Shirley Manson

"Ich bleibe ein wildes Weib"

Mit ihrem neuen Album stellt sich Shirley Manson all den schrecklichen Dingen auf der Welt entgegen.

05.06.2025 UPDATE: 05.06.2025 04:00 Uhr 3 Minuten, 37 Sekunden
Foto: Joseph Cultice

Von Peter Wiest

Sie ist die Frontfrau einer Band, die erstmals Mitte der Neunziger für Furore gesorgt hat. Damals, nach dem Tod von Kurt Cobain, hauchte Shirley Manson mit ihrer Gruppe Garbage dem Grunge-Genre neuen Atem ein. Jetzt, 30 Jahre später, bringen die US-Amerikaner unter dem Titel "Let All That We Imagine Be The Light" ihr achtes Studioalbum heraus. Peter Wiest sprach mit der Sängerin darüber, wie es dazu gekommen ist.

Shirley, euer neues Album klingt dem Sound nach ähnlich wie die der vergangenen Jahrzehnte. Die Texte aber sind komplett anders als bisher. Siehst du das auch so?

Shirley Manson: Ja, generell schon. Und dafür gibt es Gründe. Zunächst mal möchte ich mich nicht ständig wiederholen, sondern immer wieder Neues schreiben. Hinzu kommt, dass sich die Welt, in der wir leben, rasanter denn je verändert. Und auch die entsprechenden Perspektiven, unter denen ich auf die Dinge schaue, ändern sich.

Hat sich auch bei euch als Band viel geändert in den zurückliegenden Monaten?

Zumindest war bei den Aufnahmen zum neuen Album alles komplett anders als je zuvor. Wie du ja weißt, hatte ich extreme gesundheitliche Probleme und musste zweimal operiert werden, was dazu führte, dass ich bei den Aufnahmen und der Produktion des Albums komplett alleine bei mir zu Hause arbeitete, während die Bandkollegen im Studio waren. Das ist mit einer der Gründe, warum jetzt alles anders ist. Und was die Texte anbelangt: Ich musste ja nach meinen Operationen erst mal wieder komplett laufen lernen. Und wenn dir so etwas passiert und du es dann sogar schaffst, verändert das den Blick auf die Welt komplett. So war es zumindest bei mir, und das spiegelt sich in der Musik und den Texten wieder.

Bist du nach allem, was dir widerfahren ist, noch immer eine "wild woman", wie du oft gesagt und auch auf der Bühne gezeigt hast? Oder bist du inzwischen ruhiger geworden?

Ich bin einerseits eigentlich immer eher ruhig und zartbesaitet gewesen. Auf der anderen Seite war und bin ich immer noch auch auf meine eigene Art wild, was mit meiner persönlichen Lebenserfahrung zusammen hängt. Ich bin in den Siebziger Jahren aufgewachsen, als Frauen eher angeguckt als gehört wurden, das Aussehen also wichtiger war als ihre Meinung. Das hat mich in jeder Hinsicht geprägt und ein wildes Weib werden lassen, auch um das zu ändern. Ich will und werde immer auf meine Art wild bleiben und habe wirklich keine Lust, mich zähmen zu lassen (lacht).

Das heißt, du bleibst auch auf der Bühne wild?

Na ja, auch meine Bühnenauftritte haben sich im Lauf der Jahre geändert. Früher bin ich wie ein Pfau über die Bühne stolziert, habe auf jede erdenkliche Art um Aufmerksamkeit geprahlt. Jetzt werde ich nächstes Jahr 60 Jahre alt, und da ändert sich halt doch auch auf der Bühne so einiges. Heute geht es mir mehr darum, das Publikum zusammenzuschweißen, so dass wir eins werden und uns super fühlen. Ich betrachte mich dabei als eine Art Hohepriesterin.

Ihr geht jetzt von Juli bis November auf Tour, tretet aber nur in den USA und Kanada auf. Warum nicht bei uns?

Wir waren ja erst letzten Sommer in Deutschland, kurz bevor ich dann krank wurde. In Nordamerika haben wir ewig nicht gespielt, also treten wir jetzt erst mal da auf. Danach schauen wir mal, ob wir es wieder nach Europa und dann natürlich auch nach Deutschland schaffen.

Was gibt dir mehr: Live-Konzerte oder Studioaufnahmen?

Live-Auftritte natürlich – gar keine Frage. Dieses intensive, dieses einmalige Gefühl, wenn man vor Publikum steht und spürt, dass wir da irgendwie alles zusammen gehören, das ist einmalig und durch nichts zu ersetzen.

In der Szene geht es in letzter Zeit immer wieder mal nicht nur um Musik. So hat ja jetzt gerade Bruce Springsteen mit seiner Kritik an Donald Trump Schlagzeilen gemacht. Sollte man Musik und Politik voneinander trennen, oder sollten Musiker ihre Stimmen erheben?

Dass es Leute gibt, die fordern, dass man Politik und Musik auseinanderhält, werde ich nie verstehen. Wenn mir jemand sagt, halt deinen Mund, wenn es um Politik geht, und spiel einfach nur deine Musik, dann denke ich, der oder die ist nur eifersüchtig, dass ich als Musikerin eine solche Plattform habe und er oder sie nicht. Es ist lächerlich, von Musikern zu fordern, nicht politisch zu sein.

Glaubst du denn, dass Donald Trump eifersüchtig ist auf Bruce Springsteen?

Über diese Person, die du da gerade neben Bruce erwähnst, gebe ich prinzipiell absolut keinen Kommentar ab – niemals. Ich erwähne sogar nicht mal seinen Namen. Mehr habe ich dazu nicht zu sagen. Außer, dass ich Bruce Springsteen und seine Musik liebe.

Dann reden wir doch nochmal lieber über deine Musik. Du hast euer neues Werk im Vorfeld mal "ein zärtliches und aufregendes Album über die Zerbrechlichkeit des Lebens" genannt. Was hast du damit gemeint?

Mir ging es einfach darum, ein Album zu machen, das im Gegensatz steht zu all den furchtbaren und schrecklichen Dingen, die derzeit fast überall in der Welt geschehen. Es gibt doch so viel Hass und Intoleranz und schlimme Dinge überall – da war es doch allerhöchste Zeit, mal was zu machen, aus dem ausschließlich Liebe, Respekt und Toleranz spricht. Und ich denke, das ist uns gelungen.

Auch wenn ihr dieses Jahr nicht mehr nach Deutschland kommt: Hast du zum Abschluss eine Botschaft für eure deutschen Fans?

Ich habe es immer als ein Privileg empfunden, in Deutschland mit meiner Band auftreten zu dürfen, vor solch einem fantastischen Publikum. Und einfach mal durch Berlin laufen nach dem Auftritt dort, in Köln ein Bier trinken oder in München Leute in diesen tollen Lederhosen sehen, das waren unvergessliche Eindrücke für mich.

Info: Das Album "Let All That We Imagine Be The Light" der US-Band Garbage ist aktuell erhältlich.