan nicht fassen. Die Taliban lieferten ihn nicht aus. Bald nach den Anschlägen vom 11. September marschierten USA in Afghanistan ein, doch Bin Laden entkam. Viele Islamisten verehrten ihn und nahmen seine Tonband- und Videobotschaften begierig auf. Er wurde 2011 von US-Spezialeinheiten bei einem Einsatz in Pakistan getötet.

Chalid Scheich Mohammed hatte die Idee der Anschläge per Flugzeug. Foto: dpa

Chalid Scheich Mohammed wuchs in Kuwait auf, seine Familie soll aus dem iranisch-pakistanischen Grenzgebiet stammen. Er schloss 1986 ein Studium in den USA ab. Der 9/11-Bericht beschreibt ihn als gut ausgebildeten Organisator und Netzwerker, der in einem Regierungsbüro genauso zuhause sei wie in einem Versteck von Terroristen. Er soll bin Laden bei einem Treffen 1996 in Afghanistan für die Idee eines Anschlags auf Gebäude in den USA mit Flugzeugen gewonnen haben. Al-Kaida soll er sich formell erst später angeschlossen haben. Er gilt als der Chefplaner der Anschläge, regelte auch die Kommunikation und die Finanzierung.

Scheich Mohammed wurde 2003 in Pakistan festgenommen. Im Anschluss wurde er vom US-Geheimdienst CIA verhört. Einem Bericht des US-Senats zufolge wurde er dabei gefoltert. Er wurde allein 183 Mal dem "Waterboarding" ausgesetzt. Dabei bekommt das Opfer einen Wasserstrahl auf das Gesicht, kann nicht mehr atmen und glaubt zu ertrinken. 2006 wurde Scheich Mohammed ins US-Gefangenenlager Guantánamo überstellt. Dort soll ihm wegen seiner Rolle bei den Anschlägen vor einem Militärtribunal der Prozess gemacht werden. Dabei gibt es aber seit Jahren kaum Fortschritte.

Ebenfalls im Gefangenenlager Guantánamo auf Kuba sitzt Ramzi Binalshibh, ein Mitglied der Hamburger Zelle. Der 1972 geborene Jemenit hatte vor den Anschlägen kein US-Visum bekommen. Er unterstützte die Pläne logistisch und finanziell von Europa aus und hielt Kontakt mit Scheich Mohammed. Kurz vor den Attentaten setzte er sich aus Hamburg ab. Ein Jahr später wurde Binalshibh in Pakistan festgenommen und kam in US-Haft. Er wurde von der CIA ebenfalls gefoltert. Das Verfahren gegen Binalshibh vor einem Militärgericht stockt seit Jahren.

In Deutschland vor Gericht

Mounir El Motassadeq war Teil der so genannten Hamburger Zelle. Foto: dpa

Mounir El Motassadeq, geboren 1977, ein Student aus Marokko, war eng mit den drei Hamburger Todespiloten befreundet. Unter dem Vorwurf, die Gruppe logistisch unterstützt zu haben, wurde er im November 2001 festgenommen. Das OLG Hamburg verurteilte ihn 2003 im weltweit ersten Prozess um die Terroranschläge wegen Beihilfe zum Mord in mehr als 3000 Fällen und Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung zu 15 Jahren Haft. Im März 2004 wurde das Urteil vom Bundesgerichtshof aufgehoben. Danach folgten mehrere weitere Prozesse, bis er letztlich doch zu 15 Jahren Haft verurteilt wurde. Kurz vor Ende seiner Haftzeit wurde er 2018 nach Marokko abgeschoben. Dort soll er inzwischen in Freiheit leben.

Abdelghani Mzoudi, geboren 1972, stammt aus Marokko. Im Oktober 2002 wurde er in Hamburg verhaftet. Er soll zu der Gruppe um Atta enge Beziehungen unterhalten und sie logistisch unterstützt haben. Von August 2003 an musste er sich wegen Beihilfe zum Mord in 3066 Fällen und Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung verantworten. 2004 wurde er aus Mangel an Beweisen freigesprochen.